Für das Demonstrationsrecht

Am 21.06.90 besetzten 14 Menschen den Bohrturm der atomaren Endlagererkundungsstätte in Gorleben. Diese Menschen wurden vom Bohrturm geräumt und erkennungsdienstlich behandelt. Nach der Aktion wurde gegen diese Menschen ein Strafverfahren eingeleitet, das mit einem Vergleich gegen ein geringes Bußgeld endete. Das Bundesministerium für Naturschutz und Reaktorsicherheit bezahlte den Betreiberfirmen, Arbeitsgemeinschaft Schächte Gorleben (ASG) und Deutsche Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), deren angeblich entstandenen Schaden für die eintägige Stillegung des Turmes. Die Bußgeldzahlung der BesetzerInnen wurde als Schuldeingeständnis interpretiert, was dem Bundesamt für Strahlenschutz als Vertreter des Ministeriums ermöglichte, per Schadensersatzklage auf zivilrechtlichem Weg das Geld von den Besetzerinnen zurück zu fordern. Die Höhe der angegebenen Forderung beläuft sich auf 126.901,10 DM zzgl. der Zinsen i.H. von ca. 24.000,00 DM. Am 03.05.95 wurden die BesetzerInnen vom Amtsgericht Lüneburg zur Zahlung der Stillegungskosten verurteilt. Mit diesem Urteil ist zum erstenmal in der BRD das Demonstrationsrecht auf zivilrechtlichem Wege ausgehebelt worden. Das bedeutet, daß das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit und freier Meinungsäußerung durch die massive materielle Bedrohung aufgrund möglicher Schadensersatzforderungen Dritter an Demonstrantinnen seiner Bestimmung enthoben wird.

Die MV erklärt ihre Solidarität mit den TurmbesetzerInnen von Gorleben. Die MV protestiert gegen die Kriminalisierung von gewaltfreiem Widerstand, die Aushöhlung des Demonstrationsgrundrechtes durch zivilrechtliche Schritte und die daraus folgende materielle Bedrohung für DemonstrantInnen.

Beschlossen auf der 3. MV in Düsseldorf, April 1995