Die BAföG-Rückzahlungspflicht streichen!

Weiterhin fordert der fzs eine grundlegende Reform der Ausbildungsfinanzierung. Diese soll sich an dem Ziel orientieren, Nachteile im Bildungsbereich für Angehörige sozial benachteiligter Schichten wirksam zu mindern.

Begründung

Das BAföG wurde 1971 als „Kernstück der Sozialpolitik im Bildungsbereich“ eingeführt, um Chancengleichheit beim Hochschulzugang und im Studienverlauf zu realisieren. In seiner Begründung enthielt es drei Prämissen:

  • 1. Die bestehenden ungleichen Eigentums- und Einkommensverhältnisse wirken bildungsdiskriminierend.
  • 2. Es entspricht dem Sozialstaatsgebot, einen strukturpolitischen Nachteilsausgleich in diesem Bereich zu schaffen.
  • 3. Eine solche ausgleichende Politik darf nicht abhängig sein von ökonomischen Konjunkturen und Beschäftigungsprognosen.

Diese Prämissen wurden bei der weiteren Entwicklung des BAföG allerdings häufig missachtet. So erhielten individuell bedürftige Studierende bei Einführung des BAföG die Förderung als vollständigen Zuschuss. Im Laufe der folgenden Jahre wurden immer größere Teile dieses Vollzuschusses in ein fixes Darlehen (unabhängig von der Anspruchshöhe) umgewandelt. Bereits 1974 wurde so ein Darlehensanteil von zunächst 70 DM, später von 150 DM eingeführt.

Die Regierung unter Helmut Kohl stellte das BAföG auf ein Volldarlehen um (von 1983 bis 1990). Die extreme Benachteiligung der Studierenden in diesem Zeitraum ist auch nachträglich nicht aufgehoben worden, z.B. durch Verzicht oder zumindest Teilverzicht des Bundes auf Rückzahlungen. Im Zug des Beitrittes der DDR zur BRD erfolgte dann die Umstellung auf 50% Zuschuss und 50% Darlehen.

Die rot-grüne Bundesregierung hat seit 1998 zwar einige der eklatanten Verschlechterungen (z.B. die „Zins-BAföG-Regelung“ von 1996) rückgängig gemacht. Das 50:50-Prinzip von Zuschuss und Darlehen hat sie allerdings beibehalten. Auch ansonsten blieb die versprochene grundlegende Strukturreform des BAföG aus. Dazu kommt, dass seit knapp fünf Jahren die anstehende Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge absichtlich verschleppt wird. So können sich nur 1 Prozent der Studierenden derzeit allein durch BAföG finanzieren, und über 2/3 der Studierenden arbeiten neben dem Studium.

Vor allem steht der Steigerung der Gefördertenzahlen nach wie vor ein rückläufiger bzw. stagnierender Anteil von Studierenden aus so genannten bildungsfernen Schichten entgegen. Während 1982 (vor der Umstellung auf Volldarlehen und der Zusammenstreichung des SchülerInnen-BAföG) immerhin noch 23% der Studierenden aus einer niedrigen Herkunftsgruppe kamen, waren es 2003 nur noch 12%. Der Anteil der Studierenden aus der mittleren Herkunftsgruppe sank in diesem Zeitraum von 34% auf 27%. Wenn Ausbildungsförderung nach dem BAföG nicht als Vollzuschuss gezahlt wird, dann entsprechen die ungleichen Ausgangsvoraussetzungen bei Aufnahme des Studiums der ungleichen Verschuldung am Ende des Studiums. Die BAföG-Rückzahlung ist damit eine Belastung all derer, die eigentlich durch das BAföG entlastet werden sollten. Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen dem Verschuldungsrisiko (also der Höhe der zu erwartenden Rückzahlung von BAföG) und der Bereitschaft, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Trotz der beschlossenen Verschuldungsdeckelung von 10.000 Euro werden Kinder aus so genannten bildungsfernen Schichten damit auch weiterhin von der Aufnahme eines Hochschulstudiums abgeschreckt.

An dieser Entwicklung der Bildungschancen in der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich, dass der Wirkung struktureller Ungleichheit durch zielgerichtete Bildungsförderung bis zu einem gewissen Grade entgegen gesteuert werden kann, wenn sich diese Zielsetzung in der Struktur und Wirkung der Fördermaßnahmen niederschlägt. Dem BAföG kommt hier eine zentrale Stellung zu. Die bestehenden und früheren Darlehensregelungen wirken allerdings (je nach Ausmaß unterschiedlich stark) in die entgegen gesetzte Richtung.

Eine sozialdemokratische Bundesregierung, die sich zudem eine grundlegende BAföG-Reform auf die Fahnen geschrieben hat, dürfte die Augen vor dieser Tatsache nicht verschließen und müsste möglichst bald entsprechende Gesetzesnovellierungen auf den Weg bringen. Die Wiederherstellung des Zuschussprinzips als Vollförderung kann dabei einen ersten Schritt hin zu einer Politik eines aktiven Diskriminierungsabbaus darstellen und sollte deshalb dringend umgesetzt werden.

Eine weitere Sparpolitik im Bildungsbereich lehnen wir ab. Wir verweisen auf Umschichtungsmöglichkeiten durch Streichung der Bonusregelungen bei den Rückzahlungsmodalitäten (siehe Positionspapier: „Studienfinanzierung weiterentwickeln!“, verabschiedet auf der 26. fzs MV, Oktober 2004)) und auf unsere Vorschläge zur staatlichen Finanzierung des Bildungsbereichs (siehe Positionspapier: „Hochschulfinanzierung als staatliche Aufgabe“, verabschiedet auf der 26. fzs MV, Oktober 2004). Wir betrachten dies als einen wichtigen Schritt, um wieder näher an ein herkunftsunabhängiges Bildungssystem heranzukommen und damit auf das Ereichen sozialer Gleichheit in Hochschule und Gesellschaft zu wirken. Langfristig spricht sich der fzs weiterhin für die Einführung einer Grundsicherung aus, die allen Menschen, die sich nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen finanzieren können, eine soziale Beteiligung garantiert. Dazu gehört auch die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung. Die Ausbildungsförderung muss Teil dieser Grundsicherung sein.

Beschlossen auf der AS-Sitzung in Köln, März 2005.