Wir wehren uns entschlossen gegen die Einführung von Studiengebühren von zunächst 100 DM pro Semester und StudentIn unter dem Deckmantel von „Verwaltungsbeitragsgebühren“ und gegen die vom Kabinett beschlossenen unsozialen Kürzungen bei der Finanzierung von Kindertagesstätten, Jugendheimen und Volkshochschulen sowie beim Blindengeld und im kulturellen Bereich. Gleichermaßen verurteilen wir die umweltpolitischen Rückschritte, die durch den Wegfall des Jobtickets für Landesangestellte und die Streichungen beim Radwegebau vollzogen werden. Durch die Sparmaßnahmen im Doppelhaushalt wird die finanzielle Lage von StudentInnen und sozial Benachteiligten verschlechtert.
Die Landesregierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Glogowski gibt vor, die Gebühren zur Deckung der Kosten für die akademischen Auslandsämter, für Immatrikulations-, Prüfungs- und PraktikantInnenämter sowie für die Studienberatung zu verwenden. Tatsächlich wird das von den StudentInnen gezahlte Geld in den Landeshaushalt fließen, wie dies schon in Berlin und Baden Württemberg geschehen ist. Darüber hinaus würde sich die schlechte Situation an den Hochschulen durch die Erhebung von Studiengebühren, selbst wenn ihnen die Gelder zugute kämen, nicht verbessern, da die Verteilung der Finanzmittel allein in den Händen der ProfessorInnenschaft liegt und nicht die Interessen aller Mitglieder der Hochschulen berücksichtigt werden.
Wir lehnen Studiengebühren aller Art grundsätzlich ab.
Wir sind uns aber darüber im Klaren, daß die Erhebung von Studiengebühren ein Teil der schleichenden Einführung eines neuen Bildungskonzeptes ist, welches wir grundweg ablehnen. Es soll nach Meinung der verantwortlichen PolitikerInnen ein System entstehen, in dem sich die Funktion der Hochschule an wirtschaftlichen Kriterien orientiert. Durch Haushaltskürzungen, Effizienzdiktate, Wettbewerbs- und Standortsmetaphorik die erforderliche ergebnisoffene bildungs- und hochschulpolitische Meinungsbildung überlagert, d. h. daß zusätzlich zu den finanziellen Belastungen, die auf die StudentInnen zukommen, sie auch im Bereich von Forschung und Lehre den letzten Rest an Mitbestimmung verlieren. Im Endeffekt müssen sich die StudentInnen ihre Arbeitsmarktqualifikation erkaufen, was soziale Selektion zur Folge hat.
Ein anzustrebendes Bildungskonzept, daß neben fachspezifischen Inhalten Kritikfähigkeit vermitteln will, wird systematisch verhindert.
Wir sind uns bewußt und werden durch die Landespolitik darin bestätigt, daß die 100 DM nur der Anfang für eine nahezu vollständige Privatfinanzierung des Hochschulstudiums ist. Der Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen SPD Gabriel „will den Studenten weitere Dienstleistungen der Hochschulen in Rechnung stellen“ (NP 9.11.). Der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Oppermann schließt Studiengebühren von 1000 DM in Zukunft nicht aus.
Wenn trotz des Wahlversprechens und des festgeschriebenen rot-grünen Koalitionsvorhabens, „Studiengebühren bundesweit auszuschließen“, nun die Landespartei des Kanzlers Schröder Studiengebühren einführt, beweist die Parteipolitik ihre Unglaubwürdigkeit.
Wir fordern die niedersächsischen MandatsträgerInnen deshalb auf, die Einführung von Studiengebühren und die Umsetzung der anderen unsozialen Kabinettsbeschlüsse zu verhindern. Wir unterstützen das Vorhaben der Bundesbildungsministerin Bulmahn, Studiengebühren jeglicher Art bundesweit zu verbieten und fordern die sofortige Umsetzung im neuen Hochschulrahmengesetz.
Beschlossen von der 11. MV in München, November 1998