Zunehmende Verflechtung von Wirtschaft und Wissenschaft
Hochschulwatch dokumentiert mehr als 10.000 Verbindungen zwischen der gewerblichen Wirtschaft und Hochschulen in Deutschland. Darunter sind Daten zu allen Unternehmen, die über ihre Vertretung in Hochschulräten über Hochschulpolitik mitentscheiden sowie zu etwa 900 Stiftungsprofessuren. An der Hochschule Kempten sitzen beispielsweise sieben Vertreter von Unternehmen im Hochschulrat, die gleichzeitig auch den Namen eines Hörsaals gesponsert haben.
Anna Lehmann, Bildungsredakteurin der taz: „Die Zahl der Stiftungsprofessuren hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Für Unternehmen sind sie ein beliebtes Mittel, um Einfluss zu nehmen, auf welchen Gebieten geforscht wird. Die FH Flensburg hat zum Beispiel mit dem Verband der norddeutschen Wirtschaft einen Vertrag über die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Windenergie geschlossen. Darin steht, dass ein Beirat über das von den Stiftern zur Verfügung gestellte Geld entscheidet. Der Haken dabei: sechs der sieben Beiratsmitglieder sind von den Stiftern entsandt. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird also klar verletzt.“
Intransparenz bei Drittmitteln
Drittmittelverträge von Hochschulen mit Förderern aus der Wirtschaft müssen in der Regel in Deutschland nicht veröffentlicht werden. Nur fünf Bundesländer sehen Sponsoringberichte für Hochschulen vor. Es gibt aber auch positive Beispiele: Nach dem neuen Transparenzgesetz in Rheinland-Pfalz müssen dortige Hochschulen bald Informationen über Drittmittelgeber offenlegen. In Niedersachsen sind Hochschulen neuerdings verpflichtet fortlaufend Sponsoringberichte zu veröffentlichen.
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Unabhängigkeit und Transparenz der Finanzströme sind ein hohes Gut der Wissenschaft. Wir fordern eine Veröffentlichungspflicht aller Kooperationsverträge zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie regelmäßige Sponsoringberichte aller Hochschulen. Außerdem müssen Hochschulen Teil der Informationsfreiheitsgesetze sein.“
Isabella Albert, freier zusammenschluss von studentInnenschaften: „Hochschulen werden immer weiter zu Produzenten von Arbeitskräften degradiert. Ein Studium ist keine Berufsausbildung und kann in keinem Fall nur die Interessen eines bestimmten Unternehmens bedienen. Die Drittmittel an unseren Hochschulen führen aber genau dazu. Studierende und Lehrende verlieren die Selbstbestimmung über ihr Handeln und bekommen häppchenweise Aufgaben aus der Wirtschaft.“
Professoren, Dozenten, Mitarbeitende und Studierende an Hochschulen sind aufgerufen, das Portal mit Fällen und Hinweisen weiter zu füllen.
Zum Portal: hochschulwatch.de
Kontakte:
Isabella Albert, Vorstand fzs – freier zusammenschluss von studentInnenschaften e.V. Tel.: 0151/ 16807671
Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende Dr. Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin Transparency International Deutschland e.V. Tel.: 030 – 54 98 98 0 Email:
Anja Mierel taz – die tageszeitung Tel.: 030/ 25 90 21 37