Refugees und Hochschule

Der folgende Text soll einen Einstieg in den Themenkomplex „Refugees und Hochschule“ bieten. Er präsentiert erste Ansätze, wie Refugees rasch eine umfassende, gleichwertige Teilhabe an Hochschulen ermöglicht werden kann. Dazu wird auf eine Reihe zusätzlicher Informationen und Projekte verwiesen. Dieser Text hat nicht den Anspruch vollständig zu sein. Ein grundlegende Analyse von „Rassismus“ und „Staat“ sowie daraus entwickelte grundlegende Politstrategien werden an anderer Stelle veröffentlicht. Hier sei auf die Arbeit des fzs im Rahmen des festival contre le racisme hingewiesen.

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) hat zu diesem Thema auf seiner 52. Mitgliederversammlung im März 2015 in Würzburg ein Positionspapier [1] verabschiedet. Darin wird hervorgehoben: „Als Studierende und Mitglieder der Hochschulen sind auch wir Teil [von] diskriminierenden Strukturen und Ausschlussmechanismen und damit mitverantwortlich für ihre Beibehaltung oder Überwindung.“ Auch der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) hat einen ausführlichen Forderungskatalog [2] verabschiedet genauso wie die DGB-Jugend [3], die außerdem noch eine ausführliche Information [4] zum Thema veröffentlicht hat. Selbst die konservative bis nationalliberale Hochschulrektorenkonferenz hat den Themenkomplex aufgegriffen und informiert aus ihrer verwertungsinteressierten Perspektive über das „Studium für Flüchtlinge“ [5]. In der Diskussion mit Hochschulen können die Hinweise hier z.B. zu Studium ohne Papiere gut genutzt werden, auch wenn man die politischen Einschätzung nicht unbedingt teilen muss. Um einen Überblick über die Studierangebote für Refugees zu schaffen, wurde eine Karte [5a] erstellt. Im August 2015 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie [5b] veröffentlicht, die zum Thema Hochschulzugang für Refugees die rechtliche Situation in den einzelnen Bundesländern zusammenfasst.

In Thüringen hat die Landesregierung auf ihrem sogenannten „Flüchtlingsgipfel“ im April 2015 einen Maßnahmenkatalog [6] beschlossen. In diesem Papier wird an die Hochschulen appelliert, „bei der Studienberatung besondere Angebote für Flüchtlinge zu unterbreiten. Zudem sollen bei der Immatrikulation, auch Geduldete und Asylsuchende – bei Vorliegen der sonstigen Immatrikulationsvoraussetzungen – berücksichtigt werden“. Weiter hat sich auch der Landtag in Thüringen in Form einer mündlichen Anfrage [7] mit dem Themenkomplex Hochschulzugang für Refugees beschäftigt. An der Universität in Jena wird eine „Gebührenfreie Gasthörerschaft für Flüchtlinge“ [8] angeboten. Auch die Fachhochschule Erfurt bietet eine „Gasthörerschaft für Geflüchtete“ [9] sowie ausführliches Informationsmaterial [10] auf Deutsch, Englisch und Arabisch an. Als „Gasthörer herzlich willkommen“ sind Refugees auch an der Universität Erfurt [11]. Ähnliche Angebote gibt es auch in vielen anderen Bundesländern. Zum Beispiel an der Universität Duisburg-Essen [12], wo Refugees ein Gasthörer*innen-Zugang ermöglicht wird, ohne das Gebühren erhoben werden. Weiterhin hat das Bundesland Niedersachsen einen Leitfaden mit dem Titel „Hochschulzugänge für Flüchtlinge“ [13] veröffentlicht.

Neben der Frage nach dem Hochschulzugang gibt es viele weitere Formen von Engagement im Umfeld der Hochschulen, das versucht die unzureichenden rechtlichen Lage und das ebenso unzureichenden Angebot von staatlicher Seite aufzufangen. Beispielhaft seien hier die sogenannten Law Clinics genannt. Der Begriff bezeichnet Initiativen zur selbstorganisierten Rechtsberatung. Ein Beispiel dafür ist die Refugee Law Clinic Berlin e.V. [14] an der HU Berlin. Dabei bieten Studierende kostenlos Rechtsberatung für Geflüchtete und Migrant*innen an und helfen zum Teil bei der Kommunikation mit zuständigen Behörden. Ist anwaltliche Unterstützung notwendig, wie z.B. bei einem Verfahren, können die Berater*innen dann die Fälle gebündelt an kooperierende Anwält*innen weitergeben. Auf diese Weise bieten Law Clinics eine einfache Möglichkeit, kostenlose und kompetente Beratungsangebote zu schaffen, die es zwar Studierenden ermöglicht viel zu lernen, allerdings von unbezahlter und in diesem Sinne gesellschaftlich nicht anerkannter Arbeit geprägt ist. Wo die Gesellschaft in Form von staatlichen Leistungen keine Unterstützung bietet, versuchen Einzelne möglichst viel zu Helfen. Doch diese Arbeit bleibt leider prekär und erreicht nie alle Betroffene. Vergleichbare Angebote gibt es inzwischen an vielen Hochschulen, so zum Beispiel auch in Regensburg [15]. Besonders hervorgehoben sollen hier auch Projekte werden, die von Refugees selbst angestoßen wurden. Die Berliner Initiative education no limitation [16] kämpft für gleichberechtigte Partizipation und Zugang zum Bildungssystem, sowie ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten und Anerkennung nicht-deutscher Zertifikate: Ziel ist es, ein Bildungssystem zu schaffen, das frei von bürokratischen und strukturellen Hürden allen Menschen – ob mit oder ohne Pass – Zugang zu Bildung ermöglicht. Diese und viele weitere Maßnahmen werden versucht möglichst niedrigschwellig erreichbar zu sein. Trotzdem bleibt natürlich das Problem, dass nur einige Refugees unterstützt werden können und es zuerst einen Wechsel in der Mentalität der staatlichen Behörden und mehr Angestellter bedarf, wenn ein einfacheres Asylverfahren politisch nicht gewollt bleibt. Schließlich sollte Solidarität eine allgemein gesellschaftliche Aufgabe sein. In einer staatlich organisierten Gesellschaft muss daher auch der Staat die Arbeit, die aktuell von Betroffenen und ehrenamtlichen Unterstützer*innen übernommen wird, finanzieren und dafür sorgen, dass diese ausgebaut werden. Inzwischen sind auch überregionale Projekte entstanden: Die Wings University (Kiron University) [17] ist ein online Studienangebot für Refugees, das versucht, unbürokratische Lehrangebote zu schaffen, bei denen für den Anfang nur die Qualifikation notwendig ist und Papiere, Zeugnisse, etc. nachträglich eingereicht werden können. Organisiert wird das Angebot als Privatuniversität, finanziert durch Crowd Funding. Bis die Universität komplett anerkannt wird, helfen kooperierende Universitäten aus und schreiben die Studierenden bei sich ein. So können Menschen auf der Flucht möglichst schnell ihr Studium weiterführen ohne monate- bis jahrelang an bürokratischen Hürden zu scheitern. Bisher werden drei Fächer angeboten, bei denen es am meisten Nachfrage gab – Ingenieurwesen, BWL und Informatik. Damit sind allerdings zunächst nur Fächer im Angebot, die als ökonomisch gut verwertbar angesehen werden.

Asylbewerber*innen erhalten in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland Leistungen nach dem sogenannten Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) [18]. Dieses Gesetz regelt Höhe und Form der Leistungen für Asylbewerber*innen und Geduldete. Es sieht nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland den Bezug von Sozialhilfe vor (§2 AsylbLG). Doch ausgerechnet Studierende sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen (§22 SGB XII), denn für die Studienfinanzierung wurde das BAföG ins Leben gerufen.

Deshalb rückt die Frage der Studienfinanzierung verstärkt in den Vordergrund: Während das BAföG schon bei traditionellen Studierenden vorne und hinten nicht reicht, sieht es für Refugees noch schlechter aus. Der §8 [19] regelt im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) die Staatsangehörigkeit und enthält damit auch die Regelungen für Refugees. Dort finden sich auch die genauen rechtlichen Grundlagen für den jeweiligen Aufenthaltstitel. Ein genauer Blick ins Gesetz lohnt sich, denn die Wartezeiten für den BAföG-Anspruch unterscheiden sich massiv, obwohl die Aufenthaltstitel auf den ersten Blick gleich klingen. Einen Anspruch auf Bezug von Leistungen gemäß BAföG ohne Wartezeit hat nur eine recht kleine Gruppe von Inhaber*innen bestimmter humanitärer und familiärer Aufenthaltstitel mit Bleibeperspektive sowie „anerkannte“ Refugees. Eine zweite Gruppe der Inhaber*innen von Aufenthaltstitel ohne sichere Bleibeperspektive hatten bis Ende 2015 eine vierjährige Wartezeit. Diese hat sich mit einer gesetzlichen Änderung zum 1.1.2016 auf 15 Monate verkürzt [20]. In dieser Wartezeit muss ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden haben. Auch wenn der BAföG-Bezug damit dem Sozialhilfebezug angeglichen wurde, muss die Forderung für beide Regelungen weiter lauten: Ab dem ersten Tag muss allen Menschen Bildung und soziale Teilhabe ermöglicht werden. Die weiter bestehende Diskriminierung gilt es aufzuheben.

Noch schwieriger sieht es für Menschen mit einer Aufenthaltsgestattung im Asylverfahren aus. Sie haben mit einer Aufenthaltsgestattung nur einen Anspruch auf BAföG, wenn sie vor Beginn des förderungsfähigen Ausbildungsabschnittes fünf Jahre im Inland aufgehalten haben und rechtmäßig erwerbstätig waren oder wenn sich mindestens ein Elternteil während der letzten sechs Jahre vor Beginn des förderfähigen Ausbildungsabschnitts mindestens drei Jahre im Inland aufhielt und erwerbstätig war.

Schlussendlich muss allen klar sein, dass durch die Asylrechtsverschärfung im Jahr 2015 die Situation für viele Geflüchtete erschwert worden ist. Dies bezieht sich auch auf Bildung im allgemeinen. Für Geflüchtete, die kein Anrecht auf Asyl haben, dürfen weder ihr Abitur ablegen, noch studieren oder eine Ausbildung beginnen. Für den fzs ist Bildung ein Grundrecht, dass nicht vom Aufenthaltstitel abhängen darf [21].

1. Abschnitt: Allgemein

[1] Positionspapier des fzs www.fzs.de/en/positionen/335071.html

[2] Forderungskatalog des BAS bas-ev.de/studium-fuer-gefluechtete-in-der-praxis-ermoeglichen/

[3] Positionspaper DGB-Jugend (mit Aspekten zu Bildungszugang) jugend.dgb.de/-/pkm 

[4] Übersichtsartikel mit rechtlicher Lage und konkreten Projekten auf der DGB-Jugend Seite jugend.dgb.de/-/peT

[5] Informationen der HRK www.hrk.de/themen/internationales/arbeitsfelder/fluechtlinge/

[5a] Karte für Studiermöglichkeiten für Refugees www.google.com/maps/d/viewer?mid=zi1_FmZIBexM.k9RxfL-WxtjY

[5b] FES-Studie: Hochschulzugang für Flüchtlinge – Aktuelle Regelungen in den Bundesländern library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/11642.pdf

2. Abschnitt: Thüringen

[6] Landesregierung – Maßnahmenkatalog gemäß Flüchtlingsgipfel (23.04.15, Punkt 11) www.thueringen.de/mam/th4/justiz/migration/massnahmen_der_landesregierung.pdf

[7] Mündliche Anfrage (C. Schaft) im Thüringer Landtag www.christian-schaft.de/uploads/media/Hochschulzugang_fuer_Gefluechtete.pdf

[8] Gasthörer*innenschaft an der FSU Jena www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM150914_Fl%C3%BCchtlinge.html

[9] Gasthörer*innenschaft an der FH Erfurt www.fh-erfurt.de/fhe/studieninteressierte/gasthoererschaft/

[10] Mehrsprachiger InfoFlyer (FH Erfurt) www.fh-erfurt.de/fhe/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/Material/International/Dokumente/Flyer-Gasthoererschaft_2015.pdf&t=1448798725&hash=76f640ebf6f13a94e347bd74660176c3

[11] Gasthörer*innenschaft an der Uni Erfurt www.uni-erfurt.de/studium/studienangebot/weiterestd/gast/#c8633

[12] Gasthörer*innen-Zugang für Refugees (Universität Duisburg-Essen) www.uni-due.de/de/presse/meldung.php?id=9030

[13] „Hochschulzugänge für Flüchtlinge, Leitfaden aus NiSa www.mwk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=36646&article_id=134615&_psmand=19

3. Abschnitt: Law Clinics

[14]  Refugee Law Clinic Berlin e.V.: rlc-berlin.org/

[15] Rechtsberatung von Studierenden für Refugees (Regensburg) www.uni-regensburg.de/rechtswissenschaft/oeffentliches-recht/graser/refugee-law-clinic/index.html

[16] Education no limitation www.education-no-limitation.org/

[17] Online-Universität (auch) für Refugees („Wings University“) kiron.university/?redirect=1

[18] AsylbLG www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/asylblg/gesamt.pdf

[19] §8 BAföG  www.bafög.de/de/-8-staatsangehoerigkeit-224.php

[20] Vorzug Änderungen beim BAföG für Geflüchtete www.bmbf.de/de/schnellere-bafoeg-unterstuetzung-fuer-fluechtlinge-954.html

[21] Pressemitteilung des fzs: Menschenrechte solange der Vorrat reicht – jetzt leider nur noch in Sachleistungen www.fzs.de/aktuelles/presse/343675.html