Stellungnahme des fzs zum Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG)
Auf Aufforderung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat haben wir eine Stellungnahme zum FEG abgegeben, die wir nachfolgend dokumentieren. Sie kann hier als PDF heruntergeladen werden: Stellungnahme fzs FEG.
Mit der folgenden Stellungnahme kommentieren wir als studentischer Dachverband den vorgelegten Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) vom 26. November, mit welchem das Aufenthaltsgesetz novelliert werden soll. Neben grundsätzlichen Erwägungen zur Ermöglichung von Einwanderung werden wir uns in der Folge vornehmlich auf die beabsichtigten Änderungen von Student*innen betreffenden Paragraphen konzentrieren, dies ist neben inhaltlichen Gründen auch der Kurzfristigkeit der Stellungnahme geschuldet.
§ 15 Zurückweisung
Aus der Haltung heraus, dass Menschen ihren Aufenthaltsort selbstbestimmt wählen können sollten, ist § 15 ersatzlos zu streichen. Alle darauf Bezug nehmenden Paragraphen sind entsprechend anzupassen.
§16 Grundsatz des Aufenthalts zum Zweck der Ausbildung
Mit Befremden haben wir zur Kenntnis genommen, dass im § 16 (1) der Zugang zur Ausbildung – sowie auch an weiteren Stellen im Gesetz der Möglichkeiten an die Bedingung der Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit geknüpft ist. Befremdlich ist das insbesondere, weil dies eine sehr vage Formulierung ist, die in der Implementation viel Spielraum zu einer sehr engen Auslegung lässt. Es stellt sich die Frage, wer dies wie einschätzen soll. Wir sehen die Gefahr, dass dies zu pauschalen und diskriminierenden Restriktionen führt. Zudem impliziert dies einen Generalverdacht gegenüber Studienanwärter*innen, die nicht aus Deutschland kommen: Aus welchem Grund sollten sie die öffentliche Sicherheit gefährden? Bei Student*innen mit deutschem Pass gibt es keine solche Einschränkung.
Auch die ‚Berücksichtigung der Ausbildungskapazitäten‘ beim Zugang zur Ausbildung legt Restriktion nahe – es scheint, als sollten internationale Student*innen bei der Studienplatzvergabe praktisch gezielt benachteiligt und damit diskriminiert werden.
In (2) werden darüber hinaus den Bildungsträger*innen die Aufbewahrung einer Kopie des Aufenthaltstitels sowie strikte Meldepflichten auferlegt. Damit werden Bildungsträger*innen zu Erfüllungsgehilfen der Ausländerbehörden, was abzulehnen ist.
§ 16a – Berufsausbildung
Bildungswege sind nicht linear. Die Student*innen von heute können die Auszubildenden von morgen sein und umgekehrt. Aus studentischer Perspektive ist es wichtig das Aufenthaltsrecht nicht nur für Student*innen, sondern für alle inklusiv zu gestalten. Angesichts der multifaktoriellen Erklärungen, die zu Änderungen des Aufenthaltsstatus führen können, beurteilen wir die in § 16a (4) verankerte Dauer von einem halben Jahr zur Suche eines anderen Ausbildungsplatzes für zu kurz bemessen. Um üblichen Anfangszeitpunkten von Ausbildungen entsprechen zu können, und um bei entsprechender Hochschulzugangsberechtigung auch alternativ die Aufnahme eines Studiums in Erwägung ziehen zu können, schlagen wir hier vor, die Formulierung folgendermaßen anzupassen: „[…] für die Dauer von mindestens 12 Monaten die Möglichkeit zu geben, einen anderen Ausbildungs- oder Studienplatz zu suchen.
§ 16b Studium
Durch den in (1) geforderten Nachweis des Sprachniveaus B2 werden die Bedingungen schärfer als bis dato formuliert. Die konkret im Studiengang erforderlichen Sprachkenntnisse sollten an dieser Stelle genügen.
Besonders unverständlich ist die in (2) festgehaltene Dauer für die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung. Kaum eine Ausbildung dauert nur zwei Jahre. Alleine das Bachelorstudium dauert in der Regel mindestens 6 Semester und damit drei Jahre. Dass das Studium insbesondere auf der häufig schwierigen finanziellen Lage von internationalen Student*innen länger dauert, macht die Sache noch schwieriger. So muss mitten in der Ausbildung ein neuer Antrag gestellt werden, die Zustimmung ist nicht sicher. Somit ist für internationale Student*innen nicht sicher, ob sie ihr in Deutschland begonnenes Studium überhaupt beenden können – was dazu führen könnte, dass sie überhaupt keines aufnehmen. Dies widerspricht dem sonst häufig angeführten Ziel der Internationalisierung der Hochschulen. Wir fordern, dass die Aufenthaltserlaubnis mindestens an die tatsächliche Studiendauer angepasst wird!
In (7) ist neben der Verengung des Hochschulwechsels von Geflüchteten innerhalb der EU zu kritisieren, dass diese bereits zwei Jahre hochschuliche Bildung genossen haben müssen. Eine Einschreibung muss ohne derartige Einschränkungen möglich sein.
§ 17 Suche eines Studien- oder Ausbildungsplatzes
Grundsätzlich sind hier die in (1) und (2) genannten Bedingungen sehr strikt formuliert. In (1) wird darüber hinaus eine Altersgrenze festgelegt, die wir ablehnen. Auch der Ausschluss anderer Zwecke wirkt befremdlich, da der Zweck natürlich die Suche ist, es aber möglicherweise andere Tätigkeiten am Rande des Suchaufenthaltes geben wird, die als Zwecke missverstanden werden können. Um diese Unschärfe mit angemessener Sicherheit vermeiden zu können, sollte diese Formulierung gestrichen werden.
Bezüglich des in (3) postulierten Ausschlüsse von Nebentätigkeiten merken wir an, dass Studienplatzsuche dauert und kostspielig ist. Wenn in 17 (2) 2. gefordert wird, dass Selbstversorgung sicher gestellt sein soll, müssen auch schon materielle Voraussetzungen geschaffen werden.
§ 20 Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte
Die Unterscheidung in den Sätzen 1. und 2. des § 20 (3) erschließt sich uns nicht. Aufenthaltserlaubnisse sollten stets möglichst lange gewährt werden, weshalb wir befürworten, beide Zeiträume auf den längeren, sprich 18 Monate, anzugleichen. Dies gilt es auch für (1) und (2) umzusetzen.
§ 57 Zurückschiebung
Aus der Haltung heraus, dass Menschen ihren Aufenthaltsort selbstbestimmt wählen können sollten, ist § 57 ersatzlos zu streichen. Alle darauf Bezug nehmenden Paragraphen sind entsprechend anzupassen.
§ 69 Gebühren
Keine nennenswerten Änderungen sind in § 69 vorgesehen, in dem es weiterhin heißt: „Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen werden Gebühren und Auslagen erhoben.“ Die regelmäßigen Erfordernisse entgeltlich die Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, stellt für internationale Student*innen eine nicht unmaßgebliche finanzielle Belastung darf. Wir regen entsprechend einen Verzicht auf diese Gebühren an. Aufgrund sprachlicher Barrieren und möglicher Unkenntnis der behördlichen Strukturen halten wir die ebenfalls vorgesehene mündliche Gebührenfestsetzung für unzulässig.
§ 71 Zuständigkeit
Für eine gute Betreuung und Wahrung der individuellen Bedürfnisse halten wir zentrale Ausländerbehörden (sic!) für den falschen Weg und befürworten stattdessen eine dezentrale menschenwürdige Bearbeitung von Visaanträgen ohne die langen Zeitverzüge, wie sie aktuell an der Tagesordnung sind und die eine enorme Belastung für internationale Student*innen, Wissenschaftler*innen und alle anderen, die auf einen solchen Behördengang angewiesen sind, darstellen.
§ 82 Mitwirkung des Ausländers (sic!)
Forderung des § 82 ist, dass Ausländer*innen binnen zwei Wochen die Behörden über ein vorzeitiges Ende von Ausbildung oder Studium zu informieren haben. Diese zeitliche Fristsetzung ist zu eng und wird der möglichen Belastung, die mit einem solchen Abbruch verbunden sein kann, nicht gerecht. Ferner darf diese Mitteilung nur dem Ziel dienen, Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Ausbildungs- bzw. Studiumsplatz zu erhalten und nicht Anlass für behördliche Restriktionen sein.
Diese inhaltlichen Erwägungen erfolgen im Rahmen nachfolgend genannter Grundsätze und Rahmenbedingungen:
Grundsätze
Der freie zusammenschluss von student*innenschaften begrüßt die Absicht, dass mit einer Novellierung des Aufenthaltsgesetzes Einwanderung ermöglicht werden soll. Unsere grundsätzliche Position ist jedoch jene, dass Bleiberecht grundsätzlich für alle gelten sollte und Selektion des Aufenthaltsrechts nach Staatsangehörigkeit oder Herkunft zu vermeiden ist. Entsprechend kommen wir auch zu einer kritischen Betrachtung der Fokussierung auf Fachkräfte. Dies geschieht aus mehreren Perspektiven:
- Unterschiedlichkeit: Fachkraft zu sein ist ein Umstand, der sich international aus unterschiedlichsten Qualifikationen, Kenntnissen und Erfahrungen speist. Insofern ist die Konzentration auf einen Hochschulabschluss oder eine qualifizierte Ausbildung möglicherweise zu eng.
- Nützlichkeitsdoktrin: Mit der Fokussierung auf Fachkräfte wird mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf angestrebt, Menschen die Einwanderung zu ermöglichen, die der deutschen Wirtschaft und ihrem Wachstum zuträglich sind. In dieser Debatte hat sich das Schlagwort des „Fachkräftemangels“ beinahe zu einem Dogma entwickelt. Es scheint uns jedoch höchst problematisch, Menschen lediglich von ihrer beruflichen Verwertbarkeit in einem wirtschaftlichen Kontext zu denken. Aus einem Gleichwertigkeitsgrundsatz verbietet es sich, Menschen von ihren Abschlüssen und ihrer wirtschaftlichen Nützlichkeit zu bewerten und die Möglichkeit zu einem Aufenthalt und Leben in Deutschland alleine damit zu verbinden. Wie das Leben in Deutschland genau geführt wird, sollte nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit bedingtcwerden, sondern für alle gleich frei möglich sein.
- Fachkräftemigration: Die Schattenseite des vermeintlichen deutschen Fachkräftemangels wird mit Blick auf die Abwanderungsbewegungen nach Deutschland aus anderen Ländern deutlich. Problematisch ist es, wenn es Ziel ist oder billigend in Kauf genommener Nebeneffekt wird, wenn Hochqualifizierte aus kleineren Volkswirtschaften abgeworben werden und die dortige Innovativkraft geschmälert wird, bzw. weiterhin von deutschen Unternehmen geleistet werden soll. Die Art und Weise, in der das im deutschen Sprachraum als „Brain-Drain“ im englischen als „human capital flight“ die Rede ist, ist ebenfalls hochproblematisch und auf Nützlichkeitserwägungen basiert. Deshalb bedarf es für diesen Sachverhalt einer ambivalenten Betrachtung und einer tiefergehenden Analyse, zu der die Migrationssoziologie ihren Beitrag leisten kann. Es sollte selbstverständlich allen Menschen möglich sein, zu migrieren. Wenn Anreize allerdings so gesetzt werden, dass ein wirtschaftlicher Mindestlebensstandard nur in starken Wirtschaftssystemen realisierbar ist, während andernorts Existenzminima gefährdet sind, ist das zynisch und verstärkt globale Ungleichheiten.
Rahmenbedingungen
Ausgehend von den in der gebotenen Kürze einer Stellungnahme dargestellten Grundsätzen, ergeben sich aus unserer Perspektive verschiedene Rahmenbedingungen, die als Gelingensfaktoren für mehr Einwanderung, insbesondere von Student*innen, geboten scheinen. Aus diesen wären Maßnahmen abzuleiten, die Hürden beim Zugang zum Studium abbauen, auch wenn diese nicht notwendigerweise in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegen. Schließlich hilft ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Einwanderung und Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Bildung nicht, wenn nicht auch die Rahmenbedingungen darüber hinaus angepasst werden:
- Abwesenheit von Bildungsgebühren: Internationalen Student*innen ist die Studienfinanzierung ohnehin in einem höheren Maße erschwert, so dass Gebühren Selektionsprozesse verstärken. Perspektivisch bedarf es deshalb einer auskömmlichen Studienfinanzierung für alle.
- Wohnraum: Internationale Student*innen sind auf dem Wohnungsmarkt vielfach Diskriminierungen und ausgesetzt. Es müssen Maßnahmen für einen diskriminierungsfreien Wohnungsmarkt getroffen sowie Investitionen in studentisches Wohnen getätigt werden.
- Antirassismus: Es muss gesellschaftlicher Konsens sein, dass Menschen hier frei von Diskriminierung und Bedrohung leben können. Der Staat muss sie Migrant*innen schützen und antirassistisches Engagement fördern.
Wir kommen in Summe zu der Einschätzung, dass es sich bei der beabsichtigten Änderung des Aufenthaltsgesetzes nicht um ein Einwanderungsermöglichungsgesetz handelt. Dies schätzen wir als Resultat eines massiv migrationsfeindlichen öffentlichen Diskurses ein, den wir scharf verurteilen. Darüber hinaus schließen wir uns, insbesondere hinsichtlich der Einschätzungen zu Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung sowie Arbeitsverboten der gemeinsamen Stellungnahme von Pro Asyl, verschiedener Flüchtlingsräte und weiteren Akteur*innen an. Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass bedauerlicherweise in der Regel nur von Ausländern und nicht auch von Ausländer*innen die Rede ist. Wir regen an das zu ändern und weisen insbesondere die Leitungsebene des BMI daraufhin, dass es in anderen Ländern auch Frauen und Menschen weiterer Geschlechter gibt.