Proteste in Griechenland verschärfen sich

Nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in Griechenland finden seit Wochen massive Proteste an Hochschulen statt. Auf Grundlage der Zusammenstellung eines griechischen Kollegen aus Brüssel möchten wir Euch im folgenden einen kurzen Überblick über die Hintergründe der Proteste geben.

Aktuell sind 392 Fakultäten in ganze Griechenland besetzt – das entspricht etwa 90 % aller bestehenden Fakultäten. Betroffen sind 234 universitäre und 158 technische Hochschulen. Die Proteste wurden überall per Volllversammlung beschlossen, an denen jeweils zwischen 1000 und 3000 StudentInnen teilgenommen haben.

In der vergangenen Woche fanden zwei Großdemonstrationen statt: In Athen demonstrierten 15.000-17.000, in Thessaloniki 15.000-20.000 Menschen. Die Proteste werden von heftigen Polizeieinsätzen begleitet; gewaltsames Vorgehen und der massive Einsatz von Tränengas sind Standard. Allein 40 Menschen erlitten dadurch vergangene Woche schwere Verletzungen.

Hintergrund der Proteste ist ein sog. Rahmengesetz für Hochschulen, das durch eine „ExpertInnenkommission“ vorbereitet wurde und im Juli beschlossen werden soll. Das Gesetz soll zur Modernisierung des griechischen Hochschulsystems beitragen und Anfang September dieses Jahres in Kraft treten.

Bestandteile dieses Gesetzes sind u.a. folgendes:

  • Büchergeld. Während Bildung bis zur Hochschule qua Verfassung kostenfrei und öffentlich ist, soll künftig Büchergeld erhoben werden. Dies soll die Möglichkeit, zwischen mehreren Lehrbüchern wählen zu können, verbessern und zu qualitativen Verbesserungen der Lehrbücher führen.
  • „Akademisches Asyl“. Das „akademische Asyl“ in Griechenland ermöglicht die Meinungsfreiheit und den freie Ideenaustausch in allen akademischen
  • Einrichtungen. Nicht zuletzt verbietet es, dass die Polizei Zugang zu akademischen Einrichtungen hat – es sei denn, dass es einen entsprechenden einstimmigen Beschluss gibt, den ein Kollegialorgan fällen muss. Dies soll nun durch die Einrichtung eines Präsidialorgans ersetzt werden, welches mit 2/3-Mehrheit entscheiden kann, ob das „akadmische Asyl“ aufgehoben wird. Die Studierenden befürchten dadurch einen deutlichen Verlust hochschulinterne Demokratie und einen verstärkten politischen Einfluss von außen.

  • Umgang mit „Langzeitstudierenden“. Derzeit können StudentInnen an griechischen Hochschulen solange an ihrer Hochschule bleiben, bis sie ihr Studium abgeschlossen haben. Zwar ist die Studienfinanzierung (ähnlich wie in der BRD) elternabhängig gestaltet; ein Großteil der Eltern können jedoch ihre Kinder nicht in ausreichendem Maß
  • unterstützen. Demnach müssen 60% aller Studierenden neben ihrem Studium arbeiten, um ihren Lebensunterhalten zu verdienen, was sich natürlich negativ auf die Studienzeit auswirkt. Der Gesetzentwurf betrachtet diese Studierende als „Nichtnutze“ und sieht vor, dass maximal 2-3 Jahre über die Regelstudienzeit hinaus studiert werden soll; wer bis dahin nicht abgeschlossen hat, soll exmatrikuliert werden. Studierenden, die nicht genügend Geld zur Vefügung haben, soll in Form von „Zwangsarbeit“ an der Hochschule im Umfang von 40 Arbeitsstunden monatlich ein Stidendium gewährt werden. Die StudentInnen lehnen die Maßnahmen gegen „Langzeitstudierende“ ab und verweisen darauf, dass diese StudentInnen den Staat nichts kosten. Die Stipdenien für einkommensschwache StudentInnen werden begrüßt, allerdings wird die „Zwangsarbeit“ eindeutig abgelehnt. Insgesamt wird befürchtet, dass sich durch die Maßnahmen die soziale Selektion im Bildungsbereich verschlimmern wird.

  • Hochschulfinanzierung. Die Finanzierung griechischer Hochschulen soll komplett umgebaut werden. Künftig sollen Hochschulverträge zwischen Staat und Hochschule für eine Dauer von vier Jahren abgeschlossen werden; darüber hinaus müssen die Hochschulen den Anteil privater Einnahmen steigern und verstärkt Drittmittel einwerben und Sponsoren anlocken.
  • „FakultätsmanagerInnen“. Die Hochschulen sollen, zur Überwindung einer angeblich chaotischen hochschulischen Bürokratie, eine Art
  • „FakultätsmanagerIn“ einsetzen, der/die unternehmensähnliche Strukturen aufbauen soll. Die Studierenden lehnen dies entschieden ab.

Neben diesen Punkten werden in den einzelnen Vollversammlungen weitere Forderungen diskutiert, die sich nicht direkt auf das Gesetz beziehen:

  • Gegen Hochschulevaluation und Rankings, die vor allem zu mehr Wettbewerb zwischen Hochschulen führen sollen
  • Gegen die Änderung der Verfassung (Art. 16), die die Möglichkeit zur Einrichtung privater Hochschulen (bzw. nicht-öffentlicher Hochschulen, weil die Regierung nicht von privaten reden will).
  • Gegen die Einrichtung von „Instituten für lebenslanges Lernen“, da hierdurch verstärkter Druck auf ArbeitnehmerInnen befürchtet wird.