Newsletter Nr. 17/2007

1. Koalition einigt sich auf BAföG-Erhöhung um 10% – fzs sieht sich bestätigt

Am 6. November verkündete der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, den Durchbruch der Koalitionsverhandlungen zur BAföG-Erhöhung. Mit der Einigung der Koalitionsfraktionen, die Bedarfssätze und Freibeträge beim BAföG um 10% bzw. 8% zu heben, endete ein monatelanger Streit um eine Verbesserung der Studienfinanzierung. Ab Oktober 2008 sollen darüber hinaus Studierende mit Kindern entlastet werden; die bisher vorgesehenen Verschlechterungen für Studierende im Ausland wurden zurückgenommen.

Der fzs reagierte mit Freude auf die Ankündigung. Martin Menacher, Vorstandsmitglied des fzs, stellte mit der Erhöhung auch einen Erfolg für den studentischen Dachverband fest: „Die Studierenden haben gegen starken Widerstand lange und hart für eine Erhöhung und Ausweitung des BAföG gekämpft.“ Zugleich machte der fzs jedoch deutlich, dass die nun erreichte Erhöhung allenfalls das „Minimum einer sofortigen Anpassung“ sei. Es bedürfe prinzipiell einer gesetzlichen Regelung für eine dauerhafte jährliche Anpassung der Ausbildungsförderung. Auch das Deutsche Studentenwerk und weitere studentische Organisationen begrüßten die Einigung und machten zugleich auf den grundlegenden Reformbedarf beim BAföG aufmerksam.

Der Einigung der Koalition war ein monatelanger Streit vorausgegangen, bei dem sich die SPD-Fraktion im Bundestag durchsetzen konnte. Während Bundesbildungsministerin Schavan zu Beginn ihrer Amtszeit noch eine Abschaffung des BAföG propagierte, näherte sie sich Schritt für Schritt den Forderungen von Studierenden und Verbänden an, das BAföG zu erhöhen. Zuletzt wollte sie eine Erhöhung um lediglich 5%, bis sie dann letztlich auf den Kurs von SPD einschwenkte. Die 22. BAföG-Novelle soll am 16. November durch den Bundestag beschlossen werden.

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2. Anhörung zur Abschaffung des Hochschulrahmengesetz – fzs fordert bundeseinheitliche Regelungen

Vor mehreren Monaten kündigte Bundesbildungsministerin Schavan die ersatzlose Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) an und ließ das Kabinett im Mai dieses Jahres den entsprechenden Gesetzentwurf beschließen. Damit sollten künftig auch die Bereiche der Hochschulzulassung und -abschlüsse nicht bundeseinheitlich, sondern nach Gutdünken der Länder ausgestaltet werden. Der darauf folgende Protest von Studierendenverbänden, bildungspolitischen Organisationen und auch vielen PolitikerInnen machte jedoch einmal mehr einen Strich durch die Rechnung der Bildungsministerin: Koalitions- und Oppositionsfraktionen im Bundestag setzten eine Anhörung durch, bei der am Montag Vor- und Nachteile einer Abschaffung des HRG erörtert wurden. Das Ergebnis der Anhörung ist eindeutig – und rückt eine ersatzlose Abschaffung in weite Ferne.

Der fzs, der als Bundesverband die Studierenden bei der Anhörung im Bundestag vertrat, machte in seiner Stellungnahme die fatalen Auswirkungen einer ersatzlosen Abschaffung des HRG deutlich. Für den studentischen Verband muss der Bund seiner Regelungskompetenz, soweit er sie nach der Föderalismusreform im Bildungsbereich noch hat, nachkommen. „Es darf nicht sein, dass der Bund den Ländern die kompletten Kompetenzen im Bildungsbereich überlässt und somit die Regelungen im Hochschulbereich noch unterschiedlicher zwischen den einzelnen Bundesländern werden“, erklärte fzs-Vorstandsmitglied Regina Weber, die den fzs im Bundestag vertrat. Der fzs fordert ein Bundeshochschulgesetz, in dem zumindest bundeseinheitliche Regelungen für Zulassung und Abschlüsse enthalten sind.

Die Anhörung machte einmal mehr deutlich, dass die Föderalismusreform gerade im Bildungsbereich bei fast allen Akteuren auf Widerstand stößt. Neben GEW und DGB stellten insbesondere die Fraktionen von Grünen und Linkspartei der Position der Bundesregierung. Er erklärte Nele Hirsch von der Linkspartei: „Wer für eine soziale und demokratische Entwicklung der Hochschulen streitet, muss der geplanten Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes aufs Schärfste widersprechen.“ Die SPD-Fraktion, die vor ihrer endgültigen Festlegung die Ergebnisse der Anhörung abwarten wollte, machte anschließend in einer Pressemitteilung deutlich: „Die Anhörung zum Gesetzentwurf zur Aufhebung des HRG hat klar ergeben, dass im Falle eines Wegfalls des HRG weiterhin bundesgesetzliche Regelungen im Bereich Zulassung und Abschlüsse notwendig sind.“ Die Fraktion werde einer Abschaffung des HRG ohne adäquaten Ersatz nicht zustimmen. Damit ist davon auszugehen, dass die Koalition den Wünschen von Bundesbildungsministerin Schavan nicht folgen wird.

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3. Protest gegen Hochschulreformen in Frankreich – Universitäten besetzt

Mit der Wahl von Nicolas Sarkozy zum französischen Präsidenten hat in Frankreich eine Reformwelle eingesetzt, die mittlerweile auch die Hochschulen erreicht hat. Mit einer groß angelegten Hochschulreform beabsichtigt die Regierung Sarkozy eine Stärkung der Hochschulautonomie zu Lasten der hochschulinternen Demokratie und damit verbunden eine Annäherung der Hochschulen an die Unternehmenswelt. Die sogenannte „loi sur l’autonomie des universités“, also das Hochschulautonomiegesetz, wurde bereits während der Semesterferien im Sommer 2007 sang- und klanglos verabschiedet.

Für den Präsidenten des größten französischen Studierendenverbandes UNEF, Bruno Julliard, ist gerade dieses Vorgehen ein Beleg für die mangelnde Popularität der Hochschulreform. Ein vernünftiges Gesetz, so Julliard in einem Beitrag in der wichtigen Tageszeitung „La Libération“, hätte man nicht kurzfristig im Sommer verabschieden müssen. Die Studierendenvertretung kritisiert insbesondere den Wegfall von Mitbestimmungsmöglichkeiten an den Hochschulen. Darüber hinaus werden laut Julliard die zentralen Probleme des französischen Bildungssystems, eine chronische Unterfinanzierung der Hochschulen und eine sich zusehends verschlechternde soziale Situation der Studierenden. Die Reform in Frankreich scheint erinnert damit deutlich an die hochschulpolitischen Diskussionen in der Bundesrepublik.

Seit der „rentrée“, also dem Beginn des akademischen Jahres, rollen die Proteste von Studierenden an den Hochschulen an. An mehr als 50 Universitäten haben bereits Vollversammlungen stattgefunden, an mehreren Dutzend finden derzeit Blockaden und Streiks statt. Die Antwort der Regierung bestand bislang in der Räumung von Blockaden durch Polizeikräfte.

Verständnis für ihre Position finden die Studierenden nicht bei ihrer Regierung, wohl aber etwa in der ProfessorInnenschaft und bei Gewerkschaften, deren Mitglieder ebenfalls gegen die von Sarkozy geplanten Reformen mobil machen. Die französische Bildungsministerin Valerie Pécresse reagierte recht ungerüht: „Jede Blockade behindert den Studienerfolg.“

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4. Studiengebühren an hessischen Unis ausgesetzt – Erfolg für Studierende

Nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichtes Gießen Anfang November hat das Präsidium der Universität Gießen die Erhebung von Studiengebühren ausgesetzt. Das Gericht hatte Studiengebühren als mit der hessischen Verfassung unvereinbar bezeichnet. Insgesamt sind von dem ersten Gerichtsbeschluss bis zu 2000 Studierende betroffen: Einerseits hatten mehrere hundert Studierende gegen den Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt; andererseits hatten zum Zeitpunkt des Urteils bis zu 1400 Studierende noch keinen Gebührenbescheid erhalten.

In einem zweiten Urteil vom 14. November forderte das Verwaltungsgericht Gießen auch die Universität Marburg auf, Studiengebühren an eine Studentin zurück zu zahlen, die Widerspruch gegen ihren Gebührenbescheid eingelegt hatte. Die Universität muss nun allen Studierenden, die dem Bescheid widersprochen hatten, die Gebühren erstatten. Der fzs forderte die Universitätsleitung auf, alle Studierenden gleich zu behandeln und die Erstattung an alle Studierenden zu beschließen. An die Adresse der Landesregierung erklärte fzs-Vorstandsmitglied Regina Weber nach den Gießener Urteilen: „Die Gebühren sind rechtlich nicht haltbar. Das Studiengebührengesetz muss weg!“ Der AStA der Universität Gießen forderte den Rücktritt von Wissenschaftsminister Corts.

Anfang 2008 wird der Hessische Staatsgerichtshof die Verfassungsklagen von Studierendenschaften und Opposition behandelt. BeobachterInnen gehen davon aus, dass das Gericht das hessische Gebührengesetz als mit der hessischen Verfassung unvereinbar und daher für nichtig erklären wird.

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5. Atomwirtschaft finanziert Professur für Endlagerforschung

An der TU Clausthal ist eine neue Stiftungsprofessur für den Masterstudiengang „Management radioaktiver und umweltgefährdender Abfälle“ eingerichtet worden. Forschungsziel dieser Professur soll ein Beitrag zur Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle sein. Pikant: Diese Professur wird, zunächst für 7 Jahre, als Stiftungsprofessur von der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) finanziert, die u.a. für die Abwicklung von Castor-Transporten verantwortlich ist und zu 100% der Atomwirtschaft gehört. Größter Anteilseigner ist E.ON Kernkraft mit einer Beteiligung von 48%, weitere Eigner sind RWE, die Südwestdeutsche Nuklear-Entsorgungs-Gesellschaft und Vattenfall Europe. Damit ist zu befürchten, dass die Professur nicht etwa der freien Forschung dient sondern Wünsche der Atomwirtschaft befrieden soll.

Für die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, die sich seit vielen Jahren dagegen wehrt, dass der bislang nicht hinreichend erforschte Standort Gorleben als Endlager für Atommüll genutzt wird, ist die Besetzung des Lehrstuhls eine klare Ansage der Atomwirtschaft. Der BI-Sprecher Francis Althoff erklärte in der „taz“, es sei „offensichtlich und unerträglich, dass die Privatwirtschaft über ein als Forschung getarntes Hintertürchen Gorleben als Endlager dingfest machen will“. Zudem sei zu befürchten, dass der Lehrstuhl ein Unter-Tage-Labor einrichten wolle, was ein weiterer Schritt hin zum Endlager Gorleben sei.

Gegen die Besetzung protestieren nicht nur Umweltinitiativen, sondern auch die Grünen-Abgeordneten Hans-Jürgen Klein und Gabriele Heinen-Kljajic im niedersächsischen Landtag. In einer kleinen Anfrage (vgl. Drucksache 15/4205) werfen sie unter anderem die Frage auf, wie die Landesregierung verhindern will, „dass das Eigeninteresse der Atomstromkonzerne die Inhalte in Lehre und Forschung, auch im Hinblick auf das Forschungsziel, der von ihnen gestifteten Professur beeinflusst.“ Die Antwort der Landesregierung steht aus.

Der Streit um die Besetzung macht erneut deutlich, wie umstritten ein privatwirtschaftliches Engagement in Forschung und Lehre ist. Der fzs warnt bereits seit Jahren vor einem unkontrollierten Eintritt der Privatwirtschaft in die Hochschulfinanzierung und fordert transparente und klare Regeln. In einem Thesenpapier des fzs heißt es dazu: „Genau wie für andere Forschungsvorhaben und -ergebnisse muss auch für Drittmittelforschung gelten, dass ihre möglichen Folgen und Risiken für Umwelt und Gesellschaft kritisch bewertet werden und dass die Entscheidung über die Durchführung des Vorhabens dieser Bewertung entspricht.“

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6. Petitionsausschuss im Bundestag: Keine Anrechnung von BAföG auf ALG II

Der Petitionsausschuss des Bundestages hat sich dafür ausgesprochen, dass das BAföG künftig nicht mehr auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden solle, sofern Ausbildungsgebühren gezahlt werden müssen. Hintergrund ist eine Petition einer Bedarfsgemeinschaft von Eltern und einer studierenden Tochter, die nach Aufnahme einer kostenpflichtigen Ausbildung an einer Berufsfachschule BAföG erhält. Die BAföG-Leistungen werden nun zu 80% auf das ALG II, das die Eltern beziehen, angerechnet.

Der Petitionsausschuss hat darauf hingewiesen, dass die bestehenden Regeln, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) skizzierte, von einem umfassenden öffentlichen und gebührenfreien Angebot von Ausbildungsstätten ausgingen – daran jedoch hat der Ausschuss „starke Zweifel“ und weist darauf hin, dass angesichts der Entwicklungen in den Bundesländern nicht mehr von gebührenfreier Ausbildung auch an Hochschulen ausgegangen werden könnte. Demnach könnte auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass BAföG-Mittel nur noch für Lebenshaltungskosten, sondern auch für die Kosten der Ausbildung eingesetzt würden. Deshalb fordert der Petitionsausschuss eine Erhöhung des Pauschbetrages von 100% (statt bislang 20%) der BAföG-Gelder, soweit Auszubildende oder Studierende Gebühren mindestens in der Höhe der zugesicherten BAföG-Förderung zahlen müssen. Das BMAS wird sich nun mit dieser Frage befassen.

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7. Sozial engagierte Studierende gesucht – DSW schreibt erneut Wettbewerb aus

Zum dritten Mal hat das Deutsche Studentenwerk (DSW) den Wettbewerb „Studierende für Studierende“ ausgeschrieben. Dieser Studentenwerkspreis für besonderes soziales Engagement richtet sich an sozial engagierte Studierende, die sich besonders und unentgeltlich für ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen einsetzen ist mit insgesamt 12.500 Euro dotiert.

DSW-Präsident Rolf Dobischat hob bei der Vorstellung des Wettbewerbs die Bedeutung studentischen Engagements hervor: „Ohne das soziale Engagement von Studierenden für Studierende ist die akademische Kultur in Deutschland nicht denkbar. Wir wollen mit dem Wettbewerb ein Zeichen setzen: Dieses Engagement wird belohnt.“ Insbesondere vor dem Hintergrund einer sich verdichtenden Studienlandschaft mit der Einführung von Bachelor-Studiengängen sowie finanziellen Hürden wie Studiengebühren sei soziales Engagement nicht mehr uneingeschränkt vorhanden: „Das studentische Ehrenamt ist nicht tot, aber es ist gefährdet. Wir wollen mit dem Wettbewerb gegensteuern.“

Für den Studentenwerkspreis können bis zum 9. Januar 2008 engagierte Studierende aller staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland vorgeschlagen werden; die Nominierungen müssen über Hochschulen, Studentenwerke und Studierendenorganisationen erfolgen.

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8. Beschwerde gegen Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster zu Studiengebühren

Der AStA der Uni Paderborn hat am 8. November Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster eingelegt. Das OVG hatte Anfang Oktober die Klage einer Studentin abgewiesen, die sich mit Blick auf den UN-Sozialpakt gegen die Erhebung von Studiengebühren wehren wollte. Das Gericht hatte der Auffassung der Studentin, wonach der UN-Sozialpakt eine verpflichtende Unentgeltlichkeit des Studiums erforderlich macht, widersprochen und darauf hingewiesen, dass der Pakt „weder darauf angelegt noch geeignet (sei), innerstaatlich als unmittelbar geltendes Recht angewandt zu werden.“

Der Gang des Paderborner AStA, der die Studentin unterstützt, war notwendig geworden, weil das Gericht keine Revision zuließ. Der AStA-Vorsitzende, Jonas Wagener, äußerte sein Unverständnis zur Entscheidung des OVG Münster und machte die Notwendigkeit der Einschaltung eines übergeordneten Gerichtes deutlich: „Gerade diese widersprüchlichen Urteile zeigen, dass diese Entscheidung von einer höheren Instanz getroffen werden muss, die die Tragweite eines solchen Urteils richtig einzuschätzen weiß.“

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