Bildung ist keine Werbefläche!

Dass insbesondere junge Menschen sich regelmäßig an Bildungseinrichtungen aufhalten und diese aus werbetechnischer Sicht eine wertvolle Zielgruppe darstellen, haben mittlerweile viele Unternehmen und Agenturen erkannt. Beispielsweise hält die Marketinggruppe DSA Youngstar sogar Kindertagesstätten für einen sinnvollen Werbeort: ”Sympathische Sponsoring-Maßnahmen ermöglichen die intelligente Verknüpfung der individuellen Werbeinteresses mit der Unterstützung des Erziehungsauftrags der Kitas und Kindergärten.” [1] Offensichtlich sollen bereits kleine Kinder dem Zwang der Konsumgesellschaft unterworfen werden. Außerdem sollen die Kinder als Türöffner genutzt werden, um die Eltern als Konsument*innen direkt zu erreichen; die Erzieher*innen werden dabei als Werbeträger*innen missbraucht.

Die Schule stellt dabei für die Werbeagentur einen ganz natürlichen Werbeort dar: Die Werbeagentur DSA Youngstar ist ”darauf spezialisiert, auch außerhalb des Schulgeländes (…) die jungen Zielgruppen punktgenau” (www.dsa-youngstar.de/index.php/grundschulen, Jugendmarketing) anzusprechen. Marketingmaßnahmen erreichen an Grundschulen direkt Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen. An weiterführenden Schule beginnt speziell das Recruiting und Branding: ”Markenpräferenzen und Recruiting stehen hier für Unternehmen und Institutionen im Mittelpunkt.” (www.dsa-youngstar.de/index.php/sekundarstufen)Berufsschulen bieten für die Werber*innen die Möglichkeit, Menschen noch passgenauer zu manipulieren.

Die Hochschulen werden nicht als Bildungseinrichtungen, sondern nur als ”die richtigen Anlaufstellen, um die High-Potentials in der Zielgruppe 19+ zu erreichen” betrachtet (www.dsa-youngstar.de/index.php/hochschulen): Von Kaffeebechern mit Unternehmenslogo bis zu der überall vorhandenen Plakatflut wird nichts ausgelassen, um in Studierenden scheinbare Konsumbedürfnisse zu erwecken und die Unternehmen auch als potentielle Arbeitgeber*innen positiv da stehen zu lassen. Spezielle Aktionen wie die Unicum-Campustüten oder das Telekom-Campus Cooking sind hierbei derzeit die krassesten Auswüchse.

Unter dem Deckmantel des pädagogischen Erziehungs- bzw. Bildungsanspruchs werden staatliche Aufgaben durch wirtschaftliche Privatinteressen missbraucht.

Kindergärten und KiTas sollen die motorische und geistige Entwicklung der Kinder fördern und sie ihren Charakter frei entwickeln lassen. Insbesondere durch freies Lernen können sie ihr natürliches Entdeckungs- und Erforschungsbedürfnis ausleben, um sich zu eigenständigen, selbstbestimmten Teil der Gesellschaft zu entwickeln. All dies sowie die direkte Verbindung zu den Eltern nutzen Werber*innen aus und vermindern die Freiheit, in der sich Kinder entwickeln können.

Schulen sind ein zentraler Lern- und Lebensort in einer bedeutenden Entwicklungsphase junger Menschen. Hier sollen sich die Menschen allgemein bilden und zu selbstständigen und individuellen Persönlichkeiten entwickeln. Jede Form von Werbung in diesem Umfeld steht diesem Ziel entgegen und sorgt dafür, dass der Schulbesuch nicht allgemeine und Persönlichkeitsbildung fördert, sondern scheinbare Konsumbedürfnisse und reine Konsum- und Gewinnorientierung. Besonders an Schulen fördert Marketing damit nicht nur den Umsatz der betreffenden Unternehmen, sondern auch die Festigung neoliberaler und marktwirtschaftlicher Dogmata in den Köpfen junger Menschen.

Hochschulen sollen unabhängige Lehre und Forschung in der Gesellschaft sicherstellen. Daher ist es unabdingbar, dass diese so weit wie möglich vom Einfluss der wirtschaftlichen Interessen profitorientierter Unternehmen befreit bleibt.

Der Einfluss auf die Unabhängigkeit der Lehre und vor allem der Forschung ist schon lange nicht mehr sichergestellt: Drittmittelzwänge pressen einen Großteil der Forschung in wirtschaftsvorgegebene Stoßrichtungen. Für Querdenker*innen und Randgebietsforschungen, sowie auch Teilen der Geisteswissenschaften wird die Arbeit so erschwert. Die menschenverachtende Idee des Kapitalismus ist in ihrem Siegeszug durch die Hochschulen auf diese Weise schon weit vorangeschritten.

Neben der Forschung steht auch die Lehre unter nicht zu vergessenem Einfluss. Die Vergabe von Lehraufträgen an Unternehmer*innen lässt an dem Vorsatz unabhängiger Lehre zweifeln.

Auch die Einführung und Vergabe des Deutschlandstipendiums zeigt die voranschreitende Versklavung der staatlichen Aufgaben im Sinne der wirtschaftlichen Werbeinteressen: Diese Stipendien bieten Großunternehmen die Möglichkeit, ihre Marketingmaßnahmen an Hochschulen auf einem neuen Niveau durchzuführen. Studierende werden nicht nur geistig, sondern auch materiell von diesen Unternehmen abhängig gemacht.

Außerdem handelt es sich bei Bildungswerbung oft um unökologische Art der Kundenbalz: Unmengen Material (und Papier) mit unsinnigen Aufdrucken: Campustüten, Kaffeebecher, Postkarten, Plakate etc. dienen erst als Werbeträger und dann als Umweltschädlinge.

Werbung und damit der Einfluss von Unternehmen, die es sich leisten können, haben an Bildungseinrichtungen nichts verloren: Bildung ist keine Werbefläche!

[1] www.dsa-youngstar.de/index.php/kindergaerten