Offener Brief an den Präsidenten der TU Berlin – „Viertelparität ist nicht rechtswidrig, sondern Voraussetzung für die demokratische Hochschule“

Sehr geehrter Herr Prof. Steinbach,

wie Sie dem Kuratorium der TU Berlin mitteilten, werden Sie in Ihrer Rolle als Rechtsaufsicht in der ersten Instanz die Neufassung der Grundordnung der TU Berlin, die eine gleichmäßige Besetzung des erweiterten Akademischen Senats vorsieht, beanstanden. Auch die Berliner Senatorin für Wissenschaft, Sandra Scheeres, hatte bereits rechtliche Bedenken zu dieser Entscheidung angemerkt.

Das „Einkassieren der Grundordnung“ ist meines Erachtens aus verschiedenen Gründen falsch.
Sicherlich muss ich akzeptieren, dass es unterschiedliche politische Ansichten zur Viertelparität gibt: Ich halte eine viertelparitätische Besetzung in Gremien der Akademischen Selbstverwaltung für eine notwendige Voraussetzung der Abbildung . Zudem ist es eine gute Möglichkeit, das Verantwortungsbewusstsein und die Zusammenarbeit der verschiedenen Hochschulmitglieder.

In Bezug auf Ihre Rolle als Rechtsaufsicht stellen sich jedoch weniger politische, als vielmehr rechtliche Fragen:
Steht die Entscheidung des EAS dem Verfassungsgerichtsurteil von 1973 (BVerfg 35, 793) entgegen? Verbietet das Berliner Hochschulgesetz die Spielräume für eine derartige Zusammensetzung des Gremiums? Meine klare Antwort: Nein. Und meine klare Antwort auf die Kassierung der Entscheidung eines eigenständigen Gremiums: Das ist fahrlässig.

Rechtsaufsicht hat nicht die Aufgabe, Entscheidungen politisch zu korrigieren. Der EAS hat das Recht eine Grundordnung mehrheitlich zu beschließen. Das hat er getan und nun stellen sich rechtliche Fragen. Rechtliche Fragen zu deren Beantwortung wir zuallererst die Spielräume der Rahmenbedingungen betrachten müssen.
Im Berliner Hochschulgesetz besagt die sogenannte Erprobungsklausel (§7a) eindeutig, dass „die für Hochschulen zuständige Senatsverwaltung kann auf Antrag einer Hochschule nach Stellungnahme des Akademischen Senats und mit Zustimmung des Kuratoriums […] für eine begrenzte Zeit Abweichungen von den Vorschriften der §§ […] 60 bis 75 […] zulassen, soweit dies erforderlich ist, um neue Modelle der Leitung, Organisation und Finanzierung zu erproben, […]“. Dies umfasst auch die Zusammensetzung des Erweiterten Akademischen Senats.

Ist es in diesem Fall nicht Ihre Aufgabe, die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten, um den Willen des EAS umzusetzen, statt die Entscheidung zu blockieren?

In bin der Meinung, dass es ihre Aufgabe ist! Denn auch das Karlsruher Urteil von 1973 steht einer derartigen Zusammensetzung nicht im Wege.

Der erweiterte Akademische Senat ist zuständig für die Wahl des Präsidiums, die Beschlussfassung der Grundordnung, die Erörterung der jährlichen Rechenschaftsberichte und die und die Stellungnahme zu Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung.

Ist es nun so, dass die Beschlüsse dieses Gremiums „unmittelbar Fragen der Forschung oder die Berufung der Hochschullehrer betreffen? Nein. Denn nicht ohne Grund stand der „Große Senat“ mit drittelparitätischer Besetzung als Äquivalent zum EAS im Hamburger Hochschulgesetz von 2001. Und nicht ohne Grund entschied das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich eines schleswig-holsteinischen Hochschulgesetzes, dass die Wahl eines Präsidiums auch durch ein paritätisch besetztes Gremium erfolgen könne.

Ist es nicht vielmehr so, dass die Entwicklung der vergangenen Jahre war, die Wahl der Präsidien in einigen Bundesländern in extern besetzte Hochschulräte zu verlagern? Ist es nicht so, dass hier offensichtlich keine professorale Mehrheit erforderlich ist? Darüber hat das Bundesverfassungsgericht anhand eines Falles an der Medizinischen Hochschule Hannover in der nächsten Zeit noch zu befinden.

In der momentanen Situation würden sie mit Ihrem Veto jedoch tatsächlich und berechtigterweise zum „Buhmann“ werden.
Seien sie Rechtsaufsicht, aber seien sie kein Richter über über den politischen Willen Ihrer Gremienuniversität.
Es gibt keinen Grund die „Buhmann“-Rolle zu übernehmen – seien Sie stolz auf ihre lebendige Hochschule, Herr Steinbach. Akzeptieren Sie diese richtungsweisende Entscheidung!

mit freundlichen Grüßen Erik Marquardt fzs-Vorstand und Mitglied im Kuratorium der TU Berlin