Thesen zu einer wirksamen Gleichstellungspolitik an Hochschulen

Wissenschaft und Forschung geht nach wie vor von einer weißen, heterosexuellen, männlichen Normalbiographie ihrer Mitglieder aus, die der gesellschaftlichen Realität fundamental entgegensteht. Benachteiligungen entstehen auf Grund verschiedenster Merkmale, wie z.B. einer Behinderung, der sozialen Herkunft, der sexuellen Orientierung oder dem Geschlecht

Aus unserer Sicht sind folgende Maßnahmen notwendig, um ein Mindestmaß an Gleichberechtigung zu erreichen:

1. Gleichstellungspolitik muss nach Ursachen für Ungleichbehandlung suchen und diese abbauen.

Gleichstellungspolitik muss strukturelle Ungleichheiten aufdecken und nach Gründen für diese suchen. Die Ursachen müssen angegangen werden. Die aktuelle Gleichstellungspolitik versucht in erster Linie, die Auswirkungen abzumildern. Das wird auf Dauer nicht zum Abbau von Ungleichheiten führen. Durch eine konsequente Forschung nach Ursachen dagegen können strukturelle Benachteiligungen gezielt dort angegangen werden, wo sie entstehen. Hierzu müssen geschlechterpolitische Fragestellungen in Forschung und Lehre verpflichtend mit einbezogen werden. Lehrende müssen in diesem Bereich Fortbildungsmöglichkeiten bekommen und Studierende sich in ihrem Studium mit geschlechterspezifischen Fragestellungen ihres Faches auseinandersetzen. Eine reine Ausgliederung in sogenannte „Gender-Module“ kann diese Auseinandersetzung nicht leisten.

2. Gleichstellungspolitik muss den Abbau von Ungleichbehandlung unabhängig von ökonomischen Verwertbarkeiten zum Ziel haben.

Eine Förderung von Gleichbehandlung darf nicht unter ökonomisch nutzbaren Gesichtspunkten geschehen. Das Ziel von Gleichstellungspolitik muss die Gleichberechtigung aller Menschen sein, unabhängig von der Verwertbarkeit der persönlichen Situation.

3. Gleichstellungspolitik muss schon in der Schule anfangen und bedarf der konsequenten Aus- und Weiterbildung von LehrerInnen.

Gleichstellungspolitik darf nicht erst an der Hochschule anfangen. Viele Entscheidungen werden getroffen, bevor die aktuelle Gleichstellungspolitik greift. Das ganze Bildungssystem muss Mädchen und Jungen bei der Ausbildung ihrer Interessen geschlechterunabhängig unterstützen. Dazu sind auch Reformen der Ausbildung von KindergärtnerInnen und LehrerInnen notwendig. Diese sollen unabhängig von Rollenzuschreibungen unterstützen und bei Diskriminierungen helfen können. Die Reformen der Ausbildung müssen auch monoedukative und koedukative Konzepte diskutieren.

4. Gleichstellungspolitik muss die unterschiedlichen Situationen von Frauen berücksichtigen und individuelle Förderungen möglich machen.

Gleichstellungspolitik darf nicht von einer typischen Kategorie „Frau“ ausgehen und dazu passende Fördermaßnahmen entwickeln. Dadurch entsteht eine neue Kluft, die nicht mehr zwischen den Geschlechtern, sondern innerhalb der Geschlechter verläuft. Eine individualisierte Förderung und Beratung muss sich an die spezifische Situation der Personen anpassen. Dabei sind besondere Benachteiligungen durch z.B. den sozialen Hintergrund mit gesonderte Hilfen auszugleichen. Um eine Grundlage dazu zu schaffen, müssen statistische Daten diese und weitere Merkmale ausweisen.

5. Gleichberechtigung muss ein Qualitätsmerkmal bei der leistungsorientierten Mittelvergabe an Hochschulen sein.

Zur Erhöhung des Frauenanteils bei den Professuren können finanzielle Restriktionen eine Starthilfe sein, die sich auch auf den Anteil der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Promovierenden positiv auswirkt. Durch diese Verpflichtung, Professuren mit Frauen zu besetzen, können auch geschlechtsspezifische Benachteiligungen im Berufungsverfahren nach und nach abgebaut werden. Dabei ist es auch wichtig, dass die Beteiligung von Frauen in den Auswahlverfahren erhöht wird. Die finanziellen Restriktionen können nur flankierend eingesetzt werden und müssen mit anderen gleichstellungspolitischen Maßnahmen kombiniert werden, um geschlechtsspezifische Diskriminierung abzubauen. Die Verwendung der Mittel und die begleitenden Maßnahmen müssen kontinuierlich evaluiert werden, um Fehler aufzudecken und Missstände zu beheben.

6. Familienpolitik muss eine umfassende Gleichstellung zum Ziel haben und über die Einrichtung von Kinderbetreuungsmaßnahmen hinaus gehen.

Der Abbau von Hindernissen, die einer Vereinbarkeit von Kindererziehung und Wissenschaft für Frauen im Weg stehen, ist keine umfassende Gleichstellungspolitik. Die traditionelle Rollenverteilung die darauf abzielt, dass sich Frauen um die Kindererziehung kümmern, muss insgesamt in Frage gestellt werden. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Vereinbarkeit von Kindererziehung und wissenschaftlicher Karriere möglich machen. Es muss eine umfassende Reform in der Kindererziehung erfolgen, die zum Ziel hat, dass sich die Geschlechter gleichermaßen verantwortlich fühlen. Finanzielle Leistungen des Staates müssen an eine paritätische Verteilung der Elternzeit gekoppelt werden. Darüber hinaus müssen arbeitsrechtliche Bestimmungen die bestehenden Diskriminierungen abbauen, denen Erziehende ausgesetzt sind.

7. Gleichstellungspolitik muss ein finanzielle Gleichbehandlung von Frauen und Männern auch an den Hochschulen zum Ziel haben.

Nach wie vor gibt es zum Teil massive Ungleichbehandlungen bei der Bezahlung von gleichwertigen Tätigkeiten zwischen Frauen und Männern. Vollzeitbeschäftigte Frauen erhalten einen 12 Prozent niedrigeren Lohn als Männer trotz desselben Bildungshintergrunds, Abschluss o.ä. in gleichen Berufen und Betrieben. Dieser Unterschied ist rational nicht zu erklären: Für gleichwertige Arbeit muss dieselbe Besoldungsstufe herangezogen werden. Eine umfassende Gleichstellungspolitik muss also zum Ziel haben, diese Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts zu entlarven und eine Angleichung der Entlohnung vorzunehmen.

8. Gleichstellungspolitik muss den Abbau aller sexistischer Diskriminierung zum Ziel haben.

Diskriminierung beispielsweise aufgrund von Geschlecht, Behinderung, sexueller Orientierung oder Herkunft ist an der Hochschule nach wie vor präsent. Durch Richtlinien gegen Diskriminierung und sexuelle Gewalt müssen Hochschulen ein Konzept zum Abbau schaffen. Die Richtlinie müssen Gegenmaßnahmen enthalten und Hilfemaßnahmen für Betroffene sowie Konsequenzen für die TäterInnen festschreiben.

Beschlossen auf der 28. MV in Karlsruhe, August 2005