Bildungsgebühren – Bildung ist ein Menschenrecht und Menschenrechte kauft man nicht!

Der fzs lehnt sämtliche Bildungsgebühren aus gesellschafts-, hochschul-, sozial- und wirtschaftspolitischer Perspektive ab und bekräftigt das Bekenntnis zum Krefelder Aufruf sowie zur Hattinger Erklärung [1]. Bildung muss kostenfrei sein, ganz egal ob Kita, Hochschule oder Meister* innenausbildung. In nur noch zwei Bundesländern gibt es allgemeine Studiengebühren. Und auch in Bayern und Niedersachsen scheint eine Abschaffung greifbar. Doch Studiengebühren sind damit längst nicht in die Geschichtsbücher verbannt. Schon jetzt gibt es in vielen Bundesländern Zweit- und Langzeitstudiengebühren, versteckte Studiengebühren und Diskussionen um die Neu- oder Wiedereinführung verschiedener Gebührenformen. Dass allgemeine Studiengebühren immer weiter zurückgedrängt wurden und werden, ist ein großartiger Erfolg für die Studierenden, die viel Zeit und Energie in den Kampf gegen Studiengebühren gesteckt haben und hierdurch Anteile an Bildungsgerechtigkeit zurückgewonnen haben. Um diesen Zielen gerecht zu werden, bringt sich der fzs aktiv als Bündnispartner innerhalb des ABS ein. Denn der Kampf gegen Studiengebühren kann nur solidarisch gewonnen werden.

Verpflichtungen ernst nehmen Bildung muss als Grundlage der politischen Willensbildung, als Grundlage einer mündigen Gesellschaft und auch als Grundlage einer individuellen Wohlfahrt allen Menschen zugänglich sein. Das ist sie momentan nicht. Ein erster Schritt zu sozialer Gerechtigkeit im Bildungsbereich kann hier nur die flächendeckende Gebührenabschaffung sein. Auch die Bundesrepublik hat sich im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) dazu bekannt, den „Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muß.“[2]. Ein Verbot aller Gebührenformen auf Bundesebene wäre weiterhin der geeignete Weg zur Umsetzung dieses Bekenntnisses. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2005 stellt hierzu keine unbedeutende, aber eine überwindbare Hürde dar. Hier muss in allen politischen Spektren ein Konsens zur Priorität der Bildung gefunden werden.

Letzter Strohhalm: die WZB-Studie Noch immer gibt es verschiedene Gebührenbefürworter*innen. Zündstoff lieferte ihnen im letzten Jahr (2012) das Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), mit einer Studie, die keine abschreckende Wirkung von Studiengebühren auf die Studierneigung feststellen konnte. Die größte Gebührendebatte seit Jahren bot den „Argumenten“ für Studiengebühren wieder eine Plattform: Studiengebühren seien sozial gerecht. Der Studienerfolg würde durch Bildungsgebühren gefördert und außerdem seien Studiengebühren die einzige Möglichkeit, um qualifizierte Fachkräfte zu produzieren. Hier ist entschieden zu widersprechen. Die WZB-Studie ist kein Rettungsboot zu einem Land mit flächendeckenden kostenpflichtigen Bildungsangeboten. Sie ist der letzte Strohhalm, an den sich Gebührenfreude klammern kann. Warum dieser Strohhalm gemeinsam mit den Argumenten für Studiengebühren versinken wird, lässt sich vielfältig darstellen: Schon das „discussion paper“ zur Studie relativiert einige falsche Schlussfolgerungen, die ohne Zweifel durch das einfache Lesen der Studienüberschrift „Studiengebühren mindern Studierneigung nicht“ gezogen werden können. So erklärte Albert Rupprecht (CSU) beispielsweise, dass die Abschaffung der „im internationalen Vergleich maßvollen Studiengebühren“ „kurzsichtig und verantwortungslos“ sei. Zudem belege „die aktuelle Studie des WZB aufs Neue: Niemand wird durch Studiengebühren vom Studium ausgeschlossen.“ [3] Laut Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [4] sind Studiengebühren in Höhe von 500 Euro jedoch nicht maßvoll, sondern am Rande zum Verfassungsbruch. Zudem können laut den Autor*innen der Studie „Aussagen darüber, wie sich die Studierneigung verändert, wenn Studiengebühren erhöht würden, aus den Ergebnissen nicht abgeleitet werden“[5]. Außerdem könne das Ergebnis nicht zu dem Fazit verleiten, „dass Studiengebühren per se keinen negativen Effekt auf die Studierneigung haben“[6]. Dass „auf’s Neue“ belegt worden sei, dass niemand durch Studiengebühren vom Studium ausgeschlossen wird, ist weder nachvollziehbar noch richtig und widerspricht verschiedenen Studien. Laut Hochschulinformationssystem (HIS) sind allein im Jahr 2006 bis zu 18000 Abiturient*innen durch Studiengebühren vom Studium abgehalten worden. Hierbei handelt es sich nicht um einen Kollateralschaden, sondern um einen Eingriff in die Grundrechte junger Menschen. Die WZB-Studie basiert auf Zahlen zur Studierneigung, die durch das HISStudierendenpanel regelmäßig erhoben werden. Hier wurden die Brutto- Studierneigungswerte herangezogen. Beim genauen Betrachten der Grunddaten ist jedoch ersichtlich, dass die Werte derart große Varianzen aufweisen, dass bereits die Datengrundlage ungeeignet ist, um auf ein solides Ergebnis zu kommen. Ebenso betrachtet die gewählte Untersuchungsmethode kaum weitere Faktoren, die Einfluss auf die Studierneigung haben. Die öffentlich geführte Debatte zum Fachkräftemangel müsste beispielsweise sehr positive Auswirkungen auf die Studierneigung haben, da Studieninteressierten eine sichere berufliche Perspektive augenscheinlich stärker imponiert, als die Aussicht Studiengebühren zahlen zu müssen. Weiterhin bleibt unerforscht, inwiefern Studiengebühren die Abbruchquoten beeinflussen. Es ist durchaus verständlich und löblich, dass Studieninteressierte den Wunsch nach dem Traumstudium nicht unbedingt aufgeben- ob ein Studienabschluss sich dann mit Studiengebühren auch realisieren lässt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Insofern bleibt uns nur die Autor*innen der Studie zu zitieren, denn die Studie solle nicht zur Annahme verleiten, dass Studiengebühren „per se keine abschreckende Wirkung haben“.

Versteckte Studiengebühren Der fzs lehnt versteckte Studiengebühren ab. Versteckte Studiengebühren sind alle Zahlungen, die Studierende leisten müssen, um ihr Studium abschließen, aufnehmen oder fortsetzen zu können, ohne dass sie als Studiengebühren gekennzeichnet sind. Davon ausgenommen sind Zahlungen für das Semesterticket, Sozialfondsbeiträge und der Beitrag für die Studierendenschaft, da diese Gelder dazu dienen, Solidarmodelle innerhalb der Studierendenschaften zu ermöglichen. Der Immatrikulationsstatus, die Prüfungsberechtigung oder die Studienqualität darf aus Sicht des fzs allerdings nicht an die Zahlungen von Beiträgen jeglicher Art geknüpft werden.

Schluss mit Scheindebatten Aus Sicht des fzs muss aktiv und durch eine grundlegende Umverteilung von Ressourcen maßgeblich in Bildung investiert werden. Dies kann nur durch die öffentliche Hand geschehen, die wir hiermit zum unverzüglichen Handeln auffordern. Die Illusion von sozial gerechten Bildungsgebühren muss unverzüglich zugunsten von konstruktiven Veränderungsprozessen aufgegeben werden. Gerechtigkeit kann nicht durch Sachzwänge kompensiert werden. Die drängendsten Probleme im Hochschulbereich sind neben der zunehmenden Ökonomisierung von Institutionen, Lehre und Forschung vor allem die soziale Selektivität6 und die Unterfinanzierung der Wissenschaftslandschaft in der Breite. Die Forderung nach Gebührenabschaffung resultiert jedoch nicht aus dem sogenannten Fachkräftemangel, aus der Akademisierung der Gesellschaft oder den Anforderungen an eine moderne Wissensgesellschaft. Auch die komplexen gesellschafts- und sozialpolitischen Zusammenhänge, die zur sozialen Selektivität des Bildungssystems führen, können durch die Abschaffung von Bildungsgebühren nur zu einem geringen Teil beseitigt werden. Bildungsgebühren sind vor allem abzulehnen, weil sie das unveräußerliche Recht auf Bildung in Frage stellen. Der fzs bekennt sich klar zur Bildung als Grund- und Menschenrecht, das allen zur Verfügung stehen muss. Neoliberale Steuerungsinstrumente, die die Verantwortung für die Bildungsbiographie aus den Händen der Lernenden reißen, lehnen wir ebenso ab, wie eine Beteiligung der Lernenden an den Kosten ihrer Bildung. Ob Studiengebühren „lohnen“, ob die Gebühren sinnvoll oder sinnlos eingesetzt werden, ob die Ministerien die Gebühren kompensieren oder ob aus Gebühren finanzierte Arbeitsplätze bei einer Abschaffung auf dem Spiel stehen sind in diesem Sinne nur Stellvertreter*innendebatten. Schluss mit den Scheindebatten, hin zu einer öffentlichen Ausfinanzierung des Bildungssystems.

[1] Hattinger Erklärung www.abs-bund.de/aktionsbuendnis/ hattinger-erklaerung/(Zugriff am 25.01.2013)

[2] Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR), kurz: UN-Sozialpakt, (Artikel 13.2.c)

[3] Pressemitteilung vom 10.10.2011

[4] BVerfG 2 BvF 1/03 vom 26. Januar 2005 www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen /fs20050126_2bvf000103.html, (Zugriff am 16.01.2012)

[5] WZB Discussion Paper P2011-001, S. 23

[6] Eurostudent Bericht IV: www.his.de/pdf/23//pdf/23/Eurostudent _deutsch_web.pdf, (Zugriff am 16.01.2012)