Die Rückkehr des Sparfög?

Liebe Mitglieder des deutschen Bundestages,

noch immer stammen nur 12% aller Studierenden aus so genannten bildungsfernen Schichten, noch immer leben nur 1% aller Studierenden vom BAföG, noch immer liegt die Quote der arbeitenden Studierenden weit über 65%. Beschließen Sie den Haushaltsentwurf 2005 so nicht!

Chancengleichheit ist in unserem Bildungssystem noch immer Utopie. Mit dem Haushaltsentwurf 2005 werden sie dieser Utopie nicht näher kommen, sie entfernen sich von ihr. Statt eine Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung zu ermöglichen, friert dieser Haushaltsentwurf die Gesamtausgaben für das BAföG ein; die Ausgaben für Studierenden werden gar um 19 Millionen Euro gekürzt . Ändern Sie den Entwurf!

Zukunft durch Vertrauen Ausbildungsförderung muss Auszubildenden Zukunft geben. Sie müssen mit ihr planen, in den Fortbestand und die Leistungsfähigkeit der Ausbildungsförderung vertrauen können. Es ist daher unverzichtbar, dass die Leistungen der Ausbildungsförderung regelmäßig überprüft und Lebens- und Förderwirklichkeit annähernd in Einklang gehalten werden. Schon heute hält über die Hälfte der BAföG-EmpfängerInnen die eigene Studienfinanzierung trotz Förderung für ungesichert, gerade die Hälfte hält die Förderung für angemessen. Geben Sie Vertrauen in die Ausbildungsförderung zurück!

Entlastung auch für BAföG-Haushalte Die BAföG-Förderung hängt hauptsächlich vom Einkommen der Eltern ab. Wenn die Löhne steigen, müssen auch die Einkommensgrenzen angepasst werden, zum einen „damit ein einmal erreichtes Förderungsniveau nicht durch steigende anzurechnende Einkommen wieder absinkt.“ Zum anderen, damit auch untere Einkommensschichten von diesen Lohnsteigerungen profitieren können; gerade auch wenn sie Kinder in Ausbildung haben. Die Freibeträge des BAföG stagnieren seit 2002. Eltern von BAföG-EmpfängerInnen können sich daher auch über die Steuersenkungen zu Beginn des Jahres freuen nicht freuen. Ihre vermeintliche Entlastung wird durch sinkende Förderung ihrer Kinder wieder aufgehoben. Sorgen Sie dafür, dass auch untere Einkommensschichten mit Kindern in Ausbildung entlastet werden!

Bedarfssätze anpassen
Die Bedarfssätze des BAföG stagnieren seit 2001. Die Lebenshaltungskosten nicht. Sie steigen Jahr für Jahr. Der Förderhöchstbetrag des BAföG lag bereits 2001 deutlich unter dem Durchschnittseinkommen der Studierenden. Heute liegt zwischen beidem ein Betrag von über 180€. Die Folge ist, dass Studierende aus unter sozialen Schichten noch immer viel mehr Zeit für Jobben aufbringen müssen, als Studierende aus reichem Elternhaus. Zeit, die im Studium fehlt, das Studium verzögert und den Studienerfolg gefährdet. Bei der Einführung des BAföG wurde treffend formuliert: „Der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, ist verpflichtet, durch Gewährung von individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit der jungen Menschen hinzuwirken“. Geben Sie den BAföG-EmpfängerInnen wieder mehr Zeit zum studieren, sorgen Sie für ein bedarfsdeckende Förderung!

Verpasste Chancen
Die Bundesregierung ist verpflichtet, regelmäßig die Einkommensgrenzen und Bedarfssätze des BAföG zu überprüfen und zu korrigieren. Mit dem Haushaltsentwurf 2005 will sie das dritte Mal in Folge auf eine Anpassung verzichten: Der 15. und letzte BAföG-Bericht empfahl für die Bedarfsätze und Einkommensgrenzen eine Anpassung in Höhe von 3 %. Die Bundesregierung reagierte nicht. Mit der vor wenigen Wochen beschlossenen 21. BAföG-Novelle hätte materiell ein Schritt nach vorn gemacht werden können. Er wurde nicht gemacht. Der 16. BAföG-Bericht wird am Ende des Jahres eine noch größere Kluft von Lebens- und Föderwirklichkeit belegen. Mit dem Haushaltsentwurf 2005 gibt es schon heute keine Möglichkeit sie zu schließen. Schaffen Sie diese Möglichkeit!

Eine Frage der Prioritäten 2003 sah die Bundesregierung „trotz des überragenden Stellenwertes, den die Bundesregierung der Ausbildungsförderung auch weiterhin zumisst, derzeit keinen Spielraum für zusätzliche Anpassungsmaßnahmen. “ Als Argument wurden die leeren Kassen bemüht. Wie auch immer man zu diesem Argument steht: Im Haushaltsentwurf 2005 ist der Etat des BMBF erfreulicherweise um über 200 Millionen Euro gestiegen. Nur Zehntel dieser Summer würde eine Anpassung der Einkommensgrenzen und Freibeträge um 3% zum Wintersemester 2005/2006 für den Haushaltentwurf 2005 bedeuteten. Sollte das für ein Projekt mit „überragende[m] Stellenwert“ nicht finanzierbar sein? Die Prioritätensetzung der Bundesregierung hat sich jedoch verschoben, vor allem zu Gunsten der „Exzellenzinitiative Spitzenförderung von Hochschulen“. Für sie stehen beim Bund bis 2010 über 0,7 Milliarden Euro; für das BAföG bislang kein Cent zusätzlich bereit. Zeigen Sie das Chancengleichheit vor Elitenförderung kommt. Setzen Sie die Prioritäten!

Zukunft statt Vergangenheit
Die Bundesregierung verweist bei Reformvorschlägen zur Ausbildungsförderung stets auf die angeblich ungebrochene Dynamik der Reform 2001. Doch die Reform ist drei Jahre her und das BAföG wieder am Scheideweg. Der durchschnittliche Förderbetrag ist 2003 gesunken. Die Gefördertenzahlen steigen nur leicht, während gleichzeitig die Studierendenzahlen explodieren . Was für eine Dynamik erwartet die Bundesregierung für 2005, wenn sie bei den Studierenden 19 Millionen Euro kürzt? Lassen Sie sich nicht beirren! Stellen Sie die Mittel für eine Weiterentwicklung des BAföG in den Haushalt 2005 ein! Die aktuellen Probleme sind beschrieben, neue Herausforderungen ergeben sich nicht nur im Zuge der Internationalisierung und des Bologna-Prozesses. Der fzs und viele andere haben Reformvorschläge teils innerhalb, teils außerhalb des bestehenden Ausbildungsförderungssystems gemacht. Dies ist nicht der Zeitpunkt um stehen zu bleiben oder umzukehren. Zumindest die kleinen Schritte müssen gegangen werden.

Wir schließen uns den Worten der Bildungsministerin anlässlich der Beratungen zum AföRG an: „Ich möchte Sie alle ausdrücklich einladen, sich im Interesse unserer jungen Generation jenseits aller politischer Scharmützel an der nötigen Wiederherstellung der Akzeptanz und des Vertrauens in die Verlässlichkeit unseres staatlichen Ausbildungsförderungssystems zu beteiligen.“

Nele Hirsch und Sascha Vogt (für den freien zusammenschluss von studentInnenschaften)