Stellungnahme zum „Entwurf des Vierten Hochschulrechtsänderungsgesetzes (4. HRÄG)“ in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg soll u.a. das Landeshochschulgesetz geändert werden. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat uns das Wissenschaftsministerium um eine Stellungnahme zum aktuellen Gesetzesentwurf gebeten, die ihr hier lesen könnt.

Neben dem fzs haben u.a. auch die Landesstudierendenvertretung BaWü eine Stellungnahme abgeben: https://lastuve-bawue.de/stellungnahme-zum-gesetzentwurf-4-hraeg/

Den Gesetzesentwurf findet ihr unter: https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/mitmachen/lp-16/hochschulrecht/

Stellungnahme des freien zusammenschlusses von student*innenschaften e.V. zum „Entwurf des Vierten Hochschulrechtsänderungsgesetzes (4. HRÄG)“

§ 2 Aufgaben

Wir begrüßen die explizite Aufnahme der Themen Nachhaltigkeit und Tierschutz in den Aufgabenbereich der Hochschulen. Insbesondere die Verknüpfung von Bildung und Nachhaltigkeit hat eine enorme Relevanz für unsere Gesellschaft. Dabei darf es jedoch nicht bei der Nennung im LHG bleiben sondern muss mit einem Aufwuchs an finanziellen Mitteln zur Erfüllung dieser Aufgaben verknüpft werden. Im Übrigen bleiben andere relevante Begriffe unerwähnt und dementsprechend auch ohne inhaltliche Ausgestaltung im Rahmen des Gesetzes, so etwa das Thema gesellschaftliche Verantwortung.

Ebenso freuen wir uns, dass Hochschulen laut §2 Abs 6 Studierenden Räume, Infrastruktur und Bibliotheken zum Zwecke des Wissens-, Gestaltungs- und Technologietransfers zur Verfügung stellen können. In diesem Zusammenhäng empfehlen wir jedoch auch eine Zivilklausel in das LHG mit aufzunehmen, um militärische Forschung an Hochschulen zu verhindern. Als Formulierung schlagen wir vor, § 2 um einen Absatz 9 zu ergänzen: „Forschung, Lehre und weitere Tätigkeiten der Hochschulen dienen ausschließlich friedlichen und zivilen Zwecken.“ Zudem sollten auch nicht akademische Mitarbeiter*innen mit einbezogen werden.

§ 4 Chancengleichheit von Frauen und Männern; Gleichstellungsbeauftragte

Nach wie vor herrscht an Hochschulen keine Geschlechtergerechtigkeit. Die Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten sowie die Ausweitung des Kaskadenmodells auf künstlerische Mitarbeiter*innen und Streichung der soll-Regelung gehen hierbei in die richtige Richtung. Zur tatsächlichen Abbildung der Gesellschaft in wissenschaftlichen Funktionen sollten außerdem weitere Maßnahmen ergriffen werden, welche andere marginalisierte Gruppen fördern. Über die Gleichstellung von Frauen und Männern hinaus empfehlen wir unter anderem die Gleichstellung aller Geschlechter – und demnach die Anpassung der entsprechenden Formulierungen im LHG.

§ 5 Qualitätssicherung

Da die meisten Hochschulen weiterhin viel an Gleichstellungspolitik arbeiten müssen, setzt der Bürokratieabbau durch die Streichung in Absatz 2 an der falschen Stelle an. Die Durchsetzung der Chancengleichheit sollte neben dem Gleichstellungsplan in den Eigenevaluationen geprüft werden, um so Chancengleichheit auf allen Ebenen zu verankern.

Wir glauben nicht, dass die Qualität des Studienangebots durch das Erheben ausschließlich quantitativer Daten verbessert werden kann. Der neu hinzugefügte Absatz 3 geht am eigentlichen Problem der teilweise schlechten Lehrqualität an Hochschulen vorbei.

Stattdessen sollten regelmäßige, auch qualitative, Evaluationen zur Lehre und Zufriedenheit an den Hochschulen durchgeführt und im LHG verankert werden. Bei der pseudonymisierten Erhebung und ggf. möglichen Rückverfolgung trotz Pseudonymisierung haben wir zudem Bedenken, ob der Datenschutz der Studierenden hier ausreichend gewahrt wird.

§ 7 Struktur- und Entwicklungsplanung

Die Abstimmung bei der Struktur- und Entwicklungsplanung mit dem MWK sollte einen wichtigen Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Land darstellen. Diese Zusammenarbeit garantiert ein ausgewogenes Studienangebot und sollte derart gestaltet sein, dass sie dem leider an den Hochschulen immer stärker ausgeprägtem Konkurrenzdenken Einhalt gebietet. Um die Hochschulen als Ganzes in die Struktur- und Entwicklungsplanung einzubeziehen, müssen bei der Erarbeitung der Struktur- und Entwicklungsplanung auch Studierende beteiligt werden und die Planungen zumindest hochschulöffentlich zugänglich sein.

Darüber hinaus empfehlen wir, in § 76 Weiterentwicklungsklausel Abs. 3 zu streichen, damit auch bei der Exzellenzstrategie erfolgreiche Hochschulen an dieser Zusammenarbeit festhalten.

§ 9 Mitgliedschaft und Mitwirkung; Wahlen

Die Einschränkung der Weltanschauungsfreiheit wird hier in zum Teil fragwürdigen und unklaren Situationen ermöglicht. Dies kritisieren wir. Die Formulierungen „unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit“ und „zur Erreichung des Ziels einer konkreten Lehrveranstaltung“ laden die Dozierenden dazu ein, gänzlich willkürliche Entscheidungen zu treffen und sind daher zu streichen. Klarere Begründungen, wie die der Sicherheit im Labor, sind nachvollziehbar, bedürfen aber auch einer Regelung, die Willkür verhindert und es den betroffenen Studierenden ermöglicht, die Entscheidung anzweifeln zu lassen. Daher lehnen wir den vorgeschlagenen Satz 2 im neuen Absatz 1a in §9 ab.

Wir begrüßen, dass bei Wahlen, die mit elektronischen Mitteln durchgeführt werden, die Einhaltung der Wahlrechtsprinzipien zu wahren ist, obgleich uns keine technische Innovation bekannt ist, mit der Online Wahlen im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 3. März 2009 (Az.: 2 BvC 3/07 und 2 BvC4/07) den Wahlrechtsprinzipien durchfürbar wären, weshalb wir vorschlagen, den ersten Satz der amtlichen Begründung zu streichen. Insgesamt lehnen wir elektronische Wahlen ab, da die Wahlgrundsätze schlicht nicht eingehalten werden können.

§ 10 Gremien; Verfahrensregelungen

Dass die Mitglieder und Angehörigen der Hochschule über Tätigkeiten der Gremien zu unterrichten sind, ist eine gute Maßnahme für mehr Transparenz an Hochschulen.

§ 13 Finanz- und Berichtswesen

Hochschulen sollten, genauso wie in der Novelle für Studierendenschaften vorgeschlagen, „die Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen nach Abschluss der Rechnungslegung hochschulöffentlich bekannt zu machen“ (vgl. §65 b Absatz 3 neuer Satz 4 und 5 dieser Novelle).

Die verpflichtende Einführung eines Flächenmanagementsystems kann einen Beitrag gegen die Raumknappheit an Hochschulen leisten. Dennoch sehen wir auch hier das größte Problem in der mangelnden Finanzierung der Hochschulen, mangelnden Räumlichkeiten und oftmals schlechter Raumausstattung. Wir empfehlen hier über die LHG-Novelle hinausgehende Verbesserungen.

§ 16 Rektorat

Wir begrüßen die vorgeschlagenen Änderungen. Mit wachsenden Aufgabenfeldern der Hochschulen, ist insbesondere die Erhöhung der Anzahl der möglichen Rektoratsmitglieder zu begrüßen. Für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hochschulleitung und Studierenden schlagen wir außerdem vor, im LHG ein studentisches Rektoratsmitglied als Teil der Rektorate einzuführen. Wir schlagen vor, Absatz 1 Satz 2 um „4. ein studentisches Rektoratsmitglied“ zu ergänzen. Um eine legitime Vertretung studentischer Interessen sicherzustellen, sollte hierbei der Studierendenrat beziehungsweise das Studierendenparlament das ausschließliche Vorschlagsrecht inne haben.

§ 19 Senat

In §19 Absatz 1 Satz 8 (neu) soll geregelt werden, dass an systemakkreditierten Hochschulen der Senat, statt selbst über die Akkreditierung von Studiengängen abzustimmen, einen oder mehrere beschlussfassende Senatsausschüsse einrichten können und damit die gesamte interne Akkreditierung auf besagte Ausschüsse zu übertragen. Wir erachten diese Änderung für nicht sinnvoll und der Qualität des Akkreditierungsprozesses, der bei Systemakkreditierungen ohnehin schon zweifelhaft ist, abträglich. Bereits jetzt können beratende Ausschüsse mit der Akkreditierung beauftragt werden, sodass im Senat lediglich die finale Entscheidung gefällt wird, was keinen nennenswerten Bürokratieaufwand mit sich bringt. Vielmehr fungiert der Senat als finales, beschlussfassendes Gremium hier als eine notwendige weitere Kontrollinstanz im oftmals eher intransparent ablaufenden Akkreditierungsprozess und sollte daher weiter beteiligt bleiben. Alternativ schlagen wir vor, dass vom Senat gebildete Ausschüsse für die interne Akkreditierung der Studiengänge hochschulöffentlich tagen, um eben diese Transparenz zu wahren. Außerdem müssen mindestens zwei Studierende Mitglied in jedem der Ausschüsse für interne Akkreditierung sein und die studentischen Senator*innen ein Vetorecht erhalten.

Darüber hinaus empfehlen wir, die Zusammensetzung der Senate neu zu regeln. Wir empfehlen hier eine paritätische Besetzung nach Statusgruppen. Sollte diese Regelung keinen Zuspruch finden, wäre zumindest zu überlegen, einen paritätisch besetzten, aber in bestimmten Fragen erweiterbaren Senat zu etablieren, wie es andernorts bereits der Fall ist. Eine starke Beteiligung der Studierenden ist in allen Bereichen der Hochschule, unter anderem bei der Akkreditierung, sehr wichtig. Eine weitere Maßnahme, welche die nicht- professoralen Statusgruppen stärken würde, wären Veto-Rechte für die Senats- und Konzilsmitglieder der jeweiligen Statusgruppen.

§ 20 Hochschulrat

Hochschulräte lehnen wir generell ab, da sie einen unzulässigen Eingriff in die Hochschulautonomie darstellen. Bei einem Fortbestehen des Modells ist es jedoch unerlässlich, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder selbst Hochschulangehörige sind, davon mindestens zwei Studierende. Außerdem schlagen wir vor, Absatz 7 Satz 2 wiefolgt zu fassen: „Die externen Hochschulratsmitglieder sowie die studentischen Hochschulratsmitglieder erhalten eine angemessene Aufwandsentschädigung.“

Außerdem regen wir an, die Aufgaben und Kompetenzen der Hochschulräte zu verringern und den Hochschulrat eher als beratendes Gremium zu betrachten – mehr kann er aufgrund seiner Zusammensetzung, mangelnden demokratischen Verfasstheit und seinen wenigen Sitzungen nicht leisten. Angebracht wäre eine Abschaffung.

§ 26 Studienkommissionen; Studiendekaninnen und Studiendekane Abs. 1

Wir begrüßen das Vorschlagsrecht der Studierenden. Es könnte allerdings noch konkretisiert werden, von welchem studentischen Gremium dieses ausgeht. Zudem wäre eine Erhöhung des studentischen Stimmanteils auf 50% anzuraten.

§ 30a Tierschutz in der Lehre

Der neue §30a ist im Interesse der Studierenden und daher begrüßenswert.

§ 48 Berufung von Professorinnen und Professoren

Nachdem an Hochschulen tendenziell eher das Problem ist, dass zu viele Männer und zu wenige Frauen berufen werden, verstehen wir nicht, weshalb im LHG verankert sein muss, dass mindestens zwei fachkundige Männer in der Berufungskommission sein müssen.

Gleichwohl ist eine geschlechtsparitätische Besetzung der Gremien zu begrüßen und wir schlagen vor, dies nicht nur in die Begründung, sondern in den Gesetzestext aufzunehmen. Der neue Absatz 3a wird von uns ausdrücklich begrüßt und wir hoffentlich einen großen Beitrag zu den in § 4 Chancengleichheit von Frauen und Männern formulierten Zielen leisten.

§60 Immatrikulation

Die Verweigerung der Immatrikulation für Personen, die im Laufe ihres Lebens bereits einmal 20 Semester oder mehr eingeschrieben waren, ohne eine Abschlussprüfung abzulegen, lehnen wir als entschiedenen Eingriff in die Berufsfreiheit dieser potenziellen Studierenden scharf ab und rufen dringend dazu auf, diese Regelung zu streichen.

§ 62a Ordnungsverstöße, Ordnungsverfahren

Der neue § 62a Ordnungsverstöße, Ordnungsverfahren gibt den Rektoraten eine unverhältnismäßig große Entscheidungsgewalt über die Exmatrikulation von Studierenden. Durch den alten §62 Absatz 3, der nun gestrichen werden soll, bestand bereits die Möglichkeit Studierende zu exmatrikulieren, die etwa durch sexuelle Belästigung die Würde einer anderen Person verletzen. Diese Regelung begrüßen wir ausdrücklich und sie sollte so fortbestehen, da außeruniversitären Urteile hierfür für Opfer von sexueller Belästigungen oftmals nicht ausreichen. Für die in § 62a hinzufügten Gründe sehen wir jedoch einerseits keinen Grund für eine Exmatrikulation und andererseits sollten über die Frage, ob ein derartiger Ordnungsverstoß vorliegt, sowie welche Ordnungsmaßnahme darauf folgt, nicht das Rektorat, sondern ein allgemeines Gericht entscheiden. Es ist außerdem sachlich falsch, von einer zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft zu sprechen.
Wir sehen auch hier keinen Grund für eine Änderung des aktuellen LHGs und schlagen vor, in § 62 Absatz 3 keine Streichungen vorzunehmen und §62a zu verwerfen. Sollte § 62a bestehen bleiben, müssen, um Willkür vorzubeugen, in Absatz 1 Punkt 1 und Punkt 2 gestrichen werden.

§ 65 a Organisation der Studierendenschaft; Beiträge

Bei der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft 2011 in Baden-Württemberg war es wichtig, bestehende nicht-verfasste – und teilweise dem Rektorat angegliederte – Studierendenvertretungen Teil der Verfassten Studierendenschaft werden zu lassen. Im Gegensatz zu anderen Hochschulgesetzen ist daher im baden-württembergischen Landeshochschulgesetz nicht genau geregelt, in welcher Form sich das zenrale Legislativorgan der Studierendenvertretung organisieren muss. Stattdessen wurden bei der Einführung die Organisationssatzungen der Studierendenschaften per Urabstimmung festgelegt und können auch durch diese geändert werden. Nun nachträglich jedoch durch eine Landeshochschulgesetznovelle Studierendenschaften komplett neu zu organisieren, würde an

vielen Orten bestehende Strukturen zerstören und für die ehrenamtlich tätigen Studierenden viel Arbeit mit sich bringen. Wir raten daher dringend davon ab, hier grundlegende, womöglich über mehrere Hochschulgesetznovellen verteilte Änderungen der Organisationsstruktur anzustreben. Die Festlegung einer bestimmten Organisationsform ist ein schwerwiegender Eingriff in die Selbstverwaltung und Satzungshoheit der Studierendenschaften. Die Studierendenschaften müssen selbsbestimmt über ihre demokratische Vertretungsform entscheiden können.

Um hier mehr Klarheit zu schaffen und auch Studierendenschaften, die bisher keine Entsendung aus anderen studentischen Gremien vornehmen, dieses Modell zu ermöglichen, schlagen wir vor, den Satz „Eine Entsendung aus anderen Organen, wie beispielsweise aus Fachschaften ist möglich.“ nicht nur in der amtlichen Begründung zu erwähnen, sondern in Absatz 3 zu übernehmen.

Wir begrüßen in Absatz 5 die klare Regelung, dass die Hochschule eine Vereinbarung mit der Studierendenschaft treffen kann, um Aufgaben zu übernehmen. Nachdem der Einzug der Beiträge jedoch in allen uns bekannten Fällen von der Hochschule erledigt wird, problemlos funktioniert und den Studierendenschaften derzeit keine Alternative zur Verfügung steht, sehen wir es als fragwürdig an, wenn Studierendenschaften hierfür einen Finanzbeitrag leisten müssen und lehnen dies ab. Wenn die Option eines Finanzierungsbeitrags dennoch offengehalten werden soll, empfehlen wir, Satz 6 wie folgt zu fassen: „Die Vereinbarung kann vorsehen, dass die Studierendenschaft für Punkt 2 (die Abgaben-, Kassen- und Rechnungsgeschäfte) einen Finanzierungsbeitrag leistet“.

§ 65 b Haushalt der Studierendenschaft; Aufsicht

Wie bereits in unserer Anmerkung zu §13 erwähnt, schlagen wir vor, dieselbe Regelung auch für die Hochschulen einzuführen. Jedoch braucht es für die Studierendenschaften mehr Klarheit, was die Bekanntgabe der Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen alles umfasst. Wir schlagen vor, Satz 4 wie folgt zu fassen: „Das exekutive Organ der Studierendenschaft hat das eingenommene oder abgerufene Volumen der jeweiligen Haushaltstitel (Einnahmen und Ausgaben) sowie Verpflichtungsermächtigungen nach Abschluss der Rechnungslegung hochschulöffentlich bekannt zu machen.“ In seiner jetzigen Form würden wir die Änderung aufgrund seiner unklaren Formulierung und der datenschutztechnisch katastrophalen Lesart, einzelne Buchungen veröffentlichen zu müssen, ablehnen.