Brief an Anja Karliczek: Sozialrechtliche Hürden für Studierende in der aktuellen Versorgungssituation

News zu unserem Brief: Jens Spahn hat gerade bekannt gegeben, dass Studierenden, die im Kampf gegen Corona helfen, der dafür gezahlte Lohn nicht vom BAföG abgezogen wird. Zur Pressekonferenz des Bundesministeriums für Gesundheit: https://youtu.be/KZwksnknXI8?t=911

Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek, 

die gegenwärtige COVID-19-Pandemie stellt die Bundesrepublik und die Gesundheitsversorgung vor erhebliche Herausforderungen. Folgt man den aktuellen Statistiken u.a. des Robert Koch-Instituts und des Coronavirus Research Centers der John Hopkins University ist absehbar, dass die Kapazitäten der Gesundheitsversorgung dringlich erhöht werden müssen. Der Rückgriff auf Studierende stellt hierbei eine häufig geforderte oder teilweise bereits eingeleitete Maßnahme dar. 

Als bundesweite Studierendenvertretungen nehmen wir gegenwärtig eine große Welle der Solidarität wahr. Über 15.000 Studierende haben sich bereits bis heute an zuständige Einrichtungen gewandt und ihre Bereitschaft zur Hilfe signalisiert. 

Viele weitere Studierende würden sich einbringen, werden jedoch durch finanzielle und bürokratische Hürden abgeschreckt. Medizinstudierende oder Studierende in anderen Gesundheitsberufen müssen befürchten, dass Einkünfte über 451,82 EUR im Monat respektive 5.421,81 EUR im Jahr im Sinne des ​Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) von den Leistungen abgezogen werden oder gar ihren BAföG-Anspruch zu verlieren. Selbiges gilt auch für Studierende anderer Fachbereiche. Wer statt zu studieren nun lieber Helfen möchte, weiß derzeit nicht, ob das BAföG nach Ende der Regelstudienzeit dann dennoch weitergezahlt wird. Diese Regelung hält viele potentielle Helfende ab ihre Fähigkeiten und Kapazitäten einzubringen, da sie Probleme bei der Studienfinanzierung im Laufe und nach der Krise fürchten. Mit Blick auf die aktuellen Infektionszahlen und Prognosen ist dies ein nicht haltbarer und für die Versorgung unzumutbarer Zustand. 

Ebenfalls problematisch ist die sozialversicherungsrechtliche Rahmensituation zu geringfügigen Beschäftigungen nach §8 SGB IV. Studierende, die bereits studienbegleitend einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, geraten durch ihren Unterstützungswillen vielfach in eine sozialversicherungspflichtige Einkommenssituation. Dadurch kann sogar ein Hilfseinsatz gänzlich verhindert werden, wenn der Arbeitgeber (bspw. eine Uniklinik) beider Minijobs identisch ist und eine solche Doppelanstellung ablehnt. Hier wäre unbürokratisch eine interministerielle Initiative zur mildernden Nichtanrechnung von Einkommen aus COVID-19-bedingten Hilfseinsätzen ein wichtiger Schritt und würde vielen Studierenden und auch Arbeitgebern notwendige Planungssicherheit zur Organisation der Versorgung bieten. 

Wir bitten Sie in Ergänzung u.a. zum Anschreiben von Herrn Minister ​Thümler aus dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur daher, Regelungen zu schaffen, die es Studierenden ermöglicht, Tätigkeiten in der Pandemiebewältigung abzugsfrei vergütet zu bekommen. 

Als Vertretungen der Studierenden freuen wir uns über die Berücksichtigung unserer Anregungen und darüber hinaus mit ihnen in weiteren Austausch zu treten. 

Mit freundlichen Grüßen
die unterzeichnenden Verbände:

Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd)

freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e.V.

Marburger Bund

Hartmannbund