Zum „Programm für Wachstum und Beschäftigung“ der Bundesregierung

Im Vordergrund stehen dabei Wegfall und Kürzungen von sog. versicherungsfremden Leistungen, d.h. Leistungen, die von den Sozialversicherungen (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung) finanziert werden, die aber nicht zum ursprünglichen Leistungskatalog der jeweiligen Versicherung gehören. Jahrelang sind die Sozialversicherungen auf diese Weise mißbraucht worden, um ordinäre Aufgaben der staatlichen Gemeinschaft zu finanzieren. Angefangen bei den von der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) finanzierten Umschulungs- und ABM-Maßnahmen, über die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in den gesetzlichen Krankenkassen, bis hin zur Finanzierung großer Teile der Wiedervereinigung über die Rentenversicherungen, wurden die Sozialkassen geplündert. Durch diese unausgewogene Finanzierung wurden Unternehmen, Selbständige und Beamte entlastet und so die Verteilungsungerechtigkeit in der Gesellschaft verschärft.

In dem vorgestellten Sparpaket plant die Regierung Kohl mit ihrem Kahlschlag auch an den Sozialleistungen für Studierenden zu kürzen. Studierende sind vor allem durch die erhebliche Einschränkung der Sozialversicherungsbefreiung betroffen. Die realen Kürzungen des BAföG in den letzten Jahren haben dazu geführt, daß 60%1(48%) der Studierenden neben ihrem Studium arbeiten. Die erwerbstätigen Studierenden bestreiten 40% (31%) ihrer Einnahmen selber, für 15% sind die Erwerbseinnahmen die wesentliche Einnahmequelle. Müßten diese Studierenden auch noch Sozialabgaben entrichten, wäre ein sinnvolles Studium kaum noch möglich. Eine weitere Ausgrenzung von Menschen aus unteren Einkommensschichten wird die Folge sein. Des weiteren sind Studierende von der Kürzung der Rentenanrechnungszeiten für die Ausbildungszeiten für Schüler und Studierende von 7 auf 3 Jahre betroffen. (Die Anrechungszeiten wurden 1992 im Zuge der Rentenreform bereits von 13 auf die 7 Jahre gekürzt). Da die drei Jahre in der Regel für das Abitur benötigt werden, würde mit der Kürzung die Förderung von universitärer Ausbildung beendet. Auch Akademiker können bei der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht davon ausgehen, nach ihrer Ausbildung ohne Unterbrechung beschäftigt zu sein. Kommen weitere Ausfallzeiten hinzu, wie z.B. für die Kindererziehung, wird die Altersversorgung für nicht Selbständige zum Risiko.

Die MV möge beschließen:

Die ASten, USten und StuRäs im fzs unterstützen die Aktionen der Gewerkschaften und sozialen Initiativen gegen den geplanten sozialen Kahlschlag. Die Bestrebung, die Sozialversicherungen von versicherungsfremden Leistungen zu befreien, ist zwar im Ansatz begrüßenswert, doch darf dieses Anliegen nicht zum Sozialabbau mißbraucht werden. Der Sozialstaat muß gesamtgesellschaftlich finanziert werden.

Die geplante Einschränkung der Sozialversicherungsbefreiung für Studierende ist unzumutbar. Selbst BAföG geförderte Studierende sind oftmals auf Zuverdienstmöglichkeiten angewiesen. Werden die Pläne der Bundesregierung umgesetzt, würde damit faktisch die Öffnung der Hochschulen für untere Einkommensschichten aufgehoben. Da immer noch Frauen in der Regel die Kindererziehung wahrnehmen, sind sie von der Kappung der Rentenanrechnungszeiten besonders betroffen. Diese Maßnahme würde die Benachteiligung der Frauen in der Rentenversicherung verstärken und die ohnehin schon schlechte Bildungsbeteiligungsquote von Frauen an Hochschulen wieder senken.

Anmerkung: 1 ) Alle Angaben: 14. Sozialerhebung des DSW, alte Länder (neue Länder)

Beschlossen auf der 5. MV in Köln, Mai 1996