Stellungnahme zu den von der Kultusministerkonferenz am 12.06.03 beschlossenen „10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland“

Mit dem Beschluss der „10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland“ eröffnet die KMK jedoch ebenfalls keine Perspektive für eine zeitgemäße Weiterentwicklung und Internationalisierung des Hochschulsystems in Deutschland. Offensichtlich hat die KMK unter dem Spardiktat der FinanzministerInnen jede Bereitschaft zur bildungspolitischen Gestaltung aufgegeben.

Der fzs fordert die KMK auf, die verabschiedeten 10 Thesen ad acta zu legen. Stattdessen müssen die KultusministerInnen bei einem im Oktober zu erwartenden Beschluss über neue Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge die Voraussetzungen schaffen, um die Bildungsbeteiligung zu erhöhen, den Weiterbildungsbereich aktiv zu gestalten, tatschlich Interdisziplinarität zu fördern und eine inhaltliche Studienreformdebatte voranzubringen. Bildungsbeteiligung erhöhen statt neuer Bildungshürden

Die wachsende Bedeutung von wissenschaftlicher Qualifikation in einer komplexer werdenden Gesellschaft muss konsequenterweise erhöhte Investitionen in den Bereichen Bildung und Wissenschaft nach sich ziehen. Stattdessen treibt die KMK unter dem Deckmantel der Internationalisierung einen einschneidenden Bildungsabbau voran, indem eine Beschränkung der Hochschulausbildung auf drei Jahre zur Regel werden soll. Dies würde es den Menschen zunehmend unmöglich machen, durch den Zugang zu Bildung und Forschung ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und im Interesse der Gesellschaft notwendige Innovationen umzusetzen. Zeitgemäß wäre deshalb statt einer Einschränkung der Bildungsbeteiligung der Ausbau des Hochschulsystems. Entsprechende Prioritäten müssen endlich auch finanziell von Bund und Ländern gesetzt werden.

Absichtserklrungen reichen nicht aus! Schon heute hat Deutschland ein ausgeprägt selektives Bildungssystem – statt zusätzlicher Möglichkeiten individueller Studienwege will die KMK zusätzliche Barrieren in der Hochschulbildung schaffen. Durch die ‚Leistungsselektion‘ nach dem Bachelor soll der Druck auf die Studierenden erhöht werden, sich auf die ‚Pflichtanforderungen‘ ihres Studiums zu konzentrieren. Somit soll auch die weitere Einschränkung des Lehrangebotes legitimiert werden. Der notwendige Blick über den eigenen Tellerrand sowie ungewöhnliche und kreative Studienwege werden infolgedessen schon innerhalb eines Bachelorstudienganges zurückgedrängt. Auch bedeutet diese Selektion nach ‚Leistung‘ wegen des erwiesenen Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen eine weitere Hürde sozialer Selektion (vgl. Sozialstruktur der Studierenden; PISA-Studie).

Wir betonen dagegen Durchlässigkeit und Sozialverträglichkeit als notwendige Maßstäbe einer qualitativen Studienreform, die individuelle und kollektive Zukunftschancen schafft. Weiterbildungsbereich aktiv gestalten statt ‚Master zweiter Klasse‘ Nach den Thesen der KMK sollen nicht-konsekutive Masterstudiengänge in den unregulierten Weiterbildungsbereich verdrängt werden. Die Titelvergabe würde so der Beliebigkeit anheim gestellt, die Berechtigungen gegenüber den Abschlüssen ’normaler‘ Masterstudiengänge eingeschränkt werden. So würden de facto Master zweiter Klasse geschaffen, deren wissenschaftliche Qualität voraussichtlich sehr unterschiedlich und deren Durchlässigkeit zum geregelten Hochschulbildungssystem stark eingeschränkt wäre.

Darüber hinaus halten wir es für unverantwortlich, diese Klassifizierung den hierfür politisch nicht legitimierten Akkreditierungsagenturen zu überlassen. In diesem Bereich muss endlich ein Weiterbildungsgesetz den notwendigen Rahmen definieren. Die derzeitigen Kürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik machen eine mögliche Nutzung in der Regel kostenpflichtiger Weiterbildungsangebote durch breite gesellschaftliche Schichten in absehbarer Zeit zudem unrealistisch. Der im vorliegenden Entwurf für neue Strukturvorgaben für Bachelor-/Masterstudiengnge vorgesehene Wegfall von Gebührenfreiheit und Ausbildungsförderung nach BAföG für nicht-konsekutive Masterstudiengänge würde die soziale Selektion weiter verschärfen.

Stattdessen ist eine intensive Debatte um eine sozial und finanziell abgesicherte Gestaltung lebenslangen Lernens von Nöten, die auf die individuelle Lebenssituation Rücksicht nimmt. Interdisziplinarität statt Kanonisierung Zu den politischen Absichtserklärungen zur Einführung des Bachelor-/ Masterstudiensystems gehörte die Ermöglichung neuer interdisziplinärer Studienwege, die individuelle Bildungswege möglich machen sollten. Die Trennung konsekutiver und nichtkonsekutiver Masterstudiengänge birgt die Gefahr, eben diese Studienwege aus dem konsekutiven Studiensystem auszuschließen, wie es im vorliegenden Entwurf des Hochschulausschusses für neue „Strukturvorgaben für Bachelor-/ Masterstudiengänge“ vorgesehen ist. Für die Mehrheit der Studierenden würde die sogenannte ‚Reform‘ somit eine deutliche Einschränkung interdisziplinärer Studienmöglichkeiten bedeuten. Dieses wird noch dadurch verschärft, dass im Zuge der Umstellung auf Bachelor-/ Masterstudiengänge vielerorts interdisziplinäre Studienanteile mit Hinweis auf den möglichen Fachwechsel nach dem Bachelor abgeschafft oder zumindest stark eingeschränkt wurden. Quasi ganz nebenbei können die Fachdisziplinen so auch den häufig von den Fächern ungeliebten, von den Studierenden aber geschätzten Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten ein unrühmliches Ende bereiten.

Inhaltliche Debatte statt Studien’reform‘ mit der Brechstange
Weniger als fünf Prozent der Studierenden haben sich bisher für das Bachelor-/ Masterstudiensystem entschieden. Statt inhaltlich zu überzeugen, soll die ‚Reform‘ nun offensichtlich mit der Brechstange durchgesetzt werden. Dies lehnt der freie zusammenschluss von studentInnenschaften ab. Stattdessen ist die Umgestaltung der Hochschulbildung so zu gestalten, dass sie tatsächlich neue Bildungsmöglichkeiten schafft – dann wird auch eine administrative Verordnung gegen den Widerstand der Betroffenen überflüssig. Diesem Anspruch muss sich die KMK in ihrer Sitzung im Oktober stellen.