Kapazitätsrecht – HRK und KMK wollen Zugang zu Hochschulen weiter einschränken
Sandro Philippi, Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss von student*innenschaften zeigt sich besorgt: „Die angekündigte Flexibilisierung des Kapazitätsrechts könnte die Rechte von Studierenden einschränken und die Hochschulen weiter abschotten. Bereits heute kommt das deutsche Hochschulsystem seinen Aufgaben nicht nach. Eigentlich dürfte es keine Zulassungsgrenzen geben, allen Studienberechtigten müsste ein Studium offenstehen. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor 44 Jahren geurteilt, dass übergangsweise die vorhandenen Kapazitäten an Hochschulen bei der Zulassung ausgeschöpft werden müssen – bis genügend Studienplätze geschaffen sind. Dieses Gebot jedoch halten viele Hochschulen nicht ein und werden immer wieder mit großen Zahlen von Studienplatzklagen konfontiert, die das Recht auf ein Studium einfordern. Hochschulen können bereits bisher mehr Studienplätze anbieten als vorgegeben. Wenn mit den Vorschlägen von HRK und KMK das Kapazitätsrecht flexibilisiert werden soll, bedeutet das also nur eines: entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollen weniger Studienplätze und damit höhere Hürden geschaffen werden können als Kapazitäten da sind.“
Noten – Leere Versprechungen und alte Fantasien
Ben Seel, ebenfalls Vorstandsmitglied im fzs, kommentiert die Empfehlungen zur Notenvergabe: „Die Idee, den Notendruck zu reduzieren, begrüßen wir. Hier von großen Schritten zu sprechen wäre allerdings verfehlt. So wurde genau dieser Druck im Rahmen der Bolognareform erst hochgeschraubt. Die Hochschulen hätten dem politischen Wahn, wirklich alles messen und vergleichen zu wollen, nicht folgen müssen. Ob der neue Papiertiger dazu führt, dass Prüfungsordungen geändert werden, ist sehr unsicher. Dass die HRK, anstatt in den Hochschulen für eine Reduzierung des Leistungsdrucks zu sorgen, die Foderung nun der KMK unterschiebt, dürfte kein erfolg versprechendes Prinzip sein. Sorgen macht uns, dass der Zombie der „relativen Noten“ mit dem Papier wieder sein Haupt erhebt. Vergleichbarkeit bleibt eine Illusion, da niemals ein sinnvoller Maßstab gefunden werden kann. Denkbar wären Schnitte innerhalb von Kursen, Fachbereichen oder Universitäten. Warum gerade eine Grenze bei Kohorten legitim sein soll, bleibt unklar. Da Studierende immer unterschiedlich studieren, unterschiedliche Kurse mit unterschiedlichen Lehrenden besuchen und die Notenvergabe subjektiv bleibt, ist Vergleichbarkeit eine Fantasie. Relative Noten bleiben aussagelos und verschärfen lediglich das Gefühl von Konkurrenzdruck unter den Studierenden. Dieser Vorschlag bleibt Unfug, wie es selbst der Vizepräsident der HRK, Prof. Dieter Lenzen, einräumt.“
Flexibilisierung der Studiendauern – Feigenblatt für HRK und KMK
Marie Dücker, ebenfalls Vorstandsmitglied im fzs, kritisiert die Politik von HRK und KMK zur Flexibilisierung von Studiendauern: „Es ist schön, dass HRK und KRK an den starren Studiendauern rütteln möchten. Dies darf allerdings nicht zu einer noch größeren Belastung von Studierenden führen, indem Studiengänge aufgebläht werden. Dass nur 40% der Studierenden in der Regelstudienzeit ihren Abschluss erlangen, zeigt nicht nur die Absurdität dieser Vorgabe, sondern auch, dass Studiengänge in Deutschland zum Großteil schlecht studierbar sind. Wenn KMK und HRK Studierenden im Umgang mit diesem Problem wirklich helfen möchten, sollte sich die KMK für eine Entkopplung des BAföG von dieser irrsinnigen Vorgabe einsetzen und die Rektor*innen an ihren Hochschulen für eine echte Studiengangsreform sorgen. Beim gefassten Beschluss müssen wir eher befürchten, dass Flexiilisierung der Ausweg sein soll, hier nicht aktiv zu werden.“
Abschließend erklärt der fzs: „Der Vorbehalt den KMK und HRK gegenüber ECTS zeigen ist absolut berechtigt. Derzeit sagen ECTS wenig bis nichts über den Arbeitsaufwand von Studierenden aus, da dieser nie empirisch festgestellt wird. Damit ähnelt die Art, wie Hochschulen Studiengänge gestalten, eher den Weissagungen des Orakels von Delphi als wissenschaftlichen Methoden. Vor allem können für den Arbeitsaufwand allenfalls Durchschnittswerte angegeben werden. Diese sehen aber von den je unterschiedlichen Lebenssituaionen der Studierenden ab. So wird eine Norm geschaffen, die beispielsweise die zusätzlichen Belastungen von Studierenden ignoriert, die ein Angehörige versorgen, einer Erwerbsarbeit nachgehen oder sich politisch engagieren. Hinzu kommt die Kopplung von ECTS-Punkten und dem Notengewicht in Studiengängen, die den Zeitaufwand als Lernergebnis simuliert. Mit einer Abkehr von ECTS werden allerdings auch die Versprechungen aufgegeben, den Arbeitsaufwand für die Studierenden zu kontrollieren. Wäre eine echte Bemessung der durchschnittlichen Arbeitszeit umgesetzt worden, hätten sich explodierende Arbeitszeiten von Studierenden verhindern lassen, die teils 60- oder 70-Stundenwochen schieben.“