Polyvalenz in der LehrerInnenbildung

Im Zuge der Studienreform wird insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland vom Bachelor als einem polyvalenten Studienabschluß gesprochen. Polyvalenz als Vorgabe der KMK soll mit der Einführung konsekutiver Studiengänge das gewünschte offene Qualifikationsprofil des ersten berufs-einmündenten Studienabschluß sicherstellen: Absolventen und Absolventinnen sollen mit dem Bachelor auf kein spezifisches Berufsbild hin mehr ausgebildet werden; vorgegebene Spezialisierungen während des Studiums sind soweit zu vermeiden, dass die AbsolventInnen flexibel auf die Situationen des Arbeitsmarktes reagieren können.

In der LehrerInnenbildung kann die Frage nach Polyvalenz vor allem auf zwei Ebenen diskutiert werden:

1. Wird Polyvalenz als Synonym für Vielseitigkeit verstanden, ist die LehrerInnenbildung mit mindestens zwei Fächern plus dem bildungsswissenschaftlichem Anteil qua ihrer Natur vielseitig und damit polyvalent angelegt. Lehrerinnen und Lehrer sind allerdings entsprechend der verschiedenen Schultypen und Jahrgänge u.a. auf Grund-, Haupt-, Real-, Gesamtschule bzw. Gymnasium, sowie Primar- und den Sekundarstufen spezialisiert ausgebildet.

Für die Überwindung des Reproduktionscharakters von Schule als Manifestationsinstitution sozialer Ungleichheiten, ist die Fokusierung auf Polyvalenz des LehrerInnenstudiums daher ambivalent zu betrachten: In Anlehnung an die Forderung, soziale Herkünfte nicht mehr über den Bildungserfolg entscheiden zu lassen, deswegen die Vielgliedrigkeit von Schule endlich zu überwinden und sie dahingehend strukturell wie qualitativ neu zu gestalten, verliert auch die schulformspezifische LehrerInnenbildung an Relevanz. Polyvalenz ist an dieser Stelle nur noch sinnvoll, wenn es gilt, Lehrerinnen und Lehrer für jahrgangsübergreifenden Unterricht (aus) zu bilden.

2. Polyvalenz im Sinne nicht mehr eindeutig zuschreibbarer Berfusbilder fordert einen Bachelor of Education, der sowohl zu einem Master of Education befähigt als auch zu einem fachwissenschaftlichen Master qualifiziert, bzw. bereits nach dem Bachelor entsprechenden AbsolventInnen Perspektiven jenseits des Aktionsradius Schule eröffnet.

Vor dem Hintergrund, daß StudentInnen des LehrerInnenberufes die Inhalte ihres Studiums und das LehrerInnensein in politischer Verantwortung womöglich auf andere Weise reflektieren müssen, als StudentInnen, die in der Wirtschaft, perspektivisch Forschung ihr Tätigkeitsfeld sehen, ist es jedoch fraglich, wie die gewünschte Reflektionsfähigkeit gezielt geleistet werden kann, wenn durch Polyvalenz die Berufsbefähigung LehrerIn marginalisiert wird. Ein Bachelor und ein Master, die die Besonderheiten des LehrerInnenstudiums vernachlässigen, ignorieren das spezifische Berufsbild LehrerIn.

Deshalb fordert der fzs in der Diskussion um Polyvalenz in der LehrerInnenbildung insbesondere die Berücksichtigung folgender Fragestellungen:

  • Wie kann Polyvalenz innerhalb der LehrerInnenbildung gestaltet werden, ohne die Unterteilung von Schule in ihre Schulformen Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschule sowie Gymnasium als Mittel sozialer Selektion zu reproduzieren und damit zu manifestieren?
  • Wie kann Polyvalenz als offenes Qualifikationsprofil im Bologna-Prozess die Fachwissenschaftlichkeit der LehrerInnenbildung sicherstellen ohne gleichzeitig die Anerkennung des spezifischen Qualifikationsprofils des LehrerInnenberufs zu vernachlässigen?