Resolution zu den StudentInnenprotesten im Iran

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) ist der studentische Dachverband in Deutschland und als offizielle StudentInnenvertretung auf Bundesebene weithin anerkannt. Er vertritt bundesweit die Interessen von etwa 875.000 StudentInnen an derzeit 76 Hochschulen.

Der fzs erklärt sich solidarisch mit den protestierenden StudentInnen im Iran. Der Kampf um Demokratie, Menschenrechte und individuelle Freiheit verdient die Unterstützung der StudentInnenschaften in Deutschland.

Die auch mit der miserablen wirtschaftlichen Lage des Landes zusammenhängenden Protestkundgebungen drängen nicht mehr auf Reformen innerhalb des „Gottesstaats“, sondern fordern eine andere, demokratische Verfassung, die die Freiheit und politische Mitsprache aller gewährleistet. Insbesondere die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen wird in verstärktem Maße eingefordert. An vielen deutschen Hochschulen haben sich in den letzten Wochen spontane Solidaritätsgruppen gebildet, die auf die dramatische Situation im Iran hinweisen.

Dass sich die aktuellen Proteste der iranischen Studierenden im Juni an der geplanten Privatisierung der Universitäten und der möglichen Einführung von Studiengebühren entzündeten, zeigt auch, dass der Machterhalt der herrschenden iranischen Eliten einhergeht mit Veränderungen im Bildungswesen, wie sie auch im Rest der Welt den Protest von StudentInnen herausgefordert haben. Gemeinsam mit unseren iranischen KommilitonInnen und den StudentInnen in aller Welt gilt es weiterhin, den Kampf für den Erhalt und Ausbau studentischer Mitbestimmung an der Hochschule fortzuführen sowie für freien und kostenlosen Zugang zu Bildung für alle Menschen einzutreten.

Der fzs teilt die Einschätzungen vieler JournalistInnen und Iran-ExpertInnen, wonach sich der Demokratisierungsprozess im Iran kaum durch Verhaftungen und Verbote aufhalten lassen wird. Die meisten der unter 25-jährigen, die etwa 60% der Landesbevölkerung ausmachen, sympathisieren unabhängigen Berichten zufolge mit den Protesten, während noch etwa 30% der IranerInnen fest zum bestehenden Regime halten.

Ferner teilt der fzs die Auffassung, dass Präsident Chatamis Reformversprechen wenig daran ändern, dass die eigentliche Macht im Staat verfassungsgemäß „Revolutionsführer“ Chamenei bzw. der von ihm kontrollierte „Wächterrat“ innehat – und dass das gewählte Parlament faktisch machtlos ist. Die Ausgrenzung von Oppositionellen ist ganz im Sinne der Verfassung der Islamischen Republik – und dies gilt es in Politik und Öffentlichkeit zu benennen und zu kritisieren. Wir fordern daher eine ungehinderte, wahrheitsgemäße und nicht-verharmlosende Berichterstattung über die Ereignisse im Iran und deren Hintergründe.

Seit dem Aufkommen der Studierendenprotestbewegung im Juli 1999 wurden mißliebige Studierende in verstärktem Maße verhaftet, misshandelt und mundtot gemacht. Im Juli 2003 wurden für kurze Zeit drei Studierendenfunktionäre ohne triftigen Grund inhaftiert. Der fzs unterstützt die Forderung nach sofortiger Freilassung der Berichten von Amnesty International zufolge momentan vermutlich ca. 2000 inhaftierten Studierenden. Gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen und studentischen Dachverbänden weltweit wird der fzs seine Stimme erheben und ein Ende der Menschenrechtsverletzungen fordern.

Aufgrund unserer Einschätzung, dass es bisher trotz vieler Anstrengungen der Regierung und der Anhänger des Systems nicht gelungen ist, die außerparlamentarische Opposition auszuschalten, und eine Modernisierung von Staat und Gesellschaft abseits des unmittelbar öffentlichen Lebens sowie in einigen iranischen Medien vergleichsweise offen und intensiv diskutiert wird, lehnen wir eine Debatte über militärische Eingriffe von außen ab. Von den europäischen und deutschen PolitikerInnen fordern wir allerdings, nicht länger im Interesse einer exportorientierten Außenpolitik über Menschenrechtsverletzungen im Iran hinwegzusehen. Insbesondere die Beteiligung deutscher Firmen wie z.B. Siemens an der Installation von Überwachungsanlagen und Störsendern, auf die die iranische StudentInnenbewegung hinwies, ist zu verurteilen. Gleichzeitig muss entschieden gegen menschenverachtende Praktiken der iranischen Regierung und deren Verteidiger Stellung bezogen werden.

Wir sprechen den protestierenden StudentInnen unsere Solidarität und unseren Respekt aus und hoffen, dass ihre Proteste eine Wendung zum Positiven herbeiführen werden. Wir verurteilen das Verbot von Demonstrationen und Kundgebungen, die staatsgesteuerte Verwüstung von Wohnheimen durch Schlägertrupps sowie generell die anhaltende massive Einschüchterung der Studierendenvereinigungen durch regimetreue Kräfte.

Der fzs wird die Proteste weiterhin begleiten und dafür Sorge tragen, dass wichtige Meldungen aus dem Iran den Weg auch an die deutsche Öffentlichkeit finden. Wir werden außerdem den Kontakt zu den Betroffenen suchen und die demokratische Bewegung in geeigneter Weise unterstützen. Die StudentInnenvertretungen in Deutschland sind aufgerufen, mit iranischen StudentInnen zwecks Verbreitung von Informationen sowie der Organisation von pro-demokratischen Kundgebungen zusammenzuarbeiten.