Stellungnahme zur BAföG Novellierung

I. Einleitung

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften begrüßt die Bestrebungen der Bundesregierung die Bedarfssätze und Freibeträge zu erhöhen. Jedoch sind die vorgelegten Veränderungen nicht weitgehend genug. Die Novellierung versucht lediglich die Defizite, die seit 2008 entstanden sind, auszugleichen. Frühere Versäumnisse werden nicht beachtet. Positive Signale für die StudentInnen werden durch den Gesetzesentwurf nicht in ausreichendem Maß gesetzt, obwohl dies dringend nötig ist, wie sich durch die Studie „Studienberechtigte 2008“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung belegen lässt. 77% der Studienberechtigten geben an, dass das Fehlen finanzieller Voraussetzungen gegen ein Studium spricht und 73% der Befragten sehen Schulden als ein Hemmnis zu studieren an.

Auffällig ist die zeitliche Nähe des Gesetzesentwurfs zur Schaffung eines Nationalen Stipendienprogramms zur 23. BAföG-Novellierung. Die Bundesregierung versucht durch den gleichzeitigen Ausbau des BaföGs als elternabhängige Studienfinanzierung das Stipendienprogramm als elternunabhängige Studienförderung darzustellen, und nicht als reine Elitenförderung, die es in Wahrheit ist. Der fzs kritisiert diese Vorgehensweise aufs Schärfste.

II. fzs-Forderungen zur Ausgestaltung des BAföG

Aus Sicht des fzs muss eine Studienfinanzierung einige wenige Mindestanforderungen erfüllen. Herkunftsunabhängigkeit Der fzs fordert den vollen Bildungszugang für alle Menschen, unabhängig von deren familiärer oder regionaler Herkunft. Zu diesem Zwecke bedarf es einer entsprechend eltern- und herkunftsunabhängigen staatlichen Studienförderung.Diese Kriterien werden im derzeitigen Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht erfüllt. Es muss endlich gewährleistet werden, dass nicht die finanzielle oder familiäre Situation darüber entscheidet, ob Menschen ein Studium aufnehmen können. Ebenso darf hier auch die Nationalität keine Rolle spielen. Mit einer Umstellung auf eine herkunftsunabhängige Förderung ist auch eine Abkehr des Konzeptes der sozialen Schließung in Bezug auf die Nationalstaaten und die Staatsangehörigkeit mitzudenken. Als besonders überarbeitungsbedürftig erweisen sich dabei nach wie vor drei Teilaspekte: Erstens ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 1998 (Az.: 1 BvL 50/92), wonach die Ausbildungsförderung auch elternunabhängig geleistet werden muss, wenn die Voraussetzung dafür zwar nach BAföG nicht erfüllt sind, aber zugleich kein Unterhaltsanspruch mehr vorliegt, immer noch nicht angemessen Rechnung getragen. Das komplizierte Vorausleistungsverfahren in diesen Fällen schreckt reihenweise Betroffene davon ab, ihre rechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Es wäre nach nunmehr Zwölf Jahren auch unter dem Gesichtspunkt des „Lebenslangen Lernens“ an der Zeit nach geeigneteren Lösungen zu suchen. Zweitens bleibt der §2 Abs. 1a Satz 2 unberührt, wonach die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung erlassen kann, die eine Förderung von SchülerInnen mit eigenem Haushalt ermöglicht, wenn die Verweisung auf das Elternhaus aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist. Eine solche Rechtsverordnung wurde bislang von keiner Bundesregierung erlassen, weshalb der Bundestag als gesetzgebendes Organ eingreifen und selbst eine Regelung beschließen muss. Drittens sind nach wie vor Fälle denkbar, in denen Studierende ihre Hochschulzugangsberechtigung an deutschen Schulen erworben haben, aber keinen BAföG-Anspruch auf der Grundlage des §8 (Staatsangehörigkeit) haben. Dieser Zustand muss beendet werden. Bedarfsdeckend Automatische jährliche Anpassung Nach Auffassung des fzs ist eine gesetzlich verankerte, jährliche Anpassung der Förderhöhen und Bedarfssätze an die allgemeine Preisentwicklung ein absolut notwendiger Schritt, um das BAföG regelmäßig an die Lebensbedingungen der Studierenden anzupassen und damit seine Wirksamkeit zu erhalten. Die Anpassungen der letzten Jahre, sowohl des Höchstsatzes als auch der Elternfreibeträge, haben nicht einmal für einen Inflationsausgleich gesorgt. Vollzuschuss Das BAföG wurde bei seiner Einführung im Jahr 1971 als Vollzuschuss konzipiert. Ziel war es, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Erhöhung der Bildungsbeteiligung von Menschen aus finanzschwachen bzw. bildungsfernen Schichten zu erhöhen. Die heutige Regelung bringt eine drohende Verschuldung von bis zu 10.000 EUR allein aus dem BAföG-Bezug nach einem Studium und zu Beginn einer Berufslaufbahn mit sich. Auch dies hat eine hohe Abschreckungswirkung in Bezug auf die Aufnahme eines Studiums . Dies gilt insbesondere für Menschen aufsfinanzschwachen Herkunftsschichten. Für gerade diese Schichten ist aber eine gesicherte Studienfinanzierungsmöglichkeit elementar wichtig für die Aufnahme eines Studiums. Der Abschreckungswirkung von Verschuldung für die Aufnahme eines Studiums ist durch die (Re-)Konzeption des BAföGs als Vollzuschuss zu begegnen. Nur so kann gewährleistet werden, dass jede/r unabhängig vom finanziellen Hintergrund ein Studium beginnen kann, welches den individuellen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Ganz so, wie es 1971 die Zielsetzung der Einführung des BAföGs gewesen ist. Ausreichend hohe Freibeträge Die derzeitige durchschnittliche Förderungshöhe über alle BAföG- EmpfängerInnen hinweg beträgt etwa 398 EUR. Dies ist jedoch bei weitem nicht ausreichend für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten. Aus diesem Grunde sind viele BAföG-EmpfängerInnen zur Erwerbsarbeit gezwungen. Allerdings sind die derzeit gewährten Freibeträge von 255 EUR pro Monat viel zu gering gestaltet. Hier ist eine politische Entscheidung gefordert. Entweder das BAföG wird auch hinsichtlich der Vergabepraxis so umgestaltet, dass alle EmpfängerInnen eine ihren Lebensumständen angemessene Förderung erhalten oder die Freibeträge für durch eigene Erwerbsarbeit erworbene finanzielle Mittel werden ebenfalls an die tatsächlichen Realitäten angepasst und damit in der Konsequenz ausgeweitet. Untätigkeit in diesem Fall wirkt sich sowohl sozial als auch gesellschaftlich fatal aus. Aus Sicht des fzs ist jedoch die ausreichend hohe individuelle Förderung zu bevorzugen. Studierende mit Kind Das Absolvieren eines Studiums ist ebenso wie die Kindererziehung eine gesamtgesellschaftlich als wünschenswert einzuschätzende Leistung, die die besondere Unterstützung der Gesamtgesellschaft erfordert. Fällt beides zusammen, so ist hierauf besonders einzugehen, um Mehrfachbelastungen abzumildern. Einer hohen Wertschätzung dieser beiden Aufgaben widerspricht es jedoch, Studierende bei der Kindererziehung finanziell und strukturell allein zu lassen, wie es bisher leider der Fall ist. Um dem entgegenzuwirken, müssen aus Sicht des fzs weitere Vorkehrungen geschaffen werden, damit ein Studium auch mit Kind studierbar bleibt. Es müssen KiTa-Plätze ebenso wie angemessene finanzielle Regelungen in ausreichendem Maße vorhanden sein, um den finanziellen Mehraufwand studierender Eltern auszugleichen. Von einer Rückforderung der gewährten Unterstützung – seit Anfang des Jahre 2010 ist der Teilerlass der BAföG Schulden wegen Kindererziehung entfallen – ist aus Sicht des fzs gänzlich abzusehen. Durchschnittliche Regelstudienzeit Ein wichtiger Aspekt bei der Planung und Durchführung eines Studiums ist die Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit der individuellen Studienfinanzierungsmöglichkeit. Wenn das BAföG an die Realitäten der Studierenden angepasst werden soll, muss auch die Dauer der Gewährung des BAföG diesem Anspruch genügen. Die derzeitigen Regelungen stehen dem entgegen. Eine einfache Möglichkeit wäre hier, die Dauer der Förderung an die tatsächliche durchschnittliche Studienzeit des jeweiligen Studienfaches und damit an die Realitäten der StudentInnen anzugleichen.

III. Bewertung des vorgelegten Entwurfs

Altersregelungen

Das Höchstalter für den Beginn einer Ausbildungsförderung wurde von 30 auf 35 Jahre erhöht. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch wäre es sinnvoller, die Altersgrenze komplett aufzuheben, um ein lebenslanges Lernen tatsächlich zu ermöglichen.

Bedarf von StudentInnen

Die Bedarfssätze sollen um 2% erhöht werden und die Freibeträge um 3%. Konkret bedeutet dies eine Erhöhung des monatlichen Grundbedarfs um 7€. Dies ist nicht ausreichend. Der Wohnbedarf wird nicht in seiner tatsächlichen Höhe, sondern nur als Pauschale berücksichtigt.Diese ist mit 224€ monatlich zu niedrig bemessen – im Durchschnitt bezahlten Studierende 2009 281€ für ihre Unterkunft – und berücksichtigt außerdem keine regionalen Unterschiede im Mietniveau. Dies führt, bedingt durch das hohe Mietgefälle in der BRD, zu gravierenden Benachteiligungen. So benötigen beispielsweise StudentInnen in München durchschnittlich 348€. An nur zwei Hochschulstandorten, Dresden und Chemnitz, ist die Pauschale ausreichend, um die durchschnittlichen Wohnungskosten von StudentInnen zu decken.

Wenn der Mietanteil nicht sachgemäß berechnet und berücksichtigt ist, führt dies unweigerlich dazu, dass Teile des BaföGs nicht wie vorgesehen zu Studienzwecken verwendet werden, sondern „das Allernotwendigste“ mit dem Geld, das beispielsweise für Lernmittel vorgesehen ist, querfinanziert werden muss. Der Bundesregierung ist dies wohl bewusst, weshalb besonders scharf folgende Passagen in der Begründung des Gesetzesentwurfes zu kritisieren sind:

„[Die Pauschalierung der Wohnkosten] erscheint umso mehr gerechtfertigt, als die tatsächlichen Wohnkosten in den meisten Fällen ohnehin die bisherige im Bedarfssatz enthaltene Wohnkostenpauschale so weit übersteigen, dass die Ausbezahlung des bisher nachweisabhängigen Zuschlags schon derzeit die Regel und nicht die Ausnahme ist“ (S. 39)

„So ergeben sich zugleich indirekte Anreize zugunsten von Hochschulstandorten mit vergleichsweise geringen Mieten, die insbesondere zugunsten der neuen Bundesländer wirken dürften.“ (S. 40)

Die Bundesregierung untergräbt damit ausdrücklich die Prinzipien von Freizügigkeit und freier Berufswahl. Die Begründung ist zugleich dazu geeignet, einer sozialräumlichen Segregation zwischen arm und reich und zwar zwischen Ost und West Vorschub zu leisten. Dies konterkariert das Ziel gleichwertiger Lebensbedingungen für das gesamte Bundesgebiet.

Der Bedarf für Studierende nach §§13 Abs. 2 und 3 bedarf einer weit grundlegenderen Überarbeitung als es die Bundesregierung vorsieht. Es ist nicht einzusehen, dass StudentInnen, die auf BAföG angewiesen sind, sich noch nicht einmal eine durchschnittlich teure Wohnung leisten können, ohne empfindliche Abstriche hinnehmen zu müssen oder ihre Ausbildung zu gefährden1. Ferner müssen Heizkosten – zumindest pauschaliert – Berücksichtigung finden.

Fachrichtungswechsel

Es ist zu begrüßen, dass der erste Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund künftig keine Nachteile für StudentInnen nach sich ziehen wird.

1Der Rechtsprechung nach kann das der Fall sein, wenn 10€ oder mehr im Monat kontinuierlich fehlen.