Stellungnahme des fzs zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e.V. vertritt als Dachverband der Studierendenschaften in der Bundesrepublik Deutschland die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen von 1,1 Millionen Studierenden in Deutschland. Der fzs nimmt hiermit Stellung zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Absenkung der Altersgrenze beim Kindergeld von derzeit 27 auf 25 Jahre vor. Das Kindergeld als elterliche Unterstützung stellt einen wesentlichen Beitrag zur Studienfinanzierung dar. Die geplante Maßnahme wird daher massive Auswirkungen auf die finanzielle Situation von Studierenden haben. Angesichts der ohnehin prekären finanziellen Situation von Studierenden und der zusätzlich belastenden Einführung von Studiengebühren wird eine Absenkung der Altersgrenze Studierende zusätzlich belasten und darüber hinaus studienzeitverlängernde Wirkung haben. Der fzs lehnt die geplante Kürzung der Altersgrenze beim Kindergeld entschieden ab und fordert die Beibehaltung der derzeitigen Regelungen.

Kindergeld ist Studienfinanzierung

Die Studienfinanzierung in der Bundesrepublik ist elternabhängig gestaltet. Eltern sind verpflichtet, die Ausbildung ihrer Kinder bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss zu finanzieren. Eine Kürzung des Kindergeldes als Unterstützungsleistung für Eltern wird daher Auswirkungen auf die Studienfinanzierung haben. Die Unterstützung von Studierenden durch ihre Eltern bleibt nach Angaben der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes vom 20. bis zum 27. Lebensjahr konstant und nimmt erst ab dem 28. Lebensjahr deutlich ab. Das Kindergeld trägt damit wesentlich zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten von Studierenden bei.

Die Absenkung der Altersgrenze wirkt studienzeitverlängernd

Die Bundesregierung verbindet mit der geplanten Absenkung die Erwartung, Studierende zu einem zügigeren Studium zu bewegen. Dieser Interpretation kann nicht gefolgt werden; vielmehr ist ein gegenteiliger Effekt zu befürchten. Hochschulabsolventinnen und -absolventen sind durchschnittlich 28 Jahre alt. Demnach befinden sich gerade Studierende zwischen 25 und 27 Jahren in der Abschlussphase ihres Studiums. Zur Kompensierung der wegfallenden Mittel im Umfang von über 900 Euro pro Semester wären daher betroffene Studierende zu verstärkter Erwerbstätigkeit oder gar dem Abbruch ihres Studiums gezwungen. Schon heute steigt die Erwerbstätigenquote unter Studierenden im Erststudium proportional zum Alter an und liegt zwischen 71% (25 Jahre) und 77% (27 Jahre). Eine verstärkte Erwerbstätigkeit wiederum wirkt sich negativ auf die zum Studium verfügbare Zeit aus und führt in jedem Fall zu einer Studienzeitverlängerung.

Hinzu kommt, dass gerade ältere Studierende häufig aufgrund erschwerter Finanzierungsmöglichkeiten ihr Studium abbrechen müssen. Eine weitere Verschärfung der Studienfinanzierung läuft damit dem Ziel der Bundesregierung entgegen, die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen auf 40% eines Altersjahrgangs und damit zumindest auf das OECD-Mittel zu erhöhen.

Eine Studienzeitverkürzung wie sie von der Bundesregierung erwünscht wird, kann aus Sicht des fzs allenfalls durch eine Verbesserung der öffentlichen Studienfinanzierung sowie durch deutlich bessere Betreuungsverhältnisse an Hochschulen (und damit verbunden einer entsprechenden Steigerung der Hochschulausgaben) erreicht werden.

Kürzungen beim Kindergeld treffen einkommensschwache Familien

Studierende aus einkommensschwachen Familien sind stärker als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen abhängig von einer Unterstützung durch das Kindergeld. Die Unterhaltszahlungen durch die Eltern stellen bei Studierenden aus der sozialen Herkunftsgruppe „niedrig“ 27% der Gesamteinnahmen dar – damit liegt der entsprechende Anteil unter dem Anteil, den diese Studierenden aus eigener Erwerbstätigkeit (32%) bzw. durch das BAföG (30%) beziehen. Die elterlichen Zuwendungen stellen hingegen bei Studierenden aus der Herkunftsgruppe „hoch“ mit 64% an den Gesamteinnahmen den Löwenanteil dar. Studierende aus einkommensschwachen Familien sind damit proportional deutlich stärker betroffen, da ihnen neben den Zahlungen aus dem Kindergeld kaum weitere Mittel durch die Eltern zur Verfügung werden können. Da das Kindergeld nicht auf die Einkommensberechnung beim BAföG angerechnet wird, ist eine Kompensierung der wegfallenden Mittel etwa durch öffentliche Studienförderung nicht möglich.

Hinzu kommt, dass gerade Studierende sozial schwacher Herkunft ihr Studium durchschnittlich 3,3 Monate später als Studierende aus der hohen sozialen Herkunftsgruppe aufnehmen. Dies hängt wesentlich mit den variierenden Bildungswegen von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen. Menschen aus der sozialen Herkunftsgruppe „schwach“ neigen eher dazu, vor der Aufnahme eines Studiums eine Berufsausbildung zu absolvieren.

Die Absenkung der Altersgrenze trifft Menschen ohne gradlinigen Bildungsverlauf

Insbesondere jene Studierenden, die keine „Normalbiogafie“ aufweisen können, weil sie etwa über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule gekommen sind oder vor Studienbeginn eine Berufsausbildung gemacht haben, wären von einer Absenkung der Altersgrenze massiv betroffen. Studienanfängerinnen und -anfänger, die zuvor eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, sind im Schnitt 35 Monate älter als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die einen gradlinigen Bildungsverlauf vorweisen können. Auch Studienfachwechsel oder – im Kontext des Bologna-Prozesses ausdrücklich erwünschte – Auslandsaufenthalte wirken studienzeitverzögernd und erschweren bei einer Absenkung der Altersgrenze die finanzielle Situation von Studierenden, indem die Altersgrenze nun schneller erreicht wird als bislang.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt in keiner Weise alternative Bildungswege. Damit widerspricht er auch dem Ziel der Durchsetzung tatsächlicher Chancengleichheit beim Hochschulzugang.

Der fzs lehnt den Gesetzentwurf aus den dargelegten Gründen ab und fordert Bundesregierung und Bundesrat dazu auf, an den bestehenden Regelungen zum Kindergeld festzuhalten. Gleichzeitig hält der fzs an seiner Forderung nach einer elternunabhängigen Studienfinanzierung als Zuschuss fest. Elterunabhängige Studienfinanzierung ist ein wesentlicher Schlüssel zur Durchsetzung von Chancengleichheit und einer Erhöhung der AbsolventInnenzahlen in der Bundesrepublik.