Stellungnahme zum NaStipG

Zunächst ist festzustellen, dass eine auffällige zeitliche Nähe des Gesetzesentwurfs zur Schaffung eines Nationalen Stipendienprogramms zur 23. BAföG Novellierung besteht. Es entsteht der Verdacht, dass das breite Förderungsinstrument BAföG benutzt wird, um politisch Raum für verstärkte Elitenförderung zu schaffen. Dieses Vorgehen wird vom freien zusammenschluss von studentInnenschaften scharf kritisiert.

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften empfindet es als befremdlich, dass das Ministerium im Kommentar zum Gesetzesentwurf die Behauptung aufstellt, es gäbe keine Alternativen zum Stipendienprogramm. Dies ist nicht nachvollziehbar, da sehr wohl alternative Studienfinanzierungsmöglichkeiten bestehen, welche lediglich vom politischen Willen abhängen. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte deshalb durch die Gesellschaft für alle Studierwilligen finanziert werden.

Der fzs lehnt die Schaffung des nationalen Stipendienprogramms ab und spricht sich für eine Reform des BAföGs aus im Sinne einer Umgestaltung des BAföGs hin zu einer bedarfsdeckenden, eltern- und herkunftsunabhängigen als Vollzuschuss gestalteten Studienfinanzierung. Dass es einen klaren Zusammenhang zwischen BAföG und dem geplanten Stipendienprogramm gibt, lässt sich schon alleine damit begründen, dass die Mittel für beide Gesetzesentwürfe aus den „zusätzlichen“ 12 Milliarden für Bildung und Forschung entnommen werden.

Konkret bedeutet dies: Die geplanten 300 Millionen Euro direkter Zuwendungen an das Stipendienprogramm zur Förderung von maximal 8 % aller StudentInnen werden zu Lasten aller anderen StudentInnen gehen. Das Geld für die Stipendien könnte sinnvoller für eine Ausweitung des BAföGs und des Engagements des Bundes in der Lehre an Hochschulen ausgegeben werden. Darüber hinaus führt die private Finanzierung und die Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit dazu, dass dem Bund durch Steuerausfälle weitere Kosten entstehen, deren Höhe bisher nicht durch das Ministerium benannt wurde.

Der Gesetzentwurf weist diverse Probleme auf, die im Nachfolgenden genauer erläutert sind:

I. Der fzs weist darauf hin, dass ein Ausbau des Stipendiensystems einen Ausbau der sozialen Selektion darstellt. Zur Begründung:

1. Der Gesetzesentwurf sieht keinen Rechtsanspruch auf Stipendien vor, obwohl in der Begründung des Ministeriums zu lesen ist, dass Stipendien ein Anreiz für ein Studium seien. Dem Ministerium ist bekannt, dass 77 % der Menschen, die sich gegen ein Studium entschieden haben angeben, diese Entscheidung getroffen zu haben, weil die nötigen Voraussetzungen zur Finanzierung eines Studiums fehlen. Dieses Ergebnis lässt sich der Studie „Studienberechtigte 2008“ durchgeführt vom HIS im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entnehmen. Obwohl diese Problematik also bekannt ist, werden keine adäquaten Lösungen angeboten. Stattdessen wird ein für die StudentInnen unsicheres und schwer einschätzbares Instrumentder Studienfinanzierung geschaffen.

2. Stipendien fördern die Konkurrenz unter den StudentInnen. Dies führt dazu, dass der Leistungsdruck für StudentInnen, welcher durch die Verschulung der Studiengänge schon erhöht ist, nochmals stärker wird. Mittelbare Folge der verschärften Konkurrenzsituation ist derzeit schon eine Zunahme der Probleme der StudentInnen bis hin zu psychischen Erkrankungen. Der fzs würde stattdessen eine solidarische Gestaltung des Wissensbildungprozesses begrüßen, bei der StudentInnen die Möglichkeit haben miteinander zu lernen und individuelle Lernbedürfnisse berücksichtigt werden können.

3. Der Gesetzesentwurf sieht eine Berücksichtigung von sozialem Engagement vor. Diese auf den ersten Blick positive Komponente stellt aber keineswegs eine Verringerung der Selektivität dar. Ehrenämter sind zeitaufwendig und nur für diejenigen möglich, welche nicht darauf angewiesen sind, ihr Studium durch Arbeit zu finanzieren oder anderen Benachteiligungen unterliegen.

II. Der Gesetzentwurf stellt eine Einschränkung der Mobilität von StudentInnen dar. Nach dem Entwurf des Ministeriums werden diejenigen Menschen „belohnt“, welche ihr Studium durchgängig an einer Hochschule machen und nicht an eine andere wechseln. Begründet wird dies mit den regionalbezogenen Finanzmitteln der privaten Wirtschaft. Allerdings erscheint diese Argumentation noch nicht einmal in sich schlüssig, denn es stellt sich die Frage, warum die Unternehmen ein Problem mit einem anderen Standort haben sollten, vor allem wenn dieser Angebote bietet, die an einer anderen Hochschule nicht vorhanden sind. Diese Mobilitätsbarriere scheint eher eine Maßnahme zur Reduktion des Verwaltungsaufwandes auf Kosten der StudentInnen zu sein.

III. Der Gesetzesentwurf sieht eine Steigerung des Einflusses der privaten Wirtschaft vor. Die Ökonomie darf bei 2/3 der Mittel entscheiden, welche Fachrichtungen und Studiengänge gefördert werden. Dies hat zur Folge, dass lediglich Anreize für direkt zu Kapital verwertbare Studiengänge geschaffen werden. Außerdem wird so eine Einflussmöglichkeit auf Studieninhalte geschaffen. Diese Gefahr tritt insofern auf, als GeldgeberInnen durchaus in der Lage sind, ihre Gelder an Bedingungen zu knüpfen. Diese Problematik wird durch das Gesetz in keiner Weise behoben. Daneben ist fraglich, wieso die privaten GeldgeberInnen über die Nutzung von 2/3 der Mittel entscheiden dürfen, obwohl sie nur 50 % des Geldes aufbringen und zu erwarten ist, dass diese 50 % zu Steuerausfällen führen werden. Es erscheint unter demokratie- und staatstheoretischen Gesichtspunkten beachtlich, dass in der Tendenz nicht mehr der Souverän die Entscheidungen trifft, sondern diese Befugnis dem Kapital überträgt. Darüber hinaus wird hier auch die Idee einer Hochschule zerstört. Hochschulen, die unabhängig von privaten GeldgeberInnen sind, können auch neue Ideen, d. h. Beispielsweise neue Disziplinen und Forschungsgegenstände entwickeln. Dies wirkt sich durchaus auch positiv auf die private Wirtschaft aus, wie das Beispiel der Soziologie zeigt. Soziologie war zunächst eine Disziplin für die es keine Arbeitsplätze gab – heute ist dieser Arbeitsbereich durchaus vorhanden. Es gibt in der BRD verschiedene Formen der Ausbildung: Die betriebliche Ausbildung welche vornehmlich durch die ArbeitgeberInnen gestaltet wird und die akademische Ausbildung. Die betriebliche Ausbildung stellt eine Befähigung zu einem bestimmten Arbeitsbereich dar, wohingegen die akademische Ausbildung eher auf den Erwerb von Kompetenzen ausgerichtet ist und für verschiedene Berufe qualifiziert.

IV. Der Gesetzesentwurf sieht zur Zeit keine Möglichkeit von Mini- Stipendien vor, da die Mindestförderungssumme auf 300 € festgelegt ist. Allerdings ist diese Tatsache kein Schutz davor, dass es nach einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs in einigen Jahren zu einer Änderung des entsprechenden Paragraphen kommt und die Mindestsumme gesenkt wird. Eine solche Änderung ist, in Anbetracht der Tatsache, dass die derzeitige Bundesregierung sich sehr klar zu einer geförderten Anzahl von 8 % bekennt, als äußerst realistisch anzusehen. Wird also die Förderquote unter den derzeitigen Vorgaben nicht erreicht, wird durch eine Novellierung des Gesetzes eine „Zielerreichung“ wahrscheinlicher. Diese Entwicklung muss unbedingt verhindert werden, da schon die Gewährung von 300 € keine Lebensgrundlage darstellt und dieses Problem noch vergrößert wird, wenn die Summe beispielsweise auf 75 € gesenkt wird.

V. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf bezieht sich die Möglichkeit des Stipendiums nicht nur auf Bachelor und konsekutive Studiengänge, sondern auch auf „Weiterbildungsmaster“. Mit dieser Grundlage ist zu erwarten, dass in der Zukunft die Mehrheit der Stipendien wohl für Weiterbildungsmaster aufgewendet werden, weil hier eine direktere Verwertbarkeit der Studieninhalte auf dem Arbeitsmarkt gewährleistet wird.

VI. Der Entwurf sieht in Paragraph 12 die Möglichkeit zur Schaffung eines Beirates vor. Hier ist zu empfehlen, die „Kann-Lösung“ durch eine „Muss- Lösung“ zu ersetzen. Außerdem besteht die Dringlichkeit, ebenfalls die Zusammensetzung des Beirats zu regeln. Vermeintliche Vorteile für StudentInnen zu schaffen ohne diese direkt zu beteiligen ist nicht sinnvoll. Die Schaffung keines Beirates bzw. eines Beirates ohne Beteiligung von StudentInnen liefert den Beweis dafür, dass dieses Gesetz eigentlich nicht an den Interessen der StudentInnen ausgerichtet ist, sondern an Interessen der GeldgeberInnen. Da unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten zu erwarten ist, dass der Gesetzentwurf zu einem gültigen Gesetz wird, muss die Beteiligung der StudentInnen gewährleistet sein. Empfehlenswert ist sogar eine Mehrheit der StudentInnen im Beirat, da dieses Gesetz StudentInnen fördern soll und so ggf. negative Auswirkungen zumindest gemildert werden könnten.

VII. In der derzeitigen Fassung wird lediglich die grammatikalische Form „Bewerber“ benutzt. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften spricht sich dafür aus, dass auch Frauen durch das Gesetz berücksichtigt werden und schlägt vor „Bewerber“ durch „BewerberInnen“ zu ersetzen.

VIII. Internationale Studierende, vor allem als Free Mover, stehen immer wieder vor der Situation, dass sie trotz guter Studienleistungen an der Finanzierung ihre Studiums scheitern. Mehrere Wege zur Finanzierung werden durch rigide Anwendung des Aufenthaltsrechts beschnitten, insbesondere in der Frage, ob der Lebensunterhalt gesichert ist im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1. Der fzs fordert den Gesetzgeber auf, bei der abschließenden Ausgestaltung darauf zu achten, dass der Bezug eines Stipendiums nicht der Verlängerung eines Aufenthaltstitels im Wege steht.

Fazit: Die Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms ist aus sozialpolitischen und ordnungspolitischen Gründen abzulehnen. Allerdings dürfte diese Forderung derzeit auf wenig Resonanz stoßen. Aus diesem Grund ist es wichtig die Kritikpunkte ernst zunehmen und die StudentInnen direkt einzubinden. Trotzdem sollte allen Beteiligten bewusst sein, dass durch die Schaffung dieses Gesetzes Ziele diverser Bundesregierungen, wie die Öffnung der Hochschulen für bildungsferne Gesellschaftsschichten, weiterhin nicht erreichbar sind. Die Schaffung und Finanzierung des Stipendienprogramms geht zu Lasten der Mehrheit aller StudentInnen, die schon durch die gegebenen Möglichkeiten der Studienfinanzierung nicht ausreichend gefördert wird. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften empfiehlt zum Wohle der Gesamtheit der StudentInnen in der BRD, dringlichst von diesem Gesetzesvorhaben abzulassen.