Queer Theory

Die sogenannte(n) Queer Theorie(n) ist/sind radikale(re) Varianten des Dekonstruktivismus, die sich nicht nur mit der sozialen Kategorie Gender, sondern auch mit dem biologischen Geschlecht und der sexuellen Orientierung auseinandersetzen und diese zu dekonstruieren/aufzulösen versuchen. Die queer theory basiert dabei inhaltlich wesentlich auf feministischen Ansätzen der 60er Jahre, der politischen Lesben- und Schwulenbewegung der 70er und den philosophischen Ansätzen Michel Foucaults und Jacques Derridas.

Historisch einflussreich für die Entwicklung von Queer als Begriffskategorie war der schwule Sexualforscher Magnus Hirschfeld, der um die Wende zum 20. Jahrhundert versuchte, die biologische Dichotomie der Geschlechter zu widerlegen.

Zudem wird im anthropologischen Ansatz von Margaret Mead bereits in den 1930er Jahren die Veränderbarkeit und Vielfalt von Geschlechterrollen diskutiert. Michel Foucault schließlich schrieb in seinem Werk Die Geschichte der Sexualität, dass das zweigeschlechtliche Denken, Aufaasungen über Homosexualität und Sexualität an sich nicht auf natürlichen Gegebenheiten beruhen sondern vielmehr aufgrund sozialer und historischer (Macht) Gegebenheiten entstehen.

Grundannahme der queer theory ist somit, dass alles, was mit Geschlechterrollen (bis zu einem gewissen Punkt einschließlich des biologischen Geschlechts) zu tun hat, nicht natürlich gegeben, sondern sozialisiert und kulturell anerzogen ist. Kritisch positioniert sich die Queer theory daher gegenüber klassischen differenztheoretischen, marxistischen oder liberalen Feminismustheorien, die nach Ansicht der Queer TheoretikerInnen auf einer heterosexuellen Grundannahme (straight mind) basierend das Geschlechterverhältnis darzustellen versuchen und somit die gesellschaftlich konstruierte Zweigeschlechtlichkeit nicht aufheben sondern vielmehr verfestigen.

Als Gegenstrategie wird vorgeschlagen, die Geschlechtergrenzen, die als konstruiert angenommen werden (Stichwort Heteronormativität) zu verwischen, mit dem Ziel sie letztendlich aufzuheben. Judith Butler, die einen großen Einfluss auf die queer theory hatte und hat, plädiert in diesem Zusammenhang für eine pragmatische Nutzung von Identitätskategorien, die gleichzeitig destabilisiert werden sollen. In diesem Zusammenhang spielen die Performanz beziehungsweise Inszenierung von Geschlecht, Travestie und Parodie als politische Strategien eine gewichtige Rolle.

Gegen die Ansätze, die der queer theory zugeordnet werden, wird oft der Einspruch geäußert, dass sie theoretisch abgehoben seien, die genetische Grundlagen der Geschlechter ignorieren und zur Beliebigkeit neigen, da differenztheoretische Konzepte abgelehnt werden und sich häufig auch eine deutlich ablehnende Haltung gegenüber klassischen Instrumenten der sogenannten Gleichstellungspolitik ergibt (z.B. Quoten).

Weitere Literatur

Butler, J. (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Butler, J. (1995): Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt/Main: Suhrkamp . Butler, J. (2001): Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Heidel, U., Micheler, S. & Tuider, E. (2001): Jenseits der Geschlechtergrenzen. Sexualitäten, Identitäten und Körper in Perspektiven von Queer Studies. Hamburg: MännerschwarmSkript Verlag. Jagose, A. (2001): Queer theory. Eine Einführung: Berlin: Querverlag. Möbius, S. (2001): Gegen den Strom. Queer und die Dekonstruktion von Gender Mainstreaming. In: Forum Wissenschaft 2/2001. polymorph (Hg.) (2002): (K)ein Geschlecht oder viele? Transgender in politischer Perspektive. Berlin: Querverlag. Quaestio (Hg.), Beger, N.J., Hark, S., Engel, A., Genschel, C., Schäfer, E. (2000): Queering Demokratie. sexuelle politiken. Berlin: Querverlag Schmerl, C., Soine, S., Stein-Hilbers, M., Wrede, B. (2000): Sexuelle Szenen. Inszenierungen von Geschlecht und Sexualität in modernen Gesellschaften. Opladen: Leske und Budrich. Schröter, S. (2002): FeMale. Über Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern. Frankfurt/Main: Fischer. Villa, Paula-Irene (2003): Judith Butler. Frankfurt/Main : Campus.