1-Euro-Jobs – Arbeitsgelegenheiten – Hartz IV

Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesregierung, schon in diesem Herbst 50.000 solcher Jobs zu schaffen, die ab 1. Januar 2005 im Rahmen der Umsetzung von Hartz IV dann in großer Zahl für die meisten Erwerbslosen bestehen sollen.

Bisher sind diese „Arbeitsgelegenheiten“ nur für einen relativ kleinen Personenkreis vorgesehen, sie finden sich unter dem Namen „Hilfe zur Arbeit“ (HzA) im Bundessozialhilfegesetz (BSHG §19 (2)). Die Neuregelung des SGB II tritt zum 1. Januar 2005 in Kraft, die Arbeitsgelegenheiten werden insbesondere in §2, §3 und §16 näher geregelt. Ab Jahresende wird dann aus diesen „Arbeitsgelegenheiten“ Arbeitszwang. Wer nun das „Angebot“ der VermittlerInnen ablehnt, ist mit Sanktionen in Form von Leistungskürzungen konfrontiert. Schon im ersten Schritt werden über drei Monate 30 Prozent der regulären Sozialleistung gekürzt. Bei BezieherInnen unter 25 Jahren wird die Unterstützung sogar vollständig gestrichen.

Die „Arbeitsgelegenheiten“ werden von den BefürworterInnen als wichtiges Angebot für die Erwerbslosen dargestellt. Durch einen 1-Euro-Job könne es gerade Langzeitarbeitlosen gelingen, wieder einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. Die Jobs sicherten nicht nur eine berufliche, sondern auch eine gesellschaftliche Integration. Durch das „Angebot der Arbeitsgelegenheit“ könne beispielsweise überhaupt erst mal wieder ein „geregelter Tagesablauf“ erlernt werden.

Diese Argumente sind für uns nicht nachvollziehbar. Im Regelfall wird die (verpflichtende) Wahrnehmung einer weitestgehend rechtlosen Arbeitsgelegentheit kein Sprungbrett in einen regulären Arbeitsplatz sein. In der Neuregelung sind zwar zwei Bedingungen enthalten, die das sicherstellen sollen – beide bieten aber zu viel Definitionsspielraum, um das Ziel tatsächlich zu erreichen: Arbeitsgelegenheiten dürfen zum einen nur eingerichtet werden, wenn sie gemeinnützig sind. Zum anderen müssen sie zusätzlich zu bisherigen Beschäftigungsverhältnissen sein.

Wir sehen die Gefahr, dass die Aushebelung individueller sozialer Rechte über den Verweis auf die Gemeinnützigkeit bei dem Teil der Bevölkerung, der beispielsweise noch eine Erwerbsarbeit ausübt, auf größere Zustimmung stoßen könnte. Gleichzeitig wird sich eine abhängige Definition von Gemeinnützigkeit ergeben, die den Rahmen je nach äußeren Anforderungen erweitert: Großstädte wie Hamburg oder Berlin haben beispielsweise angegeben, dass sie nur 50 Prozent der ursprünglich vorgesehenen „gemeinnützigen“ Arbeitsgelegenheiten „anbieten“ können. So werden auf der Suche nach Arbeitsgelegenheiten immer mehr Angebote aufgenommen und immer mehr Organisationen angefragt – so eben nun auch die Hochschulen. Ausdrücklich sind auch private Unternehmen aufgefordert, Arbeitsgelegenheiten in großem Umfang anzubieten.

Zur Regelung der Zusätzlichkeit: „Zusätzlich“ ist ein 1-Euro-Job, wenn er ergänzend zu dem eingerichtet wird, was üblicherweise angeboten wird. Klar ist aber, dass in Zeiten, in denen gerade gemeinnützige Organisationen massiven Sparzwängen ausgesetzt sind, längst nicht mehr all die Stellen vorhanden sind, die üblicherweise vorhanden wären. Damit ist davon auszugehen, dass verstärkt noch existierende oder gerade abgeschaffte Arbeitsverhältnisse durch 1-Euro-Jobs ersetzt werden (sollen).

Abzulehnen sind die 1-Euro-Jobs aus vielerlei Gründen: Einer der zentralen Kritikpunkte ist, dass sie ausdrücklich als „Arbeitsgelegenheiten“ ausgewiesen werden – und somit komplett dem Geltungsbereich des Arbeitsrechts, das sich auf Arbeitsverhältnisse bezieht, entzogen sind. Beinahe unnötig zu erwähnen, dass auch Tarifverträge keine Anwendung finden. Nebenbei bemerkt ist auch eine gezielte Qualifikationsförderung oder eine Vermittlung in reguläre Arbeitsverhältnisse gerade nicht Bestandteil der Neuregelungen des Sozialgesetzbuches, da allein schon finanzielle Mittel für Beratungs- oder Qualifikationsangebote nicht vorhanden sind.

Auch werden 1-Euro-Jobs unter Zwang eingerichtet. Das ist entwürdigend und aus der Perspektive der Betroffenen fatal: Artikel 12 des Grundgesetzes sichert das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und verbietet jeden Arbeitszwang. 1-Euro-Jobs sind davon offensichtlich eine Ausnahme, zumindest nach Meinung von Bundestag und Bundesrat; eine Einschätzung durch das Verfassungsgericht wird sich erst in den kommenden Verfahren ergeben. Dabei fallen nicht nur die individuellen LeistungsempfängerInnen in das Raster der Arbeitsagenturen: Durch das Konstrukt der so genannten „Bedarfsgemeinschaft“ in §7 und §9 des SGB II werden vorrangig Verwandte, PartnerInnen oder sonstige nahe stehende Personen zur Unterstützung der (potentiellen) LeistungsempfängerInnen herangezogen. Auch sie sind, wie die BezieherInnen von ALG II selbst, verpflichtet, alle (legalen) Möglichkeiten wahrzunehmen, die Höhe der Transferzahlung zu mindern.

Bisher waren die EmpfängerInnen staatlicher Unterstützungszahlungen dazu verpflichtet, sich darum zu bemühen, aus der staatlichen Zahlung herauszufallen. De facto hieß das: Eine Arbeit zu finden, die mehr Geld einbringt als die Sozialhilfe. Nun können sie (und die Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft) gezwungen werden, auch unrentable (z.B. durch eine geringe Stundenzahl bei unverhältnismäßig hohen Fahrtkosten) Arbeitsgelegenheiten und sonstige Erwerbsmöglichkeiten wahrzunehmen, um die Höhe des ALG II in geringem Umfang zu senken. Freibeträge gibt es nicht, jedes Einkommen wird angerechnet: Bei einem Minijob bis 400 EUR werden beispielsweise 85% des Verdienstes vom ALG II einbehalten.

Darüber hinaus sind die Billigjobs mit Zwangscharakter auch gesamtgesellschaftlich keine gute Idee. Sie basieren auf der Annahme, dass Massenarbeitslosigkeit ein Vermittungsproblem sei – und schieben so die Verantwortung für den fehlenden Job den Arbeitssuchenden zu. Massenarbeitslosigkeit ist aber ein strukturelles Problem. Anstatt mit billiger Polemik auf die angeblichen Schmarotzer zu schimpfen, müssten die gesamtgesellschaftlichen Ursachen analysiert werden.

Grundsätzlich ist die zentrale Stellung, die Lohnarbeit in unserer Gesellschaft genießt, in Frage zu stellen. Durch Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsumverteilung könnte die vorhandene Arbeit gleichmäßig aufgeteilt werden und den Einzelnen bliebe mehr Zeit. Doch in einer Marktwirtschaft wird nach herrschender Theorie davon ausgegangen, dass bei einem vergrößerten Angebot an Arbeitskräften die Arbeitskraft der Einzelnen billiger anzueignen ist. Nach dieser Logik ergeben Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsumverteilung natürlich keinen Sinn. Folgen sind dann aber eine Verstärkung von sozialer Ungleichheit und die Ausgrenzung breiter Bevölkerungsschichten. 1-Euro-Jobs werden diese Situation nicht verbessern, sondern festschreiben und sogar noch weiter verschärfen.

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) spricht sich deshalb deutlich gegen die Einrichtung von 1-Euro-Jobs aus. Prekäre Arbeitsverhältnisse, insbesondere solche, die unter Zwang hergestellt werden, lehnen wir ausnahmslos ab – an den Hochschulen, in Studierendenvertretungen und Studierendenwerken genau wie in allen anderen Bereichen. Ein-Euro-Jobs verhindern! Was könt ihr tun?

Der fzs ruft alle Studierendenvertretungen dazu auf, die Einrichtung von so genannten Arbeitsgelegenheiten in Hochschulen, Studierendenwerken und Studierendenschaften zu verhindern.

Dazu ist es nötig, in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang in den lokalen Institutionen 1-Euro-Jobs geplant bzw. bereits eingerichtet sind. Auskunft könnten Euch Personalvertretungen oder auch die Verwaltungen geben. Besonders in Bereichen wie Bibliotheken, Archiven oder in universitären Betrieben und Anlagen wie Kliniken und Botanischen Gärten könnte die Einführung von 1-Euro-Jobs drohen und reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängen.

Die auf Arbeitszwang basierenden prekären Tätigkeiten sollten generell abgelehnt werden. Konkrete Möglichkeiten dazu bieten sich z.B. durch entsprechende lokale Resolutionen durch Studierendenparlament oder auch durch den Senat sowie durch Presseerklärungen etc.

Weiter kann in einzelnen Fällen aufgezeigt werden, dass es sich um eine klar erkennbare Substitution bisher bestehender Beschäftigungsverhältnisse handelt und damit die Einrichtung gesetzlich unzulässig ist. Auch so könnt Ihr die Einrichtung zumindest behindern oder aufhalten. Hier bietet sich eine Zusammenarbeit mit lokalen Gliederungen der DGB-Gewerkschaften an.

Beschlossen auf der AS-Sitzung in Göttingen, November 2004