Beschlossen auf der 73. Mitgliederversammlung am 01.-03. März 2024 in Erfurt.
Der fzs spricht sich gegen Verbote geschlechtersensibler Sprache aus und setzt sich aktiv gegen sie sowie für eine demokratische, inklusive Wissenschaft und Gesellschaft ein. Entsprechende Verbote einer inklusiven Sprache an Hochschulen (wie bspw. im hessischen Koalitionsvertrag) stellen u.a. einen massiven Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar und werden daher allein aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar sein. Die sogenannten „Genderverbote“ sieht der Verband als populistisches Mittel, welches durch oftmals konservative bis rechte Parteien genutzt wird, um Zwiespalt in der Gesellschaft zu säen und Wähler*innen zu gewinnen. Verbote geschlechtersensibler Sprache sind genau das, was eine geschlechtersensible Sprache eben nicht ist: eine Sprachdiktatur, die Menschen abseits der binären Geschlechter sprachlich unsichtbar machen.
A short history of GENDERVERBOT
Immer mehr häufen sich aktuell die Nachrichten, das Landesregierungen vorhaben, ein Genderverbot in Schulen und Verwaltung zu erlassen. Bereits 2021 erließ das CDU geführte sächsische Kultusministerium ein Verbot von Sonderzeichen im Bereich der Schule und in ofiziellen Schreiben von Schulen [1]. Dieses wurde 2023 auf die komplette interne Kommunikation und die Kommunikation durch im Schulsystem kommunizierte „Dritte“ (z.B. Vereine, Verbände, …) ausgeweitet. Im selben Jahr folgte ein Genderverbot an Schulen in Sachsen Anhalt, hier durch das CDU geführte Bildungsministerium. Diese zwei Verbote betreffen nur im Sinne der Lehrer*innenbildung die Hochschulen, trafen sie jedoch noch nicht direkt.
Doch es geht weiter. In einer Rede sagte der Bayrische CSU Ministerpräsident Söder zuerst, dass man sich in der Politik wieder aufs Wesentliche konzentrieren solle, wetterte aber nur sekunden später gegen das Gendern und kündigte ein Verbot in Schule und Verwaltung an. Dieses könnte auch die Verwaltung von Hochschulen betreffen. Ein Schulterschluss von CDU, FDP und AFD in Thüringen sorgte anfang Februar diesen Jahres fast für ein weiteres Land mit Genderverbot, das jedoch durch mangelnde Anwesenheit im Ausschuss scheiterte [2]. In Hessen landete der Plan zu einem Genderverbot sogar im Rot-Schwarzen Koalitionsvertrag, hier mit dem expliziten Vermerk der öffentlich-rechtlichen Institutionen, also auch den Hochschulen.
Und warum jetzt der Mist? Haben wir nix besseres zu tun?
So viel zur Historie und Aktualität der Genderverbote. Alle beziehen sich in irgend einer Weise auf eine Entscheidung des Rat für deutsche Rechtschreibung, der sich nach Auslegung der Parteien gegen ein Gendern mit Sonderzeichen ausspricht. Doch was steht denn eigentlich in besagtem Papier [3]?
- „Es liegt in der Freiheit und der Verantwortung der Sprechenden und Schreibenden, die Verständlichkeit ihrer Äußerungen zu sichern.“
- „Sonderzeichen innerhalb von Wörtern beeinträchtigen die Verständlichkeit, die Lesbarkeit, die Vorlesbarkeit und die automatische Übersetzbarkeit sowie die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten. Diese Sonderzeichen als Bedeutungssignale innerhalb von Wörtern können nicht in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufgenommen werden, weil sie derzeit nicht wissenschaftlich eindeutig zu begründen sind. Andererseits kann der Rat nicht darüber hinwegsehen, dass Wortbinnenzeichen zur Kennzeichnung aller Geschlechter benutzt werden.“ […]
- „Das Thema geschlechtergerechte Sprache und Schreibung ist aufgrund von gesellschaftlichem Wandel und Sprachentwicklungen noch im Fluss. Um weiterführende wissenschaftliche Erkenntnisse und empirische Ergebnisse zu gewinnen, müssen Daten in größerem Umfang akquiriert und ausgewertet werden; dazu sind sprachtechnologische Arbeiten erforderlich, die die Detektion und Annotation geschlechtergerechter Schreibungen ermöglichen. Dies ist ein komplexer und aufwendiger Prozess, der in der nächsten Amtsperiode fortgesetzt werden muss.“
Der Rat deutscher Rechtschreibung kann also aktuell noch keine Empfehlung zur Nutzung von Sonderzeichen im Sinne der geschlechtergerechten Sprache geben, da es an konkreten wissenschaftlichen Beobachtungen zu diesen mangelt, erkennt aber die Nutzung dieser an und betont die Verantwortung des Individuums. Geschlechtergerechte Sprache ist laut dem Rat ein gesellschaftlicher Wandel und noch im Fluss, eine weitere Beobachtung aber notwendig, um zu einem entgültigen Schluss zu kommen. Kurzum: die Diskussion und die Debatte ist noch nicht abgeschlossen, man kann keinen einheitlichen Weg empfehlen, um geschlechtergerecht zu sprechen und zu schreiben.
Angesichts dessen sind die Verbote in den einzelnen Ländern ein Schlag ins Gesicht – sie schränken die Freiheit der Sprechenden und Schreibenden ein, verhindern eine breitere gesellschaftliche Auseinandersetzung und ziehen einen frühzeitigen Schluss einer noch nicht abgeschlossenen Debatte durch Verbote.
Das Gendervebot – ein rechts-populitischer Verkaufsschlager
Ganz zu schweigen von der Motivation der Verbote. Schaut man sich die an „Genderverboten“ beteiligten Regierungen an sieht man ganz eindeutig, dass die meisten rechts konservativ geprägt sind. Man bedient sich den populistischen Mitteln der rechtsextremen AfD, die Partei die als erstes laut Gendergaga rief, um Wähler*innen im Angesichts der Landtags- und bald auch Bundestagswahlen zu gewinnen. Eine gefährliche, sinnfreie, ideologisch völlig verblendete Annäherung an die AfD. Man spricht von Kulturkampf, einem Genderzwang den es garnicht gibt und löst ihn als freiheitsliebende Partei mit einem „Nicht-Gendern-Zwang“, wärend man in der Richtung linker Parteien die Worte Verbotspolitik schleudert. Ganz dabei vergessen wird, das hier mit nichts weniger gehandelt wird, als der Sichtbarkeit von Menschen abseits der binären Geschlechterordnung, die seit 2018 durch die Erweiterung der Personenstände endlich rechtlich anerkannt wurden. Letztlich wir der ganze Streit über geschlechtergerechte Sprache also über den Köpfen von nicht den binären Geschlechtern angehörigen Menschen ausgetragen, die in der Debatte nicht weniger zu verlieren haben als ihre Sichtbarkeit und Existenz, die ihnen in Debatten um und durch Genderverbote allzuoft aberkannt wird.
Als größter Bundesverband von Studierendenschaften müssen wir uns entschieden diesem Trend entgegenstellen und die Mitgliedsstudischaften in betroffenen Ländern unterstützen, nicht zu letzt aus Solidarität zu unseren Kommiliton*innen, die nicht den binären Geschlechtern angehören.
[2] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/genderverbot-schule-landtag-cdu-afd-100.html