Kritik an der Internationalen Frauenuniversität (ifu) im Rahmen der Expo 2000

Inhaltliche Kritik

Wir kritisieren die Anbindung der ifu an die Expo 2000. Die Expo festigt und unterstützt die Ideologie, daß sich der Kapitalismus quasi naturgesetzlich durchgesetzt habe. Sie will globale Lösungen für die Zukunft der Menschheit im Sinne der Wirtschaft und aus dem Blickwinkel der ersten Welt präsentieren. Die ifu dient als Prestigeprojekt und wird in der Öffentlichkeit als das Konzept von Frauenhochschule schlechthin angesehen.

Die Themenaufteilung an sich in abstrakte, fächergrenzenüberschreitende Bereiche ist ein guter Ansatz, der allerdings bei näherer Betrachtung Lücken aufweist. Beispiele dafür gäbe es zahlreich. Um eines zu nennen: beim Thema „Wasser“ wird die Staudammproblematik nicht integriert, obwohl dieser Aspekt zur Zeit hochaktuell ist und gerade Frauen in Indien beispielsweise in der dortigen Widerstandsbewegung aktiv sind. Oder beim Themenbereich Stadt werden „Innere Sicherheit“ oder „Ordnungspolitische Maßnahmen“ vollkommen ausgeklammert. Kritische Denkansätze werden zwar ansatzweise genannt, allerdings können wir uns sicher sein, daß ein solch prestigereiches Expo-Projekt wie die ifu weder grundsätzliche Kapitalismuskritik, noch Kritik an einer rassistischen bundesdeutschen und europäischen Asylpraxis, noch sonstige Kritik an Staat und Wirtschaft zum Ergebnis haben wird.

Da echte Kritik aufgrund des Rahmens nicht möglich sein wird, erachten wir dieses Projekt als pseudokritisch. Eigentlich emanzipatorisch und feministisch engagierte Frauen stellen sich als Dozentinnen für die ifu zur Verfügung und lassen sich so für die Expo vereinnahmen, wie Ruth Becker, Christa Wichterich oder Barbara Duden. Dadurch geben sie der Expo einen scheinbar gesellschaftskritischen und feministischen Anstrich und schwächen und marginalisieren somit die verbleibenden Kritikerinnen. Strukturelle Kritik

Auch strukturell lehnen wir dieses Konzept einer Internationalen Frauenuniversität ab. Für die Teilnahme an der ifu wird ein abgeschlossenes Studium in vorgeschriebenen Bereichen, ein akademisches Empfehlungsschreiben, gutes Englischtestergebnis beim TOEFL und feministisches Engagement vorausgesetzt. Studiengebühren in Höhe von 600,- DM werden erhoben. Die ifu wurde besonders über Internet verbreitet, was den Kreis der darüber informierten Frauen erheblich einschränkt. Über Aufnahmekriterien und Auswahlverfahren wird so eine große Anzahl von Frauen ausgegrenzt. Es werden nur die ohnehin schon privilegierten, etablierten und wohlhabenden Frauen angesprochen. Durch die geringe Anzahl der Studentinnen und die hohen Aufnahmehürden trägt dieses Modell einer Universität zur Elitenbildung bei. Die ifu wird extrem hierarchisch und autoritär durchorganisiert sein. Studentinnen haben keinerlei Mitspracherechte, was Inhalte und Struktur angeht. Hiermit kritisieren wir auch, daß die ifu von einem kleinen Klüngelkreis organisiert wurde. Studentinnen oder ihre Vertretungen wurden zu keinem Zeitpunkt mit einbezogen oder zu ihrer Meinung gefragt. Entscheidungen in der ifu werden von der Präsidentin Ayla Neusel, den Dekaninnen und dem Hochschulrat getroffen – Männer sind daran beteiligt ohne daß dies hinterfragt oder begründet wird. Die wirtschaftliche Ausrichtung über den privaten Trägerverein und den Hochschulrat, sowie die hierarchische Autoritätsstruktur lehnen wir ab. Resümee

Der neoliberale Bildungsbegriff, den die ifu vermittelt sehen wir auch deshalb kritisch, da dieses Konzept nicht nur für die hundert Tage Uni steht, sondern das Bild der neuen Zukunfts-Hochschulen präsentiert. Gerade als Modellprojekt müssen wir die ifu umso vehementer ablehnen, da sie die Hochschullandschaft in eine Richtung drängt, die undemokratisch, unsozial, elitebildend, ausgrenzend, unsolidarisch, kapitalistisch und marktradikal ist. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, in denen nur das Geld und die Verwertbarkeit der Arbeitskraft zählen.

Beschlossen auf der 15. MV in Paderborn, November 1999