Privatisierung im Schulbereich

Der fzs verurteilt die stärker werdenden Privatisierungstendenzen im Bildungswesen, die sich nicht nur im Hochschul-, sondern bereits im Schulbereich zeigen. Er fordert den gebührenfreien Kinderkrippen-, Kindergarten-, Schul- und Hochschulbesuch für Alle. Gegenwärtig erschweren jedoch versteckte, getarnte und mitlaufende Gebühren den freien Zugang zur Bildung. Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung müssen auch bereits im Schulbereich gesellschaftliche Verhältnisse dahingehend geändert werden, dass Kindern und Jugendlichen ohne Ausnahme ein freier und gleichberechtigter Schulbesuch gewährleistet wird.

Schulbücher und Lernmittelfreiheit

In vielen Bundesländern müssen bereits Kosten für Lernmittel von Lernenden oder ihren Eltern getragen werden. Schülerinnen und Schüler, deren finanzielle Ressourcen eine Anschaffung von Schulmaterialien nicht oder erst verspätet erlauben, haben in der Folge unter schlechteren Lernbedingungen zu leiden. Zudem wird ihre wirtschaftliche Lage deutlich, was zu Ausgrenzung oder sogar Stigmatisierung führen kann.

Nicht zuletzt da solche Materialienkosten unzureichend in den Sätzen von Transferleistungen nach dem Sozialgesetzbuch inbegriffen sind, muss ihre Anschaffung durch öffentliche Mittel gewährleistet werden. Der fzs kritisiert die derzeitige Praxis und fordert eine tatsächliche Unentgeltlichkeit des Schulbesuchs. Die notwendigen Materialien für den Unterrichtsbesuch müssen aus öffentlicher Hand bereitgestellt werden. Der Besuch einer öffentlichen Schule muss ohne zusätzliche Kosten möglich sein. Dies bedeutet auch, dass die Beförderung zur Schule durch öffentliche Verkehrsmittel keine zusätzlichen Kosten verursachen darf.

Nachhilfe als Ausdruck struktureller Probleme der Schule

Durch die Unterfinanzierung der öffentlichen Schulen haben sich die Lernbedingungen in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Doch nicht nur die Unterfinanzierung ist ein Problem. Zu viele Schülerinnen und Schüler erhalten in der Schule nicht die Aufmerksamkeit und Förderung, die sie brauchen und verdienen.

Viele Schülerinnen und Schüler können aus vielfältigen Gründen dem Unterricht nicht folgen: einige, weil sie ein anderes Unterrichtsumfeld zum eigenen Vorankommen bräuchten, andere, weil sie in verschiedener Weise über- oder unterfordert sind.

Das einzelne Kind wird nicht als Individuum wahrgenommen und gefördert, sondern als Teil einer zu unterrichtenden Schulklasse. Nicht eben diese Probleme werden gesehen, vielmehr findet das statt, was in der Kritischen Psychologie als „Personalisierung“ bezeichnet wird (Morus Markard): die Umdeutung gesellschaftlicher Beschränkungen in individuelle Beschränktheiten; Damit ihre Kinder in der Schule ‚mitkommen‘, sehen sich viele Eltern inzwischen gezwungen, auf kostenpflichtige Nachhilfe zurückzugreifen; diese soll auffangen, was von der Schule alltäglich versäumt wird.

Nachhilfe als Faktor der Privatisierung der Schule

Neuere Studien bestätigen den wachsenden Trend zur privaten bezahlten Nachhilfe (Dohmen 2008). Sie wird verstärkt von Kindern „konsumiert“, die bereits gute Leistungen erbringen und noch bessere Noten erzielen wollen – nicht versetzungsgefährdete SchülerInnen sind die typischen Nachhilfe-KlientInnen. Nachhilfe wird damit zum lukrativen Geschäft und von einer Unterstützung derer, die sie brauchen, weil die Schule sie in ihrem Lernen behindert, kann kaum noch die Rede sein.

Der Bedarf an Nachhilfe erzeugt einen Markt an Nachhilfe-Angeboten privater AnbieterInnen, deren Inanspruchnahme privat finanziert werden muss – was de facto eine teilweise Privatisierung des Schulbereichs darstellt.

Zugleich bleibt die Nachhilfe – bei Kosten von durchschnittlich 1500 Euro im Jahr – damit Kindern aus ärmeren Familien vorenthalten. Während 30% der Kinder im oberen Einkommensviertel Nachhilfe erhalten, sind es nur noch 15% im unteren Einkommensviertel. Strukturelle Schwächen der Schule und wirtschaftliche Benachteiligung verstärken sich gegenseitig. Schule wie Nachhilfe bevorteiligen hier wirtschaftlich Bessergestellte und Kinder aus bildungsnahen Schichten.

Schulische Aktivitäten

Schule umfasst nicht nur Fachunterricht. So sind etwa Klassenfahrten oder z.B. Theaterbesuche für die Entwicklung einer Klassengemeinschaft wertvoll und eine Bereicherung des Schulalltags. Die Teilnahme wird, wenn nicht ohnehin Pflicht, durch sozialen Druck eingefordert. Für die Pflichtteilnahme an Exkursionen, für Klassen- und Kursfahrten werden oft Gelder erhoben, die über kleine, verträgliche Beträge hinausgehen. Familien mit geringem Einkommen müssen dafür aber Opfer bringen oder sich gar verschulden. Die von Elternvereinen angebotenen Hilfen sind oft unzureichend und verstärken die oft ohnehin schon vorhandenen Ausgrenzungen. Gleiches gilt für die Kosten für die im Rahmen der Ganztagsschule bundesweit zunehmend angebotene Mittagsverpflegung. Die Einführung von Formen der Ganztagsschule* wirft somit neue Probleme auf: Anstatt die soziale Kluft zu schließen, werden soziale Unterschiede vielfach noch verstärkt.

Länder und Kommunen müssen daher ihrer Verpflichtung wieder stärker nachkommen und dafür sorgen, dass die Kosten der Schulaktivitäten nicht unter den MitschülerInnen zum sozialen Stigma der finanziellen Schwäche führen können. Sekundäre finanzielle Faktoren dürfen außerdem nicht auschlaggebend für die Entscheidung für eine Ganztagsschule sein, die Möglichkeit des Besuchs der gewünschten öffentlichen Schulform muss gewährleistet werden.

Der fzs fordert, dass der Schulbesuch auch faktisch von der persönlichen finanziellen Situation unabhängig sein und allen Kindern ein tatsächlich freier Zugang zur Bildung garantiert werden muss. Dies gilt nicht nur für offizielle Schulgebühren, sondern auch und insbesondere für versteckte, getarnte und mitlaufende Gebühren, die sich im Schulalltag ergeben. Die Unterfinanzierung des öffentlichen Schulwesens darf nicht auf Kosten der Privathaushalte eine stärkere Privatisierung der Bildung bedeuten.

* Momentan besteht keine Einigkeit in der Öffentlichkeit, was genau unter Ganztagsschule verstanden wird.