Thesenpapier: Neue Potentiale in der Hochschulfinanzierung?

Während dies einerseits als Folge der chronischen Unterfinanzierung und künstlich knapp gehaltener öffentlicher Haushalte betrachtet werden kann, ist andererseits offensichtlich, dass selbst bei bester Finanzierung der Hochschulen durch öffentliche Zuwendungen gewisse Aktivitäten immer die Möglichkeit bieten werden, durch nicht-staatliche Einnahmen die finanzielle Situation weiter zu verbessern. Demzufolge scheint eine pauschale Ablehnung nicht-staatlicher Einnahmen zu Kurz zu greifen, vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung der Potentiale und der mit ihnen verbundenen Chancen und Risiken erforderlich. Drittmittelfinanzierung transparent und demokratisch gestalten

Drittmitteln kommt als Finanzierungsquelle eine steigende Bedeutung zu: Von 1997 bis 2001 stiegen die Drittmitteleinnahmen der Hochschulen um 28,5% auf über 3 Milliarden Euro. Den Großteil macht dabei jedoch nach wie vor die Deutsche Forschungsgemeinschaft (30,7%) aus, der Bund ist mit einem Anteil von 23,9% drittgrößter Drittmittelgeber. Insofern handelt es sich also bei Drittmitteln nicht zwangsläufig um nicht-öffentliche Mittel. Es bietet sich durch Drittmittel die Perspektive, die finanzielle Lage der Hochschulen über die Grundmittel hinaus zu verbessern. Dabei muss jedoch klar sein, dass Drittmittel eine ausreichende direkte Grundfinanzierung der Hochschulen nicht ersetzen dürfen, sondern immer nur ergänzen können.

Es ist klar, dass Drittmittel direkter Ausdruck von Interessen verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen an die Hochschulen sind. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um die Interessen von Firmen handeln, sondern kann es sich ebenso um die Interessen von Nichtregierungsorganisationen wie Umweltschutzorganisationen o.ä. handeln. Ausgehend von einem Verständnis von Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung – und nicht im Elfenbeinturm – handelt es sich durchaus um berechtigte Interessen. Es ist kaum sinnvoll, Drittmittel pauschal abzulehnen, da sie (zum Teil) aus nicht-öffentlichen Haushalten kommen. Es ist ebenso wenig sinnvoll, Drittmittel pauschal zu begrüßen, nur weil sie mehr Geld an die Hochschulen bringen. Eine differenzierte Herangehensweise ist angebracht, die aus Mitteln Dritter gefördete Projekte vor allem an ihrem Inhalt und nicht an der Herkunft der Mittel bewertet.

Naturgemäß birgt jedoch die Drittmittelfinanzierung das Risiko, dass gesellschaftliche Gruppen, die über eine gute finanzielle Ausstattung verfügen, die Ausrichtung von Forschung und Lehre an den Hochschulen im Übermaß beeinflussen. Ebenso ist zu bedenken, dass die Hochschule neben ihrer „Dienstleistungsfunktion“ für die Gesellschaft auch die Aufgabe erfüllen müssen, die gesellschaftlichen Realitäten ihrer Arbeit zugrunde zu legen und zu hinterfragen. Insofern ist eben auch eine gewisse Autonomie der Hochschulen in ihrem Handeln zu gewährleisten. Die Hochschulen dürfen also nicht in ein völliges Abhängigkeitsverhältnis gestellt werden. Diese beiden Aspekte unterstreichen, dass die Hochschulen durch eine hinreichende Grundmittelfinanzierung in die Lage versetzt werden müssen, auch ohne Abhängigkeit von Drittmitteln agieren zu können.

Die Durchführung von Drittmittelprojekten kann auch einen Beitrag zu einem höheren wissenschaftlichen Austausch darstellen und den Wissenschaftstransfer positiv beeinflussen, indem Vorhaben in der öffentlichen Institution Hochschule anstatt in privaten Institutionen sattfinden. Dazu ist es jedoch erforderlich, dass in der Drittmittelforschung gewonnene Erkenntnisse öffentlich zur Verfügung stehen und im Wissenschaftsprozess verwertet werden können.

Drittmittelprojekte sind per se weder gut noch schlecht. Die Durchführung muss immer eine Entscheidung über den Einzelfall sein und kann nicht von Einzelpersonen allein getroffen werden. Sie ist am Inhalt des jeweiligen Projekts festzumachen: So ist etwa ein ökologisch sinnvolles Drittmittelprojekt sicherlich der Forschung zur Verbesserung der Atombombe aus Grundmitteln vorzuziehen. Die Hochschule muss sich vorbehalten können, die Durchführung von Drittmittelprojekten auch abzulehnen. Zusammenfassend ergeben sich folgende konkrete Anforderungen an die Drittmittelfinanzierung:

  • Die Grundmittel dürfen nicht unter Verweis auf steigende Drittmitteleinnahmen reduziert werden. Drittmittel müssen immer Kür und nicht Pflicht sein.
  • Drittmittelvorhaben dürfen die Erfüllung der übrigen Aufgaben der Hochschule, insbesondere die Lehre, durch ihr Personal nicht einschränken.
  • Über die Durchführung von Drittmittelvorhaben muss immer ein Kollegialorgan im Einzelfall entscheiden. Die Entscheidung darf nicht einzelnen HochschullehrerInnen überlassen werden.
  • Forschungsergebnisse aus Drittmittelprojekten sind grundsätzlich zu veröffentlichen.
  • Genau wie für andere Forschungsvorhaben und -ergebnisse muss auch für Drittmittelforschung gelten, dass ihre möglichen Folgen und Risiken für Umwelt und Gesellschaft kritisch bewertet werden und dass die Entscheidung über die Durchführung des Vorhabens dieser Bewertung entspricht.

Vom Schutzmechanismus zum Patentierungswahn

Die Möglichkeit, Erfindungen zu patentieren, wurde ursprünglich geschaffen, um ErfinderInnen in einem begrenzten Zeitrahmen das Monopol für die wirtschaftliche Verwertung ihrer Erfindung einzuräumen. Patente sollten verhindern, dass bspw. große Firmen massiven Profit aus der Erfindung eines einzelnen oder einer kleinen Firma ziehen, während die eigentlichen UrheberInnen leer ausgehen. Durch die Offenlegung technischer Details bei der Patentierung sollte gewährleistet werden, dass dennoch die gewonnenen Erkenntnisse und entwickelten Methoden offen gelegt werden. Anders ausgedrückt sollten Patente also eine gefahrlose Veröffentlichung von Erfindungen ermöglichen, indem die ErfinderInnen davor geschützt werden, dass jemand anders ihre Erfindung „klaut“.

Dabei bewegt man sich naturgemäß in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite wird durch Patente die Unterdrückung der kleinen und schwachen durch die ohnehin größere Macht der großen und starken eingeschränkt, indem ihnen eine Art Schutzzone geschaffen wird. Auf der anderen Seite wird die freie Verwendung und Weiterentwicklung von Erfindungen behindert. Letzteres fällt dann besonders stark ins Gewicht, wenn große Firmen oder Konzerne Patente auf eine Vielzahl von Erfindungen besitzen. Eine zunehmende Ausweitung von Patenten auf alle möglichen Bereiche, ein regelrechter „Patentierungswahn“, lässt die erwünschten positiven Effekte in den Hintergrund rücken, sie werden von den negativen Folgen überschattet.

Die Ausstellung von Patenten auf Software birgt mehr Gefahren als potentiellen Nutzen. Sie würden die Möglichkeit eröffnen, völlig grundlegende und allgemein angewandte Vorgehensweisen zu patentieren. Es wird weniger eine konkrete Erfindung, als vielmehr eine allgemeine Idee patentiert. Auch wer völlig unabhängig eine Software mit gleichem Ergebnis entwickelt, würde das Patent verletzen. Somit wäre es faktisch kaum noch möglich, Software zu entwickeln ohne Patente zu verletzen. Bestes Beispiel dafür ist vermutlich die Patentierung der „One-Click-Technologie“ durch den Büchervertreiber Amazon. Software-Patente bremsen die Innovation und sind andererseits auch nicht notwendig, um mit Software Geld zu verdienen. Eine Reihe von Unternehmen erwirbt Profit mit Dienstleistungen rund um (frei verfügbare) Software anstatt mit Software selbst. Aus ähnlichen Gründen wie die Patentierung von Software abzulehnen ist, lehnt der fzs auch die Patentierung von didaktischen Methoden und naturwissenschaftlichen Entdeckungen wie z.B. zu Genen und dergleichen ab.

Patentverwertung demokratisieren

Das Patentwesen betrifft naturgemäß die Hochschulen als Institutionen der Forschung. Durch einen fortschreitenden Hang zur Patentierung aller möglichen und unmöglichen Dinge gerät immer stärker die Frage in die Diskussion, wie Hochschulen mit ihren Erfindungen verfahren sollen.

Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass durch die Änderung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes im Jahr 2002 das Verwertungsrechts für Erfindungen an Hochschulen bei diesen liegt. Während früher die einzelnen WissenschaftlerInnen völlig selbst entscheiden konnten, ob und die eine Erfindung wirtschaftlich verwertet wird, müssen diese nun der Hochschule die Veröffentlichung patentfähiger Erfindungen rechtzeitig anzeigen. Dabei sind die Rechte der Hochschulen jedoch insofern eingeschränkt, als dass sie Veröffentlichungen weder erzwingen noch verhindern kann.

Da ForscherInnen nicht für sich allein, sondern im Auftrag der Hochschule forschen und von dieser auch finanziert werden, ist es fraglich, mit welcher Legitimation sie über ihre Ergebnisse völlig frei entscheiden können sollen. Vielmehr ist es angebracht, die Entscheidung über Art und Weise der wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen zu demokratisieren, in dem die Entscheidung unter die Kontrolle eines Kollegialorgans gestellt wird. Meist sind ohnehin mehrere Personen aus verschiedenen Gruppen an der Entstehung eines konkreten Forschungsergebnisses beteiligt, und nicht nur diejenige, die es letztendlich veröffentlicht. Ebenso betreffen natürlich auch die Auswirkungen nicht nur die einzelnen ForscherInnen.

Die Entscheidung über den Umgang mit Erfindungen an Hochschulen darf sich zudem nicht nur an wirtschaftlichen Aspekten orientieren. Als der Gesellschaft verpflichtete Institution müssen Hochschulen gerade bei Erfindungen, die die Lebenssituation von Menschen direkt zu verbessern geeignet sind (wie etwa Medikamente), dafür Sorge tragen, dass diese möglichst vielen Menschen zugute kommen, ohne sie im Übermaß zu belasten. Daraus folgt für den fzs, dass Hochschulen die nicht-kommerzielle Verwendung ihrer Erfindungen generell zu gestatten hat, ohne das Patentgebühren o.ä. entrichtet werden müssen. Einnahmen, die die Hochschule aus der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Forschungserkenntnisse erzielt, müssen über Instituts- und Fachbereichsgrenzen hinweg durch Kollegialorgane verteilt werden. Es kann nicht sein, dass Einnahmen aus der Patentverwertung quasi-Privatmittel der InstitutsleiterInnen sind. Es ist vor allem darauf zu achten, dass Forschungsbereiche, die keine Chance auf Einnahmen durch Patentierungen haben, querfinanziert werden. Einnahmen aus Patenten sollen der gesamten Hochschule zugute kommen, und nicht nur den wirtschaftlich am besten verwertbarsten Forschungsbereichen oder -projekten.

Letztlich betrifft auch die Diskussion um das Forschungsprivileg die Hochschulen. Nach dem bisherigen Patentrecht ist es Hochschulen erlaubt, auch patentierte Erfindungen im Rahmen ihrer Forschung und Lehre ohne Einschränkung zu nutzen. Gegen diese Bevorzugung der Hochschulen laufen einige AnhängerInnen einer Ausweitung des Patentwesens sowie HandelsliberalisiererInnen Sturm. Durch eine differenzierte Regelung dürfte es jedoch keine Verzerrung des Wettbewerbs geben: Grundsätzlich soll das Forschungsprivileg der Hochschulen erhalten bleiben. Sobald die Hochschule jedoch eine Erfindung wirtschaftlich verwertet, wird sie bezüglich aller Patente, von denen diese abhängt, behandelt wie jede andere Institution auch. Weiterbildung ausbauen und öffnen

Weiterbildungsangebote gewinnen an den Hochschulen zunehmend an Bedeutung. Sowohl der technologische Fortschritt als auch eine zunehmende Diversifizierung von Bildungs- und Arbeitsbiographien machen es für immer Menschen erforderlich, nach einem ersten Hochschulabschluss oder einer ersten Berufsausbildung und anschließender beruflicher Tätigkeit Weiterbildungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Der Weiterbildungsmarkt wird momentan von privaten Anbietern dominiert. Nach Schätzungen des BMBF beträgt der Anteil der Hochschulen an diesem derzeit lediglich fünf Prozent. Ein höheres Engagement der Hochschulen im Bereich Weiterbildung ist notwendig, um ein wesentlich breiteres Angebot an öffentlich finanzierten und frei zugänglichen Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen. Durch die bereits bestehende weitgehende Privatisierung des Weiterbildungsbereichs und die damit meist einhergehende Gebührenpflichtigkeit der Angebote sind derzeit große Teile der Bevölkerung von der Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten ausgenommen. Insbesondere für Menschen, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt sehr geringe Chancen haben und durch Weiterbildung ihre Lebenssituation verbessern könnte, sind Weiterbildungsangebote meist nicht oder nur sehr schwer zugänglich. Vom Zugang zu Weiterbildung hängen die individuellen Lebenschancen immer stärker ab. Insofern muss das Ziel sein, möglichst vielen Menschen einen Zugang zu Weiterbildung zu ermöglichen. Insofern ist ein erhöhtes Engangement der Hochschulen im Bereich der Weiterbildung ausdrücklich zu begrüssen. Gebührenpflichtige Weiterbildungsangebote an Hochschulen sind grundsätzlich abzulehnen. Ein öffentlich finanzíertes Weiterbildungsangebot an den Hochschulen muss vor allem jenen, die über ein geringes oder kein Einkommen verfügen, ermöglichen, durch eine Weiterbildungsmaßnahme bessere berufliche Chancen zu erlangen. Insbesondere sind Angebote der Hochschulen auszubauen, die Personen ohne allgemeine Hochschulreife den Quereinstieg in das Hochschulsystem erlauben.

Um ein ausreichendes öffentliches Weiterbildungsangebot zu finanzieren, fordert der fzs die Einrichtung eines bundesweiten Weiterbildungsfonds. Unternehmen zahlen eine Abgabe in diesen Fonds ein, aus dem dann gebührenfreie und frei zugängliche Weiterbildungsangebote an den Hochschulen finanziert werden. Durch den Ausbau der Weiterbildung an den Hochschulen profitieren die Unternehmen letztlich wieder davon, dass ihre MitarbeiterInnen kostenfrei Weiterbildung in Anspruch nehmen können.

Es ist noch zu diskutieren, ob Hochschulen darüber hinaus speziell auf die Bedürfnisse einzelner Unternehmen oder Organisationen zugeschnittene Weiterbildungsmaßnahmen anbieten sollen. Dies würde möglicherweise eine attraktive neue Einnahmequellen darstellen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Bereitstellung öffentlich zugänglicher und finanzierter Angebote dadurch in den Hintergrund rückt bzw. eingeschränkt wird. Demnach sind die Chancen und Risiken einer Erschliessung dieses Bereichs durch die Hochschulen noch zu diskutieren.

Beschlossen auf der 26. MV in Bonn, Oktober 2004