Diversity an Hochschulen – aber richtig!

Dabei behandelten Dr. Maike Gattermann-Kasper, Koordinatorin für die Belange behinderter Studierender der Universität Hamburg, und Barbara Corleis, Universität Oldenburg, allgemein die Hintergründe und Entwicklungen, während Daria Celle-Küchenmeister, Behindertenbeauftragte der Universität Duisburg-Essen, über die beispielhafte Umsetzung an ihrer Hochschule berichtete.

Diversity Management wurde ursprünglich als Konzept der Personalentwicklung in den USA entwickelt. Grundlage ist die Erkenntnis, dass vielfältig zusammengesetzte Teams kreativer sind und Mitarbeiter dann am motiviertesten sind, wenn Arbeitgeber*innen ihre Besonderheiten berücksichtigen. Später haben Hochschulen im englischsprachigen Raum das Konzept übernommen, seit einigen Jahren folgen Unternehmen und Hochschulen in Deutschland diesem Trend.

Diese Entwicklung ist zu begrüßen, jedoch ist häufig zu beobachten, dass unter dem neuen Etikett lediglich bewährte Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter und Bemühungen zur Gewinnung exzellenter Studierender aus anderen Staaten zusammengefasst werden. Dies greift deutlich zu kurz und ist eher der Kategorie „Alter Wein in neuen Schläuchen“ zuzuordnen. Richtig verstanden muss Diversity Management dazu führen, dass die Hochschulen nicht mehr vom Leitbild der „Normalstudierenden“ ausgehen, sondern alle Studierenden als Individuen mit besonderen Fähigkeiten und Stärken, aber auch eigenen Bedürfnissen akzeptieren. Dazu gehört, dass stärker als bisher Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Chancengleichheit für bestimmte Gruppen sicherstellen. Dabei stehen insbesondere Gender, Migrationshintergrund bzw. kultureller Hintergrund, Gesundheitszustand bzw. Behinderung, Alter, sexuelle Identität und sozialer Status (hier insbesondere die Herkunft aus einer Nichtakademiker-Familie) im Fokus.

Bezogen auf behinderte und chronisch kranke Menschen bedeutet dies, dass sie als Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverständlich zur Hochschule gehören. Die Hochschule als Ganzes, aber auch jeder einzelne Studiengang, jede Lehrveranstaltung und jede Prüfung sollten so gestaltet sein, dass möglichst viele Menschen daran teilhaben können, ohne dass Sondermaßnahmen erforderlich werden. Da aber, gerade in Bezug auf die Dimension Behinderung, nie alle Bedarfe vorhergesehen werden können, muss die Hochschule in der Lage sein, schnell individuelle Vorkehrungen zu treffen. Darüber hinaus bekommt das Konzept der Barrierefreiheit neue Dimensionen und eine neue Bedeutung: Barrieren bestehen nicht nur für behinderte Menschen, auch solche, die Menschen aufgrund anderer Eigenschaften an der gleichberechtigten Teilhabe hindern, müssen beseitigt werden.

Für die Interessenvertretungen behinderter und chronisch kranker Studierender an den Hochschulen und die Bundesarbeitsgemeinschaft Behinderung und Studium e.V. bedeutet die wachsende Bedeutung des Diversity-Gedankens zweierlei. Wir müssen uns stärker mit den Vertretungen und Verbänden anderer derzeit benachteiligter Gruppen und der Studierendenschaften vernetzen. Wir müssen uns aber auch darauf einstellen, dass die Gruppe der Studierenden mit Behinderung und chronischer Erkrankung noch deutlich diverser wird als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Dies liegt nicht nur daran, dass mehr Menschen mit einem abweichenden Gesundheitszustand sich als behinderte Menschen wahrnehmen, sondern auch an den Wechselwirkungen, die die Zugehörigkeit zu mehreren benachteiligten Gruppen mit sich bringen.

Sven Drebes BAG Behinderung und Studium e.V.
[http://www.behinderung-und-studium.de/]