Dabei gilt grundsätzlich – wie beispielsweise im Beschluss „Demokratische Studienreform ist die beste Qualitätssicherung“[1] der 55. Mitgliederversammlung des fzs festgehalten -, dass die Ausgestaltung von Studium und Lehre in der Verantwortung demokratischer Gremien vor Ort liegen muss. Da die paritätische Beteiligung von Lehrenden und Lernenden zur Zeit nicht absehbar ist, kann ein gründlich reformiertes Akkreditierungswesen Standards setzen, die eine demokratische Studienreform vor Ort befördern. Wie ein solcher Schritt aussehen kann, der die Möglichkeiten wissenschaftlicher Selbstverwaltung mit studentischer Beteiligung erweitert, wird im Folgenden skizziert.
Grundzüge eines neuen Akkreditierungswesens
Der fzs fordert, dass die Richtlinien und Kriterien im Akkreditierungswesen auf eine bundesweit einheitliche gesetzliche Grundlage gestellt werden, zum Beispiel im Rahmen eines Bundeshochschulgesetzes. Nach Ansicht des fzs muss eine umfangreiche und durchgehende Mitbestimmung der Student*innen in allen Phasen der Akkreditierung von Studiengängen sichergestellt werden. Ebenso müssen alle Gutachter*innen für ihre Tätigkeit ausreichend fachlich qualifiziert sein. Im Rahmen einer bundesweit einheitlichen Gesetzgebung gilt es, auch hierfür allgemeine Regelungen zu treffen. Um für alle Student*innen bundesweit gleiche Standards zu garantieren, bedarf es darüber hinaus einer Verpflichtung der Länder zur Einhaltung dieser Regelungen. Angesichts der Möglichkeit einer abweichenden Länderregelung fordert der fzs daher eine vertragliche Zusicherung der Länder zur Einhaltung und Umsetzung der durch Bundesgesetzgebung getroffenen Regelungen.
Der fzs schlägt vor, die bisher den Agenturen zugeordneten Aufgaben direkt auf eine öffentliche, aus Wissenschaftssubjekten zusammengesetzte Struktur zu übertragen. Diese soll das Akkreditierungswesen im öffentlichen Auftrag unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Standards durchführen. Dadurch ist sichergestellt, dass der Akkreditierungsprozess nicht durch Interessenkonflikte beeinträchtigt wird. Durch die öffentlich-rechtliche Verfasstheit und den öffentlichen Auftrag besteht somit eine demokratisch legitimierte Kontrolle des Akkreditierungswesens. Die Akkreditierung muss auf einheitlichen Standards beruhen, die den Student*innen eine gute Betreuung, soziale und geographische Mobilität, Vereinbarkeit mit der individuellen Lebensgestaltung und gesellschaftlichem Engagement sowie einen inhaltlich plausiblen und transparenten Studienaufbau garantieren. Gleichzeitig muss gesichert sein, dass das Studium in einer Mindestzeit abgeschlossen werden kann und den Student*innen ermöglicht wird, ihre Studienzeit selbst zu bestimmen.
Die bundesweit einheitlichen Standards müssen in einem diskursiven Prozess formuliert werden, der die Wissenschaftssubjekte miteinbezieht. Punktuelle Verbesserungen durch herkömmliche Akkreditierungsverfahren betrachtet der fzs als positive Errungenschaften innerhalb eines falschen Systems. Nur durch einen wirklich inklusiven Aushandlungsprozess bis zur Basis aller Statusgruppen können die gesetzlich notwendigerweise abstrakt formulierten Richtlinien und Kriterien später ihre Wirkung in den Studiengängen entfalten und Studienbedingungen progressiv prägen.
Akkreditierungsverfahren dürfen die Studienreformprozesse in den Gremien vor Ort nicht ersetzen oder delegitimieren. Vielmehr müssen die demokratischen Hochschulgremien als aktiv gestaltende Akteure und die Beteiligung der Statusgruppen nachhaltig gestärkt werden. Bereits dort müssen sich Standards für ein gutes Studium durch die unmittelbar betroffenen Student*innen durchsetzen lassen. Die Mehrzahl der Wissenschaftssubjekte sind die Student*innen. Sie benötigen direkte Gestaltungsmacht, um den gesetzten Standards in der Gestaltung ihrer Studiengänge Geltung zu verschaffen.
In der Vergangenheit hat sich der vor allem finanziell geprägte Wettbewerb zwischen den Agenturen, die als reine Kontrollinstanzen fungieren, als schädlich für den Gesamtprozess erwiesen: Ziel der Agenturen ist meist nicht, Studiengänge im Kontext anderer Studienangebote weiterzuentwickeln, sondern sich in ihrer Position als Dienstleisterinnen möglichst nah an den Interessen der Hochschul- und Fachbereichsleitungen zu orientieren, ohne dabei ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dies kann nicht Ziel eines Akkreditierungssystems sein. Deshalb lehnt der fzs private Akkreditierungsagenturen ab. Aus den beschriebenen Gründen muss in den Hochschulen eine demokratisch organisierte Selbstverwaltung mit mindestens paritätischer Besetzung aller Statusgruppen geschaffen werden. In dieser Selbstverwaltung muss eine starke Stellung der Student*innen in allen für den Bereich Studienentwicklung und Studienbedingungen relevanten Gremien festgeschrieben und sichergestellt sein. Um die Beteiligung aller Statusgruppen zu gewährleisten, schlägt der fzs vor, die bisherigen Aufgaben des Akkreditierungsrates an eine Bundesakkreditierungskammer zu übertragen, damit die faktische Mitbestimmung der Student*innen möglich ist.
Die Bundesakkreditierungskammer
Um den Kritikpunkten des Bundesverfassungsgerichtes gerecht zu werden und eine stärkere demokratische Legitimation der Akkreditierungsinstitutionen zu schaffen, schlägt der fzs nachfolgendes Modell für den künftigen Aufbau des Akkreditierungswesens in Deutschland vor. Dieses muss sich auf ein Bundeshochschulgesetz oder eine äquivalente gesetzliche Grundlage auf Bundesebene stützen. Nur durch den bundesweiten gesetzlichen Rahmen scheint dem fzs die Umsetzung der aufgeworfenen demokratischen und inhaltlichen Ansprüche an ein neues Akkreditierungswesen möglich.
Der bisherige Akkreditierungsrat soll in eine Bundesakkreditierungskammer umgewandelt werden, welche durch den Gesetzgeber einzurichten ist. Die Bundesakkreditierungskammer gliedert sich in Grundsatzkommission und Akkreditierungssenate. Sie soll auf Grundlage der bundesweiten gesetzlichen Regelung die genauen Kriterien und Richtlinien für die Akkreditierungsverfahren festlegen und sich mit der allgemeinen Weiterentwicklung des Akkreditierungswesens befassen.
Die Grundsatzkommission der Bundesakkreditierungskammer soll wie folgt zusammengesetzt sein: vier Mitglieder der Statusgruppe Hochschullehrer*innen, benannt je zur Hälfte durch einen der beiden Hochschullehrer*innen-Dachverbände in Deutschland; vier Student*innen, benannt durch den freien zusammenschluss von student*innenschaften; vier Vertreter*innen aus dem Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus, benannt von der mitgliederstärksten Gewerkschaft im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen; zwei Arbeitnehmer*innenvertreter*innen, benannt durch den DGB; sowie zwei Arbeitgeber*innenvertreter*innen benannt durch den BDA. Zudem sollen mit beratender Stimme zwei ausländische Wissenschaftler*innen Teil des Grundsatzkommission sein, diese sollen durch das Gremium selbst benannt werden. Bei der Besetzung der studentischen Mandate in Grundsatzkommission und Akkreditierungssenaten muss eine Entsendung durch Strukturen der Student*innenschaften sichergestellt sein. In Anbetracht der starken Auswirkungen von Studienreformen auf die Lebens- und Bildungsrealität von Student*innen ist diesen mindestens die Hälfte der Sitze in der Akkreditierungssenate zuzusichern. Andernfalls verfehlt das Akkreditierungswesen seine angestrebte Anerkennung durch die Betroffenen vollends. Im Sinne der demokratischen Kontrolle ist es außerdem notwendig, die Berichte der Grundsatzkommission, Akkreditierungssenate und Gutachter*innengruppen zu veröffentlichen.
Die Akkreditierungssenate ersetzen die privaten Akkreditierungsagenturen. Die Grundsatzkommission legt fest, welche Studienfächer in Fächergruppen zusammengefasst werden. Für jede der Fächergruppen soll die Bundesakkreditierungskammer einen Akkreditierungssenat umfassen. Beispiele für mögliche Fächergruppen sind:
– Ingenieurswissenschaften und Architektur,
– Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften,
– Geistes- und Kulturwissenschaften,
– Naturwissenschaften,
– Lebenswissenschaften und Medizin,
– Kunst, Design und Musik und
– Erziehungswissenschaft, Pädagogik und Lehramt.
Die Zusammensetzung der Akkreditierungssenate erfolgt wie bei der Grundsatzkommission – mit folgender Abweichung: Bei den stimmberechtigten Mitgliedern muss jeweils mindestens die Hälfte jeder Statusgruppe aus der betroffenen Fächergruppe stammen, während mindestens ein Mitglied jeder Statusgruppe aus einer fachfremden Gruppe stammen muss. Der jeweilige Akkreditierungssenat benennt im Einvernehmen die Mitglieder der jeweiligen Gutachter*innengruppe, welche die Begehung im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens durchführt.
Die Gutachter*innengruppe besteht aus einer Vertreter*in der Hochschullehrer*innengruppe, einer Vertreter*in aus dem Wissenschaftlichen Mittelbau sowie zwei Student*innenvertreter*innen sowie einer Vertreter*in aus der Berufspraxis. Auf Grundlage des Gutachter*innenberichts fasst der jeweils zuständige Akkreditierungssenat seine Entscheidung darüber, ob ein Studiengang (re-)akkreditiert werden soll und welche Auflagen es geben soll. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahren sollen die zu begutachtenden Fachbereiche nicht mehr die Möglichkeit haben, Gutachter*innen abzulehnen. Der fzs fordert des Weiteren, dass jedes Mitglied einer Gutachter*innengruppe zuvor ausreichend geschult werden soll, und empfiehlt daher regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen. Die Schulungen sollen in gemeinsamen Kursen stattfinden, um so auch die Hürden zwischen Student*innen, professoralen und weiteren Akteur*innen zu minimieren. Näheres ist von der Grundsatzkommission der Bundesakkreditierungskammer festzulegen. An die Arbeit des studentischen Akkreditierungspools sollte angeknüpft werden.
Der fzs sieht zudem die Notwendigkeit eines Beschwerdeverfahrens, bei dem sowohl inhaltliche wie formale Kriterien berücksichtigt werden, ohne aber maßgebliche verwaltungsrechtliche Kompetenzen in die Bundesakkreditierungskammer zu verlagern. Ausschlaggebend ist dabei, dass alle Mitgliedergruppen einer betroffenen Hochschule oder eines betroffenen Fachbereichs die Möglichkeit haben müssen, eine Beschwerde einzureichen. Weiteres zum Verfahren regelt die Grundsatzkommission.
Hochschulinterne Studienreformprozesse
Da politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Anforderungen und Rahmenbedingungen einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen sind, können auch Studienprogramme nicht statisch sein, sondern müssen zwangsläufig ebenfalls einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen. Lehrende und Lernende vor Ort müssen daher über Lerninhalte und -ziele ständig im Dialog bleiben. Neben den fachinternen Gegebenheiten ist auch die Eingebundenheit des Faches in den Fachbereich, die Hochschule und den gesellschaftlichen Rahmen angemessen zu berücksichtigen. Für die Qualitätsentwicklung in den Hochschulen, Fachbereichen und Instituten ist weiterhin ein prozessfördernder Kontext zentral. Nur wenn sich die verschiedenen Ebenen gegenseitig bei der Entwicklung eines schlüssigen Konzepts des Qualitätsmanagements unterstützen, kann Qualitätsentwicklung gelingen. Dazu bedarf es auf allen Ebenen aber auch der demokratischen Zustimmung aller beteiligten Gruppen in einem gleichberechtigten, transparenten und partizipativen Diskussions- und Abstimmungsprozess.
Ein Akkreditierungswesen kann überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn es diesen Umstand berücksichtigt und nachdrücklich die Einrichtung von mindestens paritätisch besetzten Studienreformgremien in den Hochschulen, Fachbereichen und Instituten fördert, welche sich stetig mit den Studienbedingen vor Ort auseinandersetzen und von den Gutachter*innengruppen in deren Bewertung einbezogen werden.
Fazit
Der fzs spricht sich gegen ein privatwirtschaftlich organisiertes Akkreditierungswesen aus und fordert eine bundesweit einheitliche gesetzliche Regelung für ein neues Akkreditierungswesen, das den Ansprüchen der europäischen Studienreformleitlinien gerecht wird. Generell ist ein Akkreditierungswesen nur in dem Maße sinnvoll, wie es die mangelhafte demokratische Verfasstheit der Hochschulen auszugleichen vermag. Unter diesen Umständen müssen die Subjekte der Wissenschaftsfreiheit selbst diejenigen sein, welche Akkreditierungen durchführen, indem sie eng mit den lokalen Studienreformorganen zusammenarbeiten. Solange ein Akkreditierungswesen diese Aufgaben erfüllt, hat es einen demokratischen Nutzen für Wissenschaft und Gesellschaft.
Langfristig fordert der fzs jedoch die Umsetzung verbindlicher Kriterien und Standards für einen stetigen progressiven Studienreformprozess in den Hochschulen. Sofern diese Standards gegeben sind, erübrigt sich eine bindende Bewertung durch hochschulexterne Gutachter*innengruppen. Eine beratende externe Evaluation durch Wissenschaftssubjekte (insbesondere Student*innen), die Missstände aufzeigen kann, bleibt dabei als sinnvolle Errungenschaft beizubehalten und kann helfen, den betroffenen Student*innen neue Möglichkeiten der Selbstentwicklung ihrer Studienumgebung aufzuzeigen.