Stellungnahme Service Learning

beschlossen auf der 55. Mitgliederversammlung

Wenn Hochschulen sich gesellschaftlich relevanten Fragestellungen und Aufgaben widmen und diese Aktivitäten koordinieren, vernetzen und sichtbar werden lassen, dann erwachsen daraus strategische Wettbewerbsvorteile für die jeweilige Institution. Hochschulen entwickeln damit ein unverwechselbares Profil, das zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen, gesellschaftliche Ansprüche und die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung widerspiegelt. Eng damit verbunden sind ferner die für Drittmittelprojekte wichtige Vernetzung mit gesellschaftlichen Akteuren und die für die Standortsicherung relevante Einbindung in die Region.“
Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung: Gesellschaftliche Verantwortung an Hochschulen (S.6), 2013.
Die Hochschulen stellen einen wichtigen gesellschaftlichen Akteur dar: Es ist ihr Auftrag, über die (Persönlichkeits-)Bildung mündiger Menschen dazu beizutragen, dass das menschliche Zusammenleben von Allen demokratisch gestaltet wird. Dementgegen stehen die Hochschulen – aufgrund der permanenten Unterfinanzierung und der damit einhergehenden Drittmittelabhängigkeit – unter einem enormen Druck, ökonomisch verwertbare Ergebnisse zu produzieren.
Einen Ausdruck findet die Ökonomisierung von Studieninhalten beispielsweise im Konzept des sog. Service Learning. Dabei handelt es sich um Nischen im Curriculum, innerhalb derer sich Studierende ehrenamtliches Engagement mit Credit Points vergüten lassen und im Rahmen von Lehrveranstaltungen wissenschaftlich reflektieren können. Was zunächst gut scheint, macht allerdings das ganze Problem der auf den Arbeitsmarkt schielenden Bologna-Studiengänge deutlich.
Denn eigentlich sollte die kritische Reflexion gesellschaftlich relevanter Herausforderungen und die Frage nach deren Beantwortung durch das gesamte Studium ziehen – und nicht in kleine Freiräume ausgelagert sein. Ändert sich nichts an der gesamten Struktur des Studiums (hohe Prüfungsdichte, in egalitäres Lehr-Lernverhältnis, Einseitigkeit von Lehrinhalten), drohen Angebote wie das Service Learning zu Instrumenten des „leichten“ Erwerbs von Credit Points
zu verkommen.
Im (oben zitierten) Memorandum des „Hochschulnetzwerks Bildung durch Verantwortung“ wird ein weiteres Problem deutlich: Vor dem allgemeinen Verwertungsdruck, mit dem die Wissenschaftslandschaft konfrontiert ist, sind auch (vermeintliche) Nischen wie das
Service Learning nicht sicher. Es besteht die Gefahr, dass ehrenamtliches, intrinsisch motiviertes, Engagement für den Erwerb von soft skills für potentielle Arbeitgeber instrumentalisiert wird. Ehrenamt wird zum Selbstveredelungszweck; statt des Gemeinwohls treten Partikularinteressen in den Vordergrund.
Es bleibt festzustellen: Von verschiedenen Seiten betrachtet zeigt sich die Gefahr, dass über Konzepte wie Service Learning ehrenamtliches Engagement zum strategischen Selbstzweck wird und der Kommodifizierung gemeinwohlorientierter Arbeit Vorschub leistet. Um die Ausrichtung der Hochschulen stärker an ihre gesellschaftliche Aufgabe, Ort für kritische Aufklärung und Persönlichkeitsbildung zu sein, reicht keine Flickschusterei – sie muss in der Breite realisiert werden. Dafür braucht es (u.a.) demokratische Selbstverwaltungsstrukturen und ein Ende der Unterfinanzierung, damit die Hochschulen sich ihrer Verantwortung annehmen können.