Employability als Teil eines weiten Bildungsbegriffs

1. Verhältnis von Employability zum Bildungsbegriff Employability ist eines der Elemente der europäischen Bildungspolitik und ist als eines der Ziele im Bologna-Prozess und der Lissabon-Strategie verankert. Ein Studium soll zu Wissen, der Fähigkeit zum Wissenserwerb, gesellschaftlicher Verantwortung und zur Persönlichkeitsentwicklung führen. Die primäre Fähigkeit, die sich aus Bildung ergibt, ist das selbstständige Denken und Handeln. Die Steigerung der Employability verstehen wir als die Fähigkeit und Möglichkeit, am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Employability ist kein Ziel des Studiums. Employability sollte sich aus den Zielen eines Studiums ergeben.

2. Folgen des weiten Bildungsbegriffs für Hochschulen und Gesellschaft Eigenständigkeit ermöglicht, gesellschaftliche Aufgaben wahrzunehmen und diese demokratisch und auf Teilhabe bezogen gestalten zu können. Die Vorbereitung auf eine aktive gesellschaftliche Partizipation wird durch den oben skizzierten Bildungsbegriff ermöglicht. Die Hochschulen werden auf diese Weise zu einem integrativen Ort für Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen. Hier kann der Umgang mit Unterschiedlichkeit und gemeinschaftlichem Arbeiten gelernt werden. Durch das so entstandene Verständnis für alternative Ideen und die Auseinandersetzung mit ihnen wird die Möglichkeit geschaffen, gleichzeitig produktive Lösungen für gesellschaftliche Interessenkonflikte zu finden und die eigene Position zu schärfen. Dafür ist ein offener Zugang ohne soziale Selektion zum Bildungssystem nötig. Die Möglichkeit zum Wissenserwerb, zur Ausbildung der Kompetenz des Wissenserwerbs und der Persönlichkeitsentwicklung darf nicht vom sozialen, finanziellen oder körperlichen Status der Studierenden abhängen. Nur durch einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung kann eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft erreicht werden. Für die*den Einzelne*n erfordert dies auch die Bereitschaft, sich eigenständiges Denkens anzueignen und Handlungsspielraum nutzen zu wollen. Erst aus dieser Eigenständigkeit erwächst die Fähigkeit, sich sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch hinsichtlich des Arbeitsmarktes zu positionieren und Einfluss auf beide zu nehmen.

3. Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Hochschule Employability ist ein Handlungsstrang von vielen im Bologna- Prozess. Keiner der Handlungsstränge kann einzeln betrachtet werden, denn alle Handlungsstränge beeinflussen sich gegenseitig maßgeblich. Die Aufnahme eines Studiums vor, nach oder während einer Beschäftigung bedeutet unweigerlich, dass man im Einfluss dieser steht. Mit den im Studium erlangten Kompetenzen werden Studierende ihren zu ergreifenden Beruf beeinflussen. Ein Studium losgelöst vom Umfeld kann es nicht geben. Die Einflüsse in beide Richtungen müssen bewusst gelebt werden und sind dabei nur denkbar, wenn der Austausch immer in beide Richtungen stattfindet, beziehungsweise gedacht wird. Dabei ist zu beachteten, dass das Studium immer (zusätzlich) im gesellschaftlichen Rahmen zu betrachten ist. Die Fähigkeit, eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen, bedeutet einerseits, für sich selbst zu definieren, für welche Beschäftigung man qualifiziert ist; andererseits, zu beurteilen in welchem Verhältnis man sich zu Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft definieren möchte.

4. Nötige Weichenstellungen durch die Hochschulen Zur Verwirklichung des weiten Bildungsbegriffs sind folgende Weichenstellungen durch die Hochschulen notwendig: Flexibles Studium Unter dem flexiblen Studium ist ein Studium mit einer größeren Wahlfreiheit zu verstehen, welches hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs freier gestaltet werden kann. Hierfür ist es unbedingt erforderlich, dass man sein Studium den Anforderungen außerhalb des Studiums (z.B. der Familie oder der Arbeit) anpassen kann. Berufsbegleitendes Studium Studierende sollten die Wahl haben, wie sie studieren wollen. Hierzu gehört explizit auch die Berufstätigkeit von Studierenden. Die Entscheidung von Studierenden neben dem Studium berufstätig zu sein oder neben dem Beruf zu studieren, darf nicht von der Seiten der Hochschule durch ein restriktives, starres Studiensystem behindert werden. Soziale Offenheit, Abbau von Zugangshürden Um sich auf eine selbstbestimmte Zukunft vorzubereiten, ist die Selbstbestimmung im Studium essenziell. Auch an dieser Stelle bekräftigt der fzs seine Forderung nach einem selbstbestimmten Studium ohne Pflichtveranstaltungen und mit der Möglichkeit, eigene Interessensschwerpunkte zu setzen. Selbstorganisation unterstützen Zusätzlich sollte die Hochschule den Studierenden den Raum geben, ihre Fähigkeiten zur Organisation und Selbstverwaltung zu erproben. Auch im Hinblick auf Employability kann nicht auf das Vertrauen in die Selbstorganisation der Studierenden verzichtet werden. Das Vertrauen in die Fähigkeit der Selbstorganisation der Studierenden gilt auch im Hinblick auf Anwesenheitspflichten und Prüfungsvorleistungen: Verantwortung für das eigene Handeln sollte nicht durch Verpflichtungen, sondern aus der freiwilligen Erkenntnis von Notwendigem entstehen. Lebenslanges Lernen Die Bildung des Individuums endet nicht mit dem Hochschulabschluss. Die Möglichkeit zum Lebenslangen Lernen muss durch die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt und die Hochschulen ausgebaut und als Selbstverständlichkeit anerkannt werden. Anerkennung Beruf-Studium Die Hochschulen müssen darauf ausgerichtet sein, Individuuen mit einem berufsqualifizierten Abschluss die Möglichkeit zu bieten, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Dabei ist eine intensive Betreuung und Unterstützung für diese zur Verfügung zu stellen, um die Umstellung der Lebenssituation zu erleichtern. Grundsätzlich müssen die Fähigkeiten und das Wissen aus beruflicher Bildung an der Hochschule anerkannt werden.

5. Nötige Weichenstellungen durch den Arbeitsmarkt Zur Verwirklichung des weiteren Bildungsbegriffs sind folgende Weichenstellung durch den Arbeitsmarkt notwendig: Verhältnis Hochschule und Arbeitsmarkt Ein Hochschulstudium ist keine Berufsausbildung. Es geht vielmehr um die persönliche Entwicklung der Studierenden. Die Hochschulen sollten den Studierenden dabei die Möglichkeit bieten, sich unabhängig vom Wettbewerbsdruck auszuprobieren. In einem geschützten Rahmen sollte dazu ein Raum geschaffen werden, in dem aus einem möglichen Scheitern für Studierende die Kenntnis ihrer Stärken und Schwächen resultiert (Try-and-error-Prinzip). Bedauerlicherweise sind solche Räume in der Kooperation von Hochschule und Arbeitsmarkt derzeit nicht vorgesehen. Es wäre wünschenswert, dem*der Studierenden während eines Hochschulstudiums erste Einblicke in den Arbeitsmarkt zu gewähren, ohne dabei die Autonomie der Hochschulbildung zu gefährden und dabei jegliche Einflussnahme des Arbeitsmarktes auf die Inhalte der Lehre und Forschung zu vermeiden. Befähigung der Studierenden zum*zur Arbeitgeber*in Die Betrachtung von Arbeitsmarkt und Studierenden darf nicht auf Studierende als Arbeitnehmer*innen verkürzt werden. Mit der Forderung, die Hochschulbildung nicht als Berufsausbildung zu betrachten. Die im Studium erlernten Fähigkeiten sind nicht nur fachlicher Natur, sondern befähigen auch weiterhin zur selbstständigen unabhängigen Beschäftigung. Absolvent*innen mit Arbeitgeber*innenverantwortung sollen ihre Möglichkeiten nutzen, den Arbeitsmarkt nach ihren Fähigkeiten sozial gerecht zu gestalten. Bestehende Erfahrungen aus Studium und Beruf sollen dabei den nachfolgenden Studierenden zur Verfügung gestellt werden, um Möglichkeiten aufzuzeigen. Anerkennung Studium-Beruf Die Abschlüsse und Fähigkeiten die durch ein Hochschulstudium erlangt werden, müssen in der beruflichen Bildung anerkannt werden. Dieser Prozess muss genau so funktionieren, wie die Anerkennung an Hochschulen von beruflichen Abschlüsse und Fähigkeiten, die im Beruf erlangt wurden. Verhältnis Arbeitsmarkt und Arbeitnehmer*innen Am Arbeitsmarkt spielen verschiedene Arten von Bildung zusammen. Dabei darf der Weg, auf dem das Individuum diese Bildung erlangte, keine Rolle spielen. Der Arbeitsmarkt hat wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft die Aufgabe, lebenslanges Lernen zu ermöglichen und zu fördern. Der bildende Aspekt des Arbeitsmarktes wird in diesem Zusammenhang näher betrachtet: Die Vielfalt der Individuen ist ein Gewinn für die Gesellschaft und damit auch für den Arbeitsmarkt. Hierzu muss sich der Arbeitsmarkt den (potentiellen) Arbeitnehmer*innen anpassen und sie in ihrer Eigenständigkeit und Individualität.

6. Schlussfolgerungen aus dem weiten Bildungsbegriff Hochschulen sind keine Produktionsstätten. Um demokratische, gleichberechtigte, eigenverantwortliche und kreative Persönlichkeiten zu schaffen und fördern, die eine ebensolche Gesellschaft bilden, muss das Studium und jegliche Form von Ausbildung zum Erwerb oder zum Ausbau dieser Eigenschaften führen. Der fzs betrachtet Employability somit nicht als Ziel, sondern als eine mögliche Konsequenz eines weiten Bildungsbegriffs.