StudentInnenstreik in Mexiko – gegen Gebühren und Neoliberalismus

Am 20. April diesen Jahres beschlossen sie den unbefristeten Streik. Die StudentInnen reagierten damit auf die im Februar bekannt gewordenen Reformpläne des Rektors, der eine Erhöhung der Studiengebühren von derzeit zwanzig Centavos (fünf Pfennig) auf 2040 Pesos (510 Mark vorgeschlagen hatte.

Zusätzlich sollten Laboreinrichtungen ermächtigt werden, Nutzungsgebühren zu erheben. Damit sollten Forderungen der Weltbank und der OECD umgesetzt werden, die seit langem eine stärkere Ausrichtung an der Wirtschaft und eine Erhöhung der Gebühren fordern, um das Bildungsbudget des Landes zu kürzen. Der Vorschlag wurde trotz Warnstreiks und Demonstrationen vom Universitätsrat beschlossen.

Vier Tage nach dem Beginn des Streiks gab es die erste Massendemonstration von über 100.000 StudentInnen in Mexiko Stadt, die von vielen weiteren Massenprotesten gefolgt wurde, ein allgemeiner Streikrat wurde eingerichtet, der die Entscheidungen traf. Die StudentInnen protestieren aber nicht nur gegen die Gebühren sondern auch gegen die allgemeine politische Lage in Mexiko und die autokratischen Züge der Regierung, die in den vergangenen Jahren immer stärkere neoliberale Umstrukturierungen vorgenommen hat.

Dadurch folgte auch bald ein Schulterschluß mit ArbeiterInnenbewegungen, zum Beispiel die Gewerkschaft der Stromarbeiter SME und auch die technischen Angestellten der Universität. Auch die zapatistische EZLN und ihr Führer Subcommandante Marcos solidarisierte sich mit den Streikenden. Ein strategischer Schachzug des Rektors brachte den StudentInnen die ersten Probleme. Er schlug vor, daß die Gebühren freiwillig sein sollten. Die StudentInnen weiteten daraufhin ihre Forderungen aus. Sie erstellten ein sechs Punkte Programm, welches die Demokratisierung der Universität forderte, sowie ein Gremium, welches unter Beteiligung aller Statusgruppen die Probleme und Zukunftsvisionen der UNAM diskutieren sollte. Daneben gab es einen Vorschlag emeritierter Professoren, der als Kompromiß gedacht war. Beide Vorschläge wurden von den StudentInnen abgelehnt. Dadurch ergab sich, daß die konservative Regierungspresse die StudentInnen zunehmend öffentlich diskreditierte und die Opposition ein Eingreifen von Polizei und Armee forderte. Die Bewegung radikalisierte sich zunächst und es kam immer häufiger zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Staatsmacht. Außerdem traten zunehmend Spannungen innerhalb der StudentInnen auf.

Es bildeten sich zwei Lager; die einen wollten mit der Universitätsleitung verhandeln und die Vorbedingung des Streik zu beenden befolgen, die anderen lehnten nach wie vor jede Verhandlung ab. Zudem kommt es derzeit zu immer stärkeren Grabenkämpfen ideologischer Natur. TrotzkistInnen, LeninistInnen, MarxistInnen, StalinistInnen und diverse Splittergruppen werfen sich gegenseitig vor, die Regierung zu unterstützen und von Agenten der Regierung gesteuert zu sein. Die Grabenkämpfe führen immer mehr dazu, daß eine Zusammenarbeit unmöglich zu werden droht.

Zusätzlich steigt die Angst vor einer gewaltsamen Räumung der Universität durch die Streitkräfte, ungeachtet der Tatsache, daß es für die Regierung ein Debakel wäre, das Massaker der Proteste von 1968 zu wiederholen. Die Entwicklung in Mexiko zeigt, daß StudentInnen weltweit gegen die Durchsetzung der neoliberalen Ideologie kämpfen. Die Probleme, gegen die auch wir in Deutschland kämpfen wie Studiengebühren und Privatisierung sind weltweit Verursacher von Protesten und Kämpfen.

Trotz der Vorbehalte, die wir gegenüber den ideologischen Konflikten und der zunehmend drohenden Spaltung der Bewegung haben, erklären wir uns in Anbetracht der internationalen Solidarität unter StudentInnen mit den Zielen der Streikenden solidarisch. Wir teilen ihren Protest gegen Studiengebühren und die radikale Durchsetzung eines turbokapitalistischen Neoliberalismus und hoffen, daß sie in diesem für Mexiko und Lateinamerika historischen Kampf gegen ein immer unmenschlicher werdendes System einen Erfolg davontragen werden.

Beschlossen von der 15. MV in Paderborn, November 1999