Exzellenzinitiative abschaffen!

Was bisher geschah – Exzellenzinitiative Teil 1

Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Erwartungen, amerikanische Eliteuniversitäten wie Harvard innerhalb weniger Jahre mit ein paar Millionen Euro kopieren zu können, waren von vorne herein unrealistisch. Aus Sicht des fzs waren diese Erwartungen auch vollumfassend unangebracht – vielmehr muss es immer das Ziel sein, dass sowohl Lehre als auch Forschung an allen Hochschulen ausfinanziert sind. Insbesondere Forschungsgelder sind immer stärker wettbewerblich verteilt worden, diese Tendenz hat die Exzellenzinitiative auf die Spitze getrieben. Der Verlauf der Exzellenzinitiative zeigt, dass die Ziele der Politik, international ausstrahlende Forschungsleuchttürme zu schaffen, nicht einmal annähernd erreicht wurden. KritikerInnen der Exzellenzinitiative wurden in der Vermutung bestätigt, dass die Milliarden größtenteils verpufft sind. Weder konnten die so genannten Eliteuniversitäten im Bereich der Spitzenforschung nennenswert mehr oder bessere Forschungsergebnisse erzielen noch zittert Harvard vor dem internationalen Renommee des Exzellenzclusters an der Universität Göttingen. Stattdessen fand eine weitere, fatale Verschiebung von einer breiten Forschungslandschaft hin zu einer Konzentration auf weniger Forschungsbereiche – in den meisten Fällen gerade auf die wirtschaftlich kurzfristig verwertbaren, statt. Die Tatsache, dass man sich inzwischen geeinigt hat, nach der 2. Runde der Exzellenzinitiative diese nicht mehr fortzusetzen, zeigt deutlich, dass auch die handelnden AkteurInnen begriffen haben, dass ihr Konzept gescheitert ist. Umso mehr bestärkt uns dies in der Auffassung, dass das Konzept der letzten Jahre, Stärken zu stärken, fehlgeleitet war – die Ausstattung der breiten Masse an Hochschulen hat noch deutlich mehr gelitten als in den Jahren vor der Exzellenzinitiative. Wenn es Gelder zu verteilen gab, wurden sie stets mit hoher Priorität für wenig nachhaltige Projekte in Exzellenzhochschulen gesteckt. Der oft als notwendig und hilfreich deklarierte Wettbewerbsgedanke bei der Auswahl der Elitehochschulen hat sich – wie zu vermuten war – auch im Nachhinein als Alibi-Veranstaltung herausgestellt. Es haben genau die Hochschulen in der Exzellenzinitiative gewonnen, die auch bereits in den Jahren zuvor die meisten DFG-Mittel für sich vereinnahmen konnten. Im Prinzip hatten unter den absolut ungleichen Startbedingungen von den ca. 350 deutschen Hochschulen 95% von vornherein keine Chance mitzuhalten. Für das Bewerbungsverfahren wurde ein vollkommen übertriebener Aufwand gefahren, der oftmals zum Nachteil der Studierenden wurde. Wenn Vorlesungen ausfallen, weil HochschullehrerInnen mit dem Schreiben von Exzellenz-Anträgen beschäftigt sind, um hinterher sagen zu können, dass die ohnehin schon feststehenden Siegerinnen der Exzellenzinitiative sich in einem Pseudo-Wettbewerb durchgesetzt haben, hat das endgültig nichts mehr mit sinnvoller Förderung der Hochschulen zu tun, sondern ist Vergeudung von Lehrpersonal und damit reine Selbstbeschäftigung.

Runde zwei: neuer „Wettbewerb“ unter noch verzerrteren Bedingungen

Nachdem nun fünf Jahre lang neun angebliche Elite-Hochschulen in Deutschland (die ohnehin jährlich mit den meisten Forschungsgeldern ausgestattet werden) weitere hohe Summen zur Profilierung ihrer Spitzenforschungsbereiche erhalten haben, startet man allen Ernstes einen neuen „Wettbewerb“ unter allen Hochschulen in Deutschland um die Frage, welche Hochschulen wohl das beste Profil in der Spitzenforschung haben. Diese Runde hat also noch ungleichere Startchancen als die erste – es ist noch klarer, wer diesmal gewinnen wird und es drängt sich sicher nicht nur dem Dachverband der Studierendenvertretungen der Eindruck auf, dass man sich diesen Aufwand sparen kann. Die bisherigen „Elite-Unis“ sind natürlich die ganz klaren Favoriten in der zweiten Runde. Vermutlich wird es zur Demonstration, wie funktionierend der Wettbewerb im Hochschulbereich ist, ein Bauernopfer unter den bisherigen Siegern geben, aber im Grunde werden auch nach dieser Runde die bisherigen Exzellenzhochschulen die Millionen wieder im Haushalt einplanen können. Wie sehr ein solcher „Wettbewerb“ hinkt, verdeutlicht exemplarisch sehr schön das einige Länder (z. B. Niedersachsen und Brandenburg). So bekommen einige Universitäten vom Land eine erhebliche Finanzspritze, wenn sie sich bei der Exzellenzinitiative bewerben, angeblich um den Aufwand für das Bewerbungsverfahren zu kompensieren. Klar ist jedoch das Ansinnen der Wissenschaftsministerien, Geld sparen zu können. Je mehr Millionen die Hochschulen vom Bund abgreifen können, desto weniger müssen die Länder in den nächsten fünf Jahren investieren. Und wenn man auf diese Weise für mehr und bessere Bewerbungen sorgen kann, rechnet sich dies für diese Länder. Aber den angeblich so wissenschaftlichen und fairen Wettbewerb unter den Hochschulen, führen diese Länder erneut ad absurdum.

Warum lehren, wenn es sich doch viel „exzellenter“ forschen lässt?

Forschung und Lehre sollten an unseren Hochschulen aufeinander abgestimmt stattfinden. Dabei stellt sich die Frage im Raum, wenn die Forschung über die Exzellenzinitiative zusätzliche Milliarden erhält, warum bekommt dann nicht auch die Lehre zusätzliche Milliarden? Bisher wurden der Lehre dringend notwendige Ausgaben jedoch vorenthalten. Lediglich über den Hochschulpakt wurden zusätzliche Studienplätze geschaffen, dies hebt aber nicht einmal die Lehre auf ein Mindestmaß an Erträglichkeit, was etwa die Betreuungsrelation und die Ausstattung der Hochschulen betrifft. „Zwei Milliarden mehr für die Lehre!“, tönte Bundesbildungsministerin Annette Schavan immer wieder und bezog sich damit auf das gesamte nächste Jahrzehnt. Der Wissenschaftsrat, der noch sehr zurückhaltend jährliche Sofortinvestitionen anmahnt, um Mindestanforderungen zu erfüllen und dabei noch nicht einmal die Fachhochschulen mit einkalkuliert, fordert jährlich 1,1 Milliarden. Im Vergleich dazu ist die Summe der Bundesregierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem ist die Bundesregierung sich nicht zu schade, längst eingestellte Gelder, die bisher nicht als Bildungsausgaben galten, nun als solche zu deklarieren und damit angeblich einen Aufwuchs zu produzieren. Laut Koalitionsvertrag stehen sogar diese Minimalausgaben noch unter Finanzierungsvorbehalt.

Die „studifreundliche“ zweite Runde der Exzellenzinitiative?

Die Exzellenzinitiative blendet neben einer allgemeinen Ungleichbehandlung der Hochschulen vor allem Studierende aus. Es ist jedoch elementarer Bestandteil des Studiums, dass Studierende schon ab dem ersten Semesterforschend lernen können und im Laufe eines jeden Studiengangs in den Forschungsbetrieb involviert werden. Zwar gilt seit 2010 auch die forschungsbezogene Lehre als Kriterium für eine Bewerbung und die Hochschulen, sollen in der Bewerbung nachweisen, dass sie Auswirkungen der Zukunftskonzepte auf die Lehre einbeziehen, wenn aber hinterher nichts in die Lehre investiert wird, entpuppt sich dies als reines Alibi-Kriterium. Auf diese Kritik wird nun in der zweiten Rundeteilweise versucht einzugehen, indem man erwägt, vereinzelte Angebote in die Elitekonzepte mit aufzunehmen, die für Studierende offen sind. Forschungsseminare oder eigenständiges studentisches Forschen sind aber Ausnahmeerscheinungen in der deutschen Hochschullandschaft. Damit wird die Exzellenzinitiative weder studierendenfreundlich noch gerecht und bedarfsorientiert, wenn man die gesamte Hochschullandschaft im Blick hat. Durch ein paar Bonbons für einzelne Studierende an einzelnen Elitehochschulen wird die Initiative als Ganzes nicht besser. Vielmehr wird versucht, damit kritische Studierende „ruhig zu stellen“ mit dem Hinweis darauf, dass ja auch studentische Bedürfnisse bedacht würden. Ein weiterer Kritikpunkt vieler Studierender ist der hohe Verwaltungsaufwand und die Zeit, welche Lehrende benötigen, um Anträge zustellen, die dann zu Veranstaltungsausfall oder Vertretungen führten. Hier wird den Studierenden entweder weiter vermittelt, dass dies in Kauf zu nehmen sei, da die Exzellenzinitiative nun mal Priorität gegenüber der Lehre habe. Einige Hochschulen greifen diese Kritik aber auf und verkünden, dass es diesmal keinen Ausfall mehr geben werde. Jedoch hat der Aufwand nicht abgenommen und es ist nicht ersichtlich, wie dieser aufgefangen werden soll. Selbst wenn Landesregierungen hierfür extra Mittel zur Verfügung stellen oder die Hochschulen kurzfristig umverteilen, so bleibt aus studentischer Sicht zu kritisieren, dass diese Mittel besser direkt in eine gute Lehre und Forschung investiert werden sollten als in Kompensationen für das Schreiben von Anträgen. Schließlich wird den Studierenden das Exzellenz-Siegel als Plus verkauft, das sich gut auf ihrem Lebenslauf macht. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob ein Elite-Siegel auf dem Zeugnis bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschafft, zumal die Kriterien für Exzellenz subjektiv und politisch gewollt sind. Und da die Exzellenzinitiative explizit keinerlei positive (sondern eher negative) Auswirkungen auf die Lehre hat, da sie nur forschungsbezogen ist, können folglich gar keine besseren AbsolventInnen dabei herauskommen, da die Exzellenz ohnehin an Studierenden vorbei geht. Nicht selten wird auf Studierende Druck gemacht, sie würden sich gegen die eigene Hochschule stellen, wenn sie sich bei der Exzellenzinitiative bewirbt. Hiermit wird eine grundsätzliche Diskussion über die Exzellenzinitiative als Mittelverteilungssystem jedoch abgewürgt.

Fazit

Der fzs kritisiert die Weiterführung der Exzellenzinitiative aufs Schärfste und fordert ein Umdenken in Bund und Ländern in der Hochschul- und Forschungsfinanzierung.

Daher fordert der fzs:
– Statt der wettbewerblichen Mittelverteilung muss eine bedarfsorientierte Grundfinanzierung erfolgen. Insbesondere sind Kompensationszahlungen für diejenigen Hochschulen notwenig, die in den letzten Jahren weniger Forschungsgelder erhalten haben.
– Der Bund benötigt dazu wieder mehr Kompetenzen und Verantwortung in der Hochschulfinanzierung, die Föderalismusreform muss hier zurückgedreht werden.
– Ein Investitionsprogramm in die Lehre an den Hochschulen ist notwendig, das mindestens die vom Wissenschaftsrat geforderten 1,1 Milliarden zuzüglich gleichwertigen Zahlungen an die Fachhochschulen beinhaltet.
– Deutschland muss die Forschungs- und Bildungsausgaben generell erhöhen, anstatt verknappte Mittel wettbewerblich zu verteilen. Im OECD-Vergleich ist Deutschland ein Schlusslicht, diesen Missstand gilt es zu beseitigen.