Frauen in der Wissenschaft – Stieftöchter der Alma Mater?

Bericht von Janett Schmiedgen

Die Tagung „Frauen in der Wissenschaft – Stieftöchter der Alma Mater?“ fand 2. und 3. November 2007 in der TU Dresden statt. Die Tagung richtete sich an WissenschaftlerInnen, StudentInnen und die interessierte Öffentlichkeit, allerdings nahmen an der Veranstaltung überwiegend Mitglieder der TU Dresden teil; insbesondere die Gleichstellungsbeauftragten der jeweiligen Fakultäten sowie WissenschaftlerInnen und einige StudentInnen, weiterhin fanden noch einige Mitarbeiterinnen verschiedener Dresdner Institutionen wie das Gleichstellungsbüro der Stadt Dresden, das Frauenförderwerk und das Frauenbildungshaus.

Die Tagung wurde maßgeblich vom Institut für Geschichte, insbesondere Frau Prof. Dr. Susanne Schötz, welche seit 2006 Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der TU Dresden ist und dem Frauen- und Gleichstellungsbüro der TU Dresden (Frau Dr. Küllchen und Frau Dr. Schober) initiert und geplant.

Die Tagung gliederte sich in drei Teile:
1. Die Entstehung der Universität als Männerwelt
2. Frauen im System der Wissenschaften im 20. Jahrhundert und die TU Dresden
3. Barrieren und Karrieren: Wissenschaftliche Leistungen und ihre Bedingungen.
Zu den einzelnen Teilen gab es jeweils mehrere Vorträge, welche dann im Anschluss des Gesamtkomplexes diskutiert werden konnte.

1. Die Entstehung der Universität als Männerwelt

Im ersten Teil wurde die Bedeutung von Frauen in der Wissenschaft vom Mittelalter bis in die 1920er vorgestellt. Das Mittelalter war nicht ausschließlich frauenfeindlich, vielmehr gab sehr ambivalente Meinungen, was die geistigen Fähigkeiten von Frauen und ihrer Beteiligung an Wissenschaften betraf. Mit der Entwicklung der Universitäten, die zu Beginn nur die Bereiche Jura, Theologie und Medizin umfassten, waren Frauen größtenteils ausgeschlossen, allerdings gab es auch wenige Frauen, die als Professorinnen an Universitäten lehrten. Neben den Frauen war auch ein Großteil der Männer von dieser Wissensweitergabe ausgeschlossen, da sich die Professoren ausschließlich durch ihre Studenten finanzierten. Wissen wurden neben der Universitä-ten vor allem in Klöstern weitergegeben, zu denen sowohl Männer als auch Frauen prinzipiell Zugang hatten.

Naturwissenschaften und Wandel

Zu Beginn der Neuzeit mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften kam es zu einem Paradigmenwechsel; weg von der Auslegung von Texten hin zur Naturbeobachtungen. In dieser Zeit fanden die Forschung ohnehin nicht an den Universitäten statt. Leibnitz und andere Forscher waren in diesem Zusammenhang auch an dem Wissen der Nichtakademiker und der Frauen interessiert. Dazu sprachen sie auch mit Handwerker wie Färbern, Druckern und auch Hausfrauen, um deren Erkenntnisse für ihre Forschungen zu nutzen. Am Beispiel der Astronomie wurde gezeigt, dass Frauen zusammen mit ihren Männern gemeinsam Messungen vornahmen. Auch gab es humanistisch geprägte Väter, die, wenn es die Mittel zuließen nicht nur ihre Söhne sondern auch ihre Töchter unter-richten ließen. Diese gelehrten Töchter wurden dann auch in Gelehrtenkorres-pondenzen einbezogen. Mit der Gründung der Kurfürstlich-Brandenburgische Societät der Wissenschaften in Berlin um 1700 wurden die Frauen, welche sich an der Forschung beteiligten in den Hintergrund gedrängt, da sie nicht Mitglieder der Societät werden durften. Ab dieser Zeit wurde es üblich, dass gebildete Frauen ihre Männer oder Söhne weiterhin im Hintergrund bei ihren Forschungen unterstützen, ohne jedoch dafür anerkannt zu werden, davor war es durchaus üblich, dass die Ergebnisse von Männern und Frauen gemeinsam publiziert wurden. „Als das Sehen zur wichtigsten Forschungsmethode wurde, wurden Frauen unsichtbar gemacht!“ (Dr. Monika Mommertz)

Kampf um den Zugang zu den Universitäten

Im Laufe der Frauenbewegung begannen Ende des 19. Jahrhundert Frauen ihren Platz an den Universitäten einzufordern. Damit einher gingen zahlreiche „wissenschaftliche“ Studien, die den Schwachsinn des Weibes nachweisen wollten. Insbesondere die Zuordnung von bestimmten Charaktereigenschaften zu den Geschlechter hatte in jener Zeit Hochkonjunktur, um zu erklären, warum Frauen nicht für die Wissenschaften geeignet seien. Aber auch Thesen wie „die Universitäten seien der letzte freie Raum für Männer, da sie ansonsten in allen Bereichen von Frauen unterdrückt würden“, wurden verteidigt. Allerdings gab es auch Frauen wie Hedwig Dohm (Großmutter von Katia Mann), die Streitschriften für die Rechte der Frauen verfassten. Letzten Endes ließen sich die Frauen nicht endlos von den Universitäten fernhalten. Zuerst wurde einige als Gasthörerinnen zugelassen, allerdings nur für bestimmte Veranstaltungen und nur wenn der Professor nichts dagegen hatte. Die ersten Studiengänge, die für Frauen zugelassen wurden waren das Lehramt und die Medizin, allerdings mussten sie auch hier bis 1920 den jeweiligen Professor um Erlaubnis zur Besuch der Vorlesung bitten. Ebenfalls 1920 wurden dann die ersten Frauen zur Habilitation zugelassen, was die Voraussetzung für ProfessorInnenstellen darstellt. In diesem Zusammenhang wurde auf der Tagung auch die These in den Raum geworfen, die Habilitation als Zugangsvoraussetzung für ProfessorInnenstellen abzuschaffen.

2. Frauen im System der Wissenschaften des 20. Jahrhunderts und die TU Dresden

Zu Beginn wurde ein Vortrag über die Entwicklung der StudienanfängerInnenzahlen, der AbsolventInnen, PromoventInnen, HabilitantInnen und der ProfessorInnen in Sachsen und an der TU Dresden gehalten. Es wurde festgestellt, dass der Anteil von Frauen vom Studienbeginn (ca. 50 Prozent Frauen) bis hin zu den ProfessorInnenstellen (ca. 15 Prozent Frauen) rapide sinkt. In Sachsen geht der Trend dahin, dass die Anzahl der Frauen, die in Sachsen ein Studium beginnen rückläufig ist. Vermutet wird, dass vor allem die technische Ausrichtung der sächsischen Hochschulen ein Grund dafür sein könnte.

Im Anschluss daran wurden drei ehemalige StudentInnen der TU Dresden vorgestellt. Dr. Maria Reiche, Mathematikerin und Naturforscherin, welche die Linien von Nazca (Peru) kartographierte und ihr Geheimnis zu enträtseln suchte. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass die Linien 1994 zum UNESCO-Kulturerbe ernannt wurden. Als zweite Frau wurde Prof. Dr. Liselotte Herforth vorgestellt, sie war Physikerin und mehrere Jahre Rektorin der Hochschule Dresden, später TU Dresden. Sie ist bislang die einzige Rektorin an der TU Dresden geblieben. Lilia Skala-Sofer war Architektin und Schauspielerin, die als eine der ersten Studentinnen Architektur an der TU Dresden studiert hatte und später in den USA für den Film „Lilien auf dem Felde“ eine Oscar-Nominierung erhielt.

3. Barrieren und Karrieren: Wissenschaftliche Leistungen und ihre Bedingungen

Nobelpreisträgerinnen

Im Vortrag über Nobelpreisträgerinnen zeigt sich, dass seit der ersten Verleihung im Jahre 1901 lediglich 34 Frauen (Marie Curie erhielt die Auszeichnung in Physik und Chemie), diese Auszeichnung erhielten, das entspricht 4 Prozent der PreisträgerInnen. In den Kategorien Medizin, Physik und Chemie können nur WissenschaftlerInnen durch wissenschaftliche Einrichtungen ernannt werden, aufgrund der geringeren Aufstiegs-chancen von Frauen, liegt hier einer der Gründe für die geringe Anzahl der Nobelpreisträgerinnen. Allerdings wurde auch auf die doch einigermaßen bemerkenswerte Tatsache hingewiesen dass 3 der 4 Frauen, die einen Nobelpreis in Chemie oder Physik erhalten hatten, Mütter von 2 oder mehr Kindern waren.

Chemikerinnen

Im Vortrag über Chemikerinnen wurde dargestellt, dass Frauen bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. als Alchemistinnen in Alexandria an der Begründung der Chemie mitgewirkt haben und wie sie seit dem Mittelalter immer stärker aus diesem Bereich verdrängt wurden. Auch in der Chemie mussten sich Frauen zu Beginn des 20. Jahrhundert ihr Recht auf ein Universitätsstudium erkämpfen. Gegenwärtig ist die Chemie, insbesondere die Lebensmittelchemie, bei Frauen ein sehr beliebter Studiengang.

Im einem dritten Vortrag wurde über Wissenschaftlerinnen in Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft berichtet, welche 1948 als Max-Plank-Institut wiedergegründet wurde. Im Rahmen dieses Vortrages wurde nochmals auf die unterschiedlichen Barrieren, welche wissenschaftliche Karrieren von Frauen behinderten, hingewiesen. Frauen wurde lange Zeit durch Gesetze und Verordnungen, welche ein Frauenstudium verboten, von der Aufnahme eines Studium abgehalten, was Grundlage für eine weiter-gehende wissenschaftliche Karriere ist. Darüber hinaus gibt aber auch sogenannte „stille Verbote“, dazu zählt, dass Frauen einfach nicht auf ProfessorInnenstellen berufen wurden, was im Zusammenhang mit stereotypen Charakterzuschreibungen und Verhaltenkodexes, sowie durch Vorurteilen über die (Un)Fähigkeit von Frauen zu tun hat. Aber auch die mangelnde Solidarität unter den Wissenschaftlerinnen und eine geringe Offenheit für die Beteiligung von Frauen an der Wissenschaft trugen zur Verhinderung von Frauen bei.

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft hatte eine sehr patriachale Struktur, fünf Männer bestimmten wer ein Forschungsprojekt leiten sollte. Bis 1933 wurden im Vergleich zu den Universitäten verhältnismäßig viele Frauen als Projektleiterinnen eingestellt. Die Hochschulen begannen im vorauseilenden Gehorsam bereits früher, Frauen aus den Universitäten auszuschließen. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft tat dies erst als 1933 ein entsprechendes Gesetz erlassen wurde. In den zwölf Jahren des Nationalsozialismus wurden die wissenschaftliche Leistungen von Frauen verschwiegen und vergessen; dazu kam, dass in der Zeit des Nationalsozialismus Werten wie Mütterlichkeit als wahre Bestimmung der Frau wieder etabliert wurden waren. Beide Aspekte wirkte sich auf die beruflichen Ambitionen von Frauen aus, erst im Jahre 1968 kam durch die neue Frauenbewegung wieder neuer Wind in die alten Klischees. Zusammen mit der Bildungsexpansion wurde das Studium auch für Frauen wieder zu einer echten Option.

Medizinerinnen

Im Sommersemester 1906 wurden die ersten MedizinstudentInnen zugelassen und ab 1920 hatten auch Frauen das Recht zur Habilitation. Auch im Vortrag über Frauen in der Medizin wurde nochmal die NS-Zeit beleuchtet und gezeigt, warum Frauen in der NS-Zeit Medizin studieren konnten. Durch die Verknüpfung des Ärztinnen-Berufes mit typisch weiblichen Eigenschaften und dem Auftrag der Ärztinnen quasi erzieherisch die Patientinnen auf ihre Aufgaben als Frauen hinzuweisen, war die Arbeit von Frauen als Ärztinnen im Nationalsozialismus möglich und notwendig. Trotz der Tatsache, das der Frauenanteil beim Medizinstudium heute teilweise mehr als 60 Prozent beträgt, sind auch hier nach wie vor sehr wenige ProfessorInnenstellen durch Frauen besetzt. Als Gründe dafür werden ein geringeres Selbstbewusstsein von Frauen genannt, aber auch das Phänomen, dass sowohl Männer als auch Frauen dazu neigen, Männer zu über-schätzen und Frauen zu unterschätzen. Weiterhin scheint für Frauen die PatientInnenbetreuung wichtiger zu sein als für Männer, wodurch sie weniger Zeit in wissenschaftliche Forschungen investieren können. Ebenfalls wurde auf fehlende Netzwerke der Frauen hingewiesen, sowie Ausfallzeiten aufgrund von Schwangerschaften sowie die geringere Bereitschaft, öfter die Stadt oder sogar das Land zu wechseln.

Transdisziplinärer Studienschwerpunkt Gender Studies an der TU Dresden

Beim Transdisziplinären Studienschwerpunkt Gender Studies an der TU Dresden geht es vor allem darum, auf die Zusammenhänge zwischen Gender und Technik aufmerksam zu machen und diese Erkenntnisse in Forschung und Lehre zu integrieren.

Genderaspekte in der Forstwirtschaft

In der Forstwirtschaft werden Genderaspekte insbesondere bei Entwicklungsprojekten berücksichtigt. Hauptfrage ist dabei „WER tut WAS zu welchen BEDINGUNGEN? Es geht dabei darum, Frauen in ihrer Autonomie zu stärken und Verhältnisse, wo sie zu ungerechter Arbeitsverteilung und Entscheidungskompetenzen führen zu verändern.

Gleichstellungspolitische Arbeit im StuRa der TU Dresden

Im letzten Vortrag wurde über die Arbeit des Referates für politische Bildung des StuRa der TU Dresden informiert, dabei wurden auch die Unwilligkeit von Studierenden sich mit der Thematik zu beschäftigen benannt, aber auch die Tatsache, dass vor kurzem ein Referat für Gleichstellungspolitik eingerichtet wurden, fand positive Erwähnung.

Podiumsdiskussion

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema Universität und Geschlechtergerechtigkeit. Die Podiumsmitglieder wirkten bei der Frage teilweise ratlos, schoben die Verantwortung dafür, dass sich so wenig an der Beteiligung von Frauen in der Wissenschaft verändert hat, zwischen den Frauen („meine Mädels wollen gar keine höheren Positionen einnehmen“) und der Gleichstellungsbeauftragte („die hat vielleicht einfach zu wenig gemacht“) hin und her, ohne zu überlegen, wo eigentlich ihre eigenen Möglichkeiten wären, die Situation zu verändern. Auch Aussagen wie, es sei wichtig, dass Frauen in der Berufskommissionen sitzen, da es so einfacher zu begründen sei, dass ein Mann berufen wurde, empfand ich als sehr seltsame Argumentation. Allerdings gab auch Beiträge aus dem Podium und aus dem Publikum, die sich für eine stärkere Sensibilisierung der Universitätsmitglieder für strukturelle Diskriminierungen von Frauen aussprachen. Der Vorschlag Gender Budgeting einzuführen, wurde hitzig diskutiert. Die Anregung sich mit Arbeitsbedingungen auseinander, d.h. wenn Frauen nicht ständig den Arbeitsplatz wechseln wollen oder wenn sie nicht bereit sind ihr ganzes Leben der Karriere im Wissenschaftsbereich unterzuordnen, dann sollten man sich damit auseinandersetzen, ob denn Arbeit genau so strukturiert sein müsse, wurde nicht ernsthaft aufgegriffen.