fzs in der Krise? – Strukturdebatte und Perspektiven eines Verbandes

von Stefan Schulte (AStA Vorstand Marburg), Volker Hinck (Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t.)

Im letzten Jahr war ein Thema stets Gegenstand zahlreicher und hitziger Debatten in den verschiedenen Gremien des fzs – die Verbandsentwicklung. Es gilt, den fzs bereit zu machen für die Herausforderungen, die sich aus dem voran schreitenden Bologna-Prozess, der flächendeckenden Einführung von Studiengebühren, der Föderalismusreform und anderen Projekten der Umstrukturierung von Hochschule und Gesellschaft ergeben. Die wichtigste Fragestellung muss sein, wie es der Verband schafft, unter den sich dramatisch verschlechternden Bedingungen, weiterhin eine aktive Rolle sowohl in hochschul- und bildungspolitischen wie auch in gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen einzunehmen. Daneben besteht in verschiedenen Spektren eine große Unzufriedenheit mit der bisherigen Verbandspraxis und scheinbar unversöhnlich stehen sich „BasisaktivistInnen“ und „LobbyarbeiterInnen“ gegenüber. Auch wenn die Unzufriedenheit vielfältige Gründe hat, steht der Verband vor erheblichen Herausforderungen, die er nur mit einer ernsthaften Debatte um die Verbandsentwicklung meistern kann.

Der fzs – ein Interessenverband

Beginnen wir zunächst mit der Frage nach dem Selbstverständnis des fzs. Hierzu eine Feststellung: Der fzs ist ein bundesweiter studentischer Interessenverband und wird es auch bleiben. Dazu ist er nach langen Jahren der Arbeit gegründet und etabliert worden. Allerdings sollte sich anschließend an diese Feststellung vergegenwärtigt werden, unter welchen Bedingungen die Arbeit als studentische LobbyarbeiterInnen stattfinden sollte.

Diese Lobbyarbeit kann auf zwei Arten erledigt werden: zum Einen als Beratung der Regierenden in der Hoffnung, dass diese die eigenen Positionen übernehmen, zum Anderen als Eintreten für die eigene Position bei politischen Akteuren – sowohl parlamentarischen als auch außerparlamentarischen – und gegenüber der Öffentlichkeit. Nur die zweite Variante garantiert, dass der fzs als Verband politisch unabhängig bleibt und nicht von Parteien vereinnahmt wird. Hinderlich bei der Verteidigung der Unabhängigkeit sind allerdings machtpolitische Interessen von AkteurInnen innerhalb des Verbandes.

Hier sollte eins klar gestellt werden: Der fzs ist weder Karrieresprungbrett für NachwuchspolitikerInnen aus SPD und Linkspartei, noch linksradikale Vorfeldorganisation. Er ist in erster Linie bundesweite hochschulpolitische Organisierung der Studierendenvertretungen, in zweiter Linie Plattform des Austauschs für Basisorganisierungen und Studierende an den Hochschulen. Lobbyarbeit, die auf die Verquickung mit Parteiinteressen setzt, ist indiskutabel und fördert eine Instrumentalisierung der Verbandspolitik. Dabei geht es nicht darum, eine Zusammenarbeit prinzipiell auszuschließen – in vielen Punkten ist es notwendig, sich strategisch PartnerInnen zu suchen um Verbandsinteressen durchzusetzen. Aber es darf sich dabei nicht an Parteien oder Einzelpersonen der Regierung gebunden werden. Die Autonomie des Verbandes muss jederzeit gewährleistet sein und die Interessen des Verbandes müssen stets im Blick behalten werden. Der fzs darf nicht den Fehler machen, sich auf eine „konstruktive Zusammenarbeit“ in allen politischen Fragen einzulassen, denn es besteht sehr leicht die Gefahr, dass man sich damit instrumentalisieren lässt und sich in der Kritik an der herrschenden Bildungs- und Sozialpolitik selbst beschneidet.

Bei der aktuellen Regierungskonstellation ist an eine produktive Zusammenarbeit – auch ganz realpolitisch gesprochen – nicht zu denken. Auch SPD Alleinregierungen oder Rot/Grün sehen sich und sahen sich unter scheinbaren Sachzwängen zu neoliberaler Hochschul- und Sozialpolitik gezwungen.

Die anschließende Frage ist: Unter welchen Bedingungen heute noch Lobbyarbeit nötig und möglich sein kann. Nachdem durch die Föderalismusreform die Kompetenzen für Hochschulpolitik weitestgehend auf die Länder übertragen wurden bzw. bei ihnen blieben, ist hochschulpolitische Lobbyarbeit auf Bundesebene bedeutungsloser geworden. Diese Entwicklung wird durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot allgemeiner Studiengebühren durch den Bund und im Zuge des Bologna Prozesses, an dem der Bund auf europäischer Ebene beteiligt war, noch gestützt. Dadurch sind vor allem die Landesvertretungen der Studierendenschaften in der Frage der Lobbyarbeit aufgewertet worden, während der fzs seine Aufgaben in diesem Bereich neu definieren muss. Das Verhältnis von fzs und Landesvertretungen muss sich also verbessern. Darüberhinaus muss der fzs neben den Landesvertretungen, den örtlichen Studierendenvertretungen und Basisorganisierungen als koordinierende Plattform zur Verfügung stehen.

Dass sich Proteste jenseits des fzs organisieren müssen – wie im Fall Hessens geschehen -,da ihr Anliegen innerhalb des Verbandes als Bedrohung der eigenen eingefahrenen Politikstrukturen wahrgenommen wird, ist ein Unding. Auch dies gehört zu dem Stichwort einer neuen Verbandsstruktur und -kultur: für Kritik und Mitarbeit jenseits der Mitglieds-Studierendenschaften offen zu sein. SchülerInnen und studentische Basisgruppen sollten hier erste AnsprechpartnerInnen sein.

Dachverband contra Strömungsverband

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt der Verbandsentwicklungsdebatte ist die Frage, ob der fzs Dachverband aller Studierenden sein will oder ein Strömungsverband ist, der eine Mischung verschiedenster linksliberaler bis linker Positionen vereinigt. Diese Frage ist nicht neu in der Debatte, denn schon 2001 wurde genau diese Frage auf einer Mitgliederversammlung diskutiert. Damals wurde neben der Einführung der Stimmstaffelung auch beschlossen, dass der fzs nicht mehr wie seit seiner Gründung ein politischer Strömungsverband sein soll, sondern das Ziel hat, alle Studierenden als Dachverband zu vertreten. Dieser Beschluss wurde bis heute allerdings nicht verwirklicht und wird auch nie verwirklicht werden können, denn die Standpunkte, die der fzs derzeit vertritt, sind nicht im Interesse aller Studierendenvertretungen und schon gar nicht im Interesse aller Studierenden.

Auch wenn es zahlreiche Debatten in AS-Sitzungen und auf den Mitgliederversammlungen nicht vermuten lassen, so muss man doch einsehen, dass in wesentlichen Fragen wie der Ablehnung von Studiengebühren, Elitedenken und Entdemokratisierung der Hochschulen Einigkeit herrscht. Der fzs formiert zwar eine diffuse Strömung unterschiedlichster linksliberaler bis linker Positionen, diese unterscheiden sich aber deutlich von technokratisch-elitären Modellen neoliberaler oder autoritär-konservativer Konzeptionen des RCDS. Gerade jetzt, wo zunehmend Konservative in die Studierendenvertretungen einziehen und unter den Bedingungen von Bologna & Co., muss ein bundesweiter Studierendenverband, der sich als mehr versteht als als Co-Management der neoliberalen und konservativen Umstrukturierung der Hochschulen, aktiv gegen die politische Situation mobil machen und kann nicht gleichzeitig die Studierenden vertreten, die diese Umstrukturierung befürworten und mit vorantreiben möchten.

Der fzs darf deshalb kein Verband mit beliebig je nach Mehrheitsverhältnissen veränderbaren Standpunkten sein, sondern muss ein konkretes Profil progressiver, emanzipatorischer Positionen verkörpern. In diesem Sinne kann es dem Verband nicht um die Funktion eines Dachverbandes und einen Vertretungsanspruch aller gehen, sondern um inhaltlichen Anspruch.

Eine neue Verbandskultur

In der Einleitung wurden bereits die scheinbar unversöhnlichen Fraktionen erwähnt, die sich derzeit im Verband gegenüberstehen. Die Auseinandersetzung verläuft dabei hauptsächlich zwischen Einzelpersonen, ohne die Möglichkeit der Partizipation von nicht in Gremien arbeitenden Verbandsaktiven. Um aber eine produktive Arbeitsgrundlage im Verband zu schaffen, Verbandsperspektiven zu erarbeiten und auf Dauer zu gewährleisten, braucht es die Mithilfe aller Verbandsaktiven. Gegenseitiger Respekt auch bei Kritik und Auseinandersetzungen der verschiedenen Positionen muss – gerade auch aufgrund der Pluralität der Interessen – zukünftig wichtiger, wenn nicht sogar zentral werden. Denn gerade auch Konflikt und damit auch der inhaltliche Austausch müssen in einem Verband stattfinden. Dazu braucht mensch allerdings auch eine neue Verbandskultur der sachlichen Auseinandersetzung, die nicht durch machtpolitische Argumente aufgelöst wird.

Offene Widersprüche müssen im Raum stehen können, ohne gleich den Verband zu lähmen. Nur so können politische Austritte verhindert bzw. weitere ASten zum (Wieder-)Eintritt bewegt werden. Desweiteren muss an der Kommunikation innerhalb des Verbandes und der einzelnen Gremien gearbeitet werden. Es muss Grundlage für jede vertrauensvolle Zusammenarbeit sein, dass Gremienmitglieder transparent arbeiten, sodass jedeR weiß, was der oder die andere derzeit tut. Auf einer anderen Ebene betrachtet ist wichtig, dass der Verband nicht zu einem ständischen Kasperltheater oder schlimmer noch zum erweiterten Arm der jeweiligen Landes- und Bundesregierungen zur Integration der Studierenden wird und aufhört, politische Themen zu beackern, die über den engen hochschulpolitischen Rahmen hinausgehen.

Antifaschismus, Antirassismus, Sozialpolitik, aktiver Einsatz für demokratische Grundsätze etc. bleiben politisches Betätigungsfeld eines studentischen Verbandes, sowohl als Querschnittsthemen wie als eigenständige Bestandteile in seiner internen Struktur. Dies kann und darf sich nicht nur auf den Hinweis beschränken, wie diese Felder auf Studierende wirken, sondern muss sich auch mit der Situation anderer gesellschaftlicher Gruppen beschäftigen: Zum einen, weil die zunehmende Aufspaltung in Partikularinteressen, die nur noch taktische Bündnisse zwischen gesellschaftlichen Gruppen erlaubt, eine der dominierenden Herrschaftstechniken ist, die die moderne Sozial- und Geisteswissenschaft ermöglicht und gestattet, Solidarität zu disqualifizieren.

Gerade AkademikerInnen, die häufig noch auf Ressourcen wie Zeit, Bildung und Räume zurückgreifen können, sollten sich mit Herrschaftsverhältnissen auseinander setzen und auch internationale Solidarität befördern. Zum anderen, weil viele gesellschaftliche Entwicklungen Studierende nach dem Abschluss oder bei Geburt eines Kindes zukünftig oder vermittelt durch die Familie schon augenblicklich betreffen. Ausgehend von diesen beiden Aspekten ist ein Allgemeinpolitisches Mandat weiterhin dringend geboten.

Strukturelle Veränderungen

Zur Debatte über die Verbandsentwicklung gehört auch der Punkt der Verbandsstruktur. Hier wird sich der fzs einem Wandel unterziehen müssen, da sich die Arbeit und Zusammensetzung der Studierendenschaften – und somit auch die des fzs – im Zuge des Bologna Prozesses grundlegend ändern wird. Über diese Feststellung herrscht im Verband sogar Einigkeit, Differenzen gibt es aber bei den Schlussfolgerungen aus dieser Tatsache. Auch unabhängig von den Herausforderungen an den fzs, die sich aus dem Bologna Prozess ergeben, wäre es nötig, die aktuelle Struktur des Verbandes zu überdenken und zu verändern. Die wichtigsten Gremien des Verbandes zeichnen sich derzeit nur durch ihre Arbeitsunfähigkeit aus und inhaltliche Diskurse gehen oftmals in Formaldebatten, persönlichen Anfeindungen und Lagerkämpfen unter. Sicherlich sind all diese Probleme nicht nur der Struktur des Verbandes anzulasten, jedoch muss sich jede ernsthaft geführte Debatte um die Entwicklung des Verbandes, wie bereits erwähnt, auch damit befassen.

Entscheidende Frage ist, wie es der Verband schafft, genügend Studierende für die Arbeit im Verband zu gewinnen. Der von seinen Grundpositionen her barrierefreie Verband erscheint in dieser Hinsicht extrem abgeschlossen und zeichnet sich durch zunehmende Hierarchisierung und Monopolisierung aus. Die bereits ohnehin äußerst hohen Paritizipationshürden des Verbandes werden durch eine Professionalisierung im Rahmen der angedachten Einrichtung von hauptamtlichen ReferentInnenstellen nur noch weiter gefestigt und verstärkt. Es muss dem entgegen dazu übergegangen werden, den Verband als breite Plattform zu begreifen, die von der Beteiligung möglichst vieler Aktiver lebt. Wie bereits erwähnt, muss dazu übergegangen werden, den Aktivenkreis über den Kreis der Aktiven in den einzelnen Mitgliedshochschulen zu erweitern. Der Verband sollte aktiv um Studierende von der Basis, um SchülerInnen und andere Interessierte werben. Dazu muss dann auch gehören, dass sich der fzs auf eher unbekannte Gesichter einlässt. Es kann nicht sein, dass eine Person für eine Referentenstelle vorgezogen wird, nur weil er oder sie schon länger im Verein aktiv ist und dem zugehörigen Ausschuss oder Arbeitskreis gut bekannt.

Wir brauchen immer wieder neue Aktive um festgefahrene Strukturen zu erkennen, diese zu brechen und bisherige Verbandspraktiken in Frage zu stellen, wozu viele langjährig Aktive nicht mehr fähig sind. Auch aus dem progressiven und emanzipatorischen Selbstverständnis des fzs heraus ist eine Umstrukturierung des Verbandes in Rahmen der vorgeschlagenen Professionalisierung undenkbar. Bei jeder Strukturdebatte sollten für uns nicht dieselben Kriterien die entscheidenden sein, wie dies in einem Wirtschaftskonzern neoliberaler Prägung der Fall ist. Wir müssen daher flache Hierarchien schaffen, Partizipationshürden abbauen und allen Interessierten eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Die politische Arbeit des Verbandes kann und darf nur in den Händen aller Aktiven bleiben; eine professionelle ReferentInnenstruktur ist abzulehnen!

Um eine gewisse Kontinuität zu schaffen, ist es aber durchaus überdenkenswert, einen Professionalismus im Sinne einer hauptamtlichen Geschäftsführung zu integrieren, die sich um Organisationsaufgaben, Infrastruktur und Verbandskommunikation kümmert und damit Raum für die politische Arbeit der ehrenamtlich Aktiven öffnet .

Inhaltliche Perspektive des fzs

Als letzter Punkt soll nun noch die inhaltliche Perspektive des fzs diskutiert werden. Wie es schon bei der Frage der Lobbyarbeit diskutiert wurde, hat der fzs vor allem durch die Föderalismusreform in gewissen Bereichen an Einfluss verloren bzw. muss eine neue Rolle in der Auseinandersetzung mit hochschulpolitischen Themen finden. Die Kernaufgaben des fzs sollten sich in der kurzfristigen Perspektive daher auf Inhalte und noch stärker auf die Vernetzung von Studierendenschaften, Kampagnen und den Protesten gegen die Einführung von Studiengebühren verschieben.

Da unter den gegebenen Kräfteverhältnissen nicht zu erwarten ist, dass die neoliberale Restrukturierung der Hochschulen aufzuhalten ist, wären dagegen langfristig auch Perspektiven für hochschul- und gesellschaftspolitische Ansätze an der neoliberalen Dienstleistungshochschule zu entwickeln. Eine verbandsinterne Debatte hierzu ist eines der dringenden Projekte der nächsten Jahre. Stichworte hierfür wären: Wie gehen wir mit Studierenden um, die als Ich-AGs durch ihr Studium gehen? Woher kommen noch die personellen Ressourcen für engagierte Arbeit in verfassten und nicht verfassten Studierendenschaften? Welche Formen studentischer Politik wären in jenseits der immer stärker beschränkten demokratischen Mitarbeit in Gremien zu entwickeln? Was heißt der stärkere Ausbildungscharakter der Hochschulbildung für die Interessen von Studierenden? Eine Diskussion über langfristige Strategien studentischer Politik machen den Verband auch nach Außen wieder attraktiver, da sich alle hochschulpolitischen Organisationen in den nächsten Jahren mit diesen Thematiken beschäftigen müssen. Damit muss auch eine Aufwertung und Verbesserung inhaltlicher Diskussionen einhergehen. Der Verband muss sich die nötige Zeit für wichtige inhaltliche Diskussionen nehmen und diese sachlich und kritisch führen. Die Manifestation dessen könnte darin Ausdruck finden, die Quantität von Positionspapieren des Verbandes durch Qualität derselben zu ersetzen. Es bringt nichts, Papiere mit Forderungen zu produzieren, welche unterschiedlich gelesen und interpretiert werden (können) und nicht zu einer kohärenten politischen Praxis des Verbandes führen.

Vielmehr sollte dazu übergegangen werden, weniger, aber dafür durchdiskutierte Positionen zu verabschieden, welche sich dann allerdings auch in der realen Politik des fzs abzeichnen. Dies wird sicher auch zu mehr Beteiligung an den Diskussionen seitens der Mitgliedshochschulen führen, wovon letztlich alle Beteiligten und nicht zuletzt der Charakter des Verbandes profitieren werden.

Der Artikel erschien im fzs:magazin 1/2007.