Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/13402

Appell an die Landesregierung. Soziale Auswirkungen von Corona auf Studierende endlich ernstnehmen – Flächendeckende Hilfsangebote für Studierende an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aufbauen, ausbauen und ausfinanzieren (Drucksache 17/13402)

Der fzs begrüßt die Initiative der SPD-Landtagsfraktion, die Lage der Studierenden in den Blick zu nehmen und unterstützt die Forderungen des Antrags umfänglich. Denn die Pandemie und die damit zusammenhängenden Lockdowns führen zu einer verstärkten ökonomischen Unsicherheit, psychischer Belastung unter Studierenden und gegebenenfalls einer Verlängerung des Studiums. Auf diese kann nur mit einer angemessenen finanziellen Unterstützung sowie Freiversuchsregelungen im Sinne eines kollektiven Nachteilsausgleichs reagiert werden.

Beratungsangebote und psychische Gesundheit

Der fzs begrüßt die Forderung die Beratungsangebote auszubauen. Gerade im letzten Jahr hat sich gezeigt, wie relevant psychosozial- oder auch Finanzberatungen für Studierende sein können (1). Im persönlichen Gespräch erlebten wir selbst ein großes Mitteilungsbedürfnis, dem wir als fzs nicht gewachsen waren. Umso mehr braucht es geschultes Fachpersonal, das auf die individuellen Probleme der Studierenden eingehen kann.

Auch die soziale Komponente innerhalb des Studiums darf nicht in Vergessenheit geraten. Das Studium ist mehr als nur ein Teil des erwerbsbiografischen Übergangs. Wir begrüßen, dass diese Betrachtungsweise im Antrag ebenfalls vertreten wird.

Wir befürworten deswegen die Forderung, Räume für soziales Leben der Studierenden außerhalb der (digitalen) Lehrveranstaltungen zu schaffen. Ein Studium besteht nicht allein aus Lehrveranstaltungen, sondern darüber hinaus auch aus einem Austausch unter Kommiliton:innen.

Dieser Austausch ist vor allem relevant, weil der Aufwand digitaler Lehre und Prüfungen vielfach unterschätzt wird. Die Studierenden fühlen sich überlastet. Die Hürde, Ängste und Zweifel mit Komiliton:innen zu teilen, wird größer, wenn solche Austauschplattformen nicht geboten sind.

Auch langfristig kann durch eine Umstrukturierung der Prüfungsordnung Stressfaktoren entgegengewirkt werden. Die Universität Bielefeld verzichtet beispielsweise auf eine Begrenzung der Wiederholbarkeit von Prüfungen (2). Dabei kommt es zu keinen nennenswerten Änderungen bei Studiendauer oder der Anzahl wiederholter Prüfungen. Gleichzeitig können durch eine drohende Exmatrikulation  Studierende psychisch entlastet werden.

Studienfinanzierung

Wie in dem Antragstext bereits erwähnt, ist die vom Bund ins Leben gerufene Überbrückungshilfe für in Not geratene Studierende unzureichend. Der fzs verfügt über eine umfangreiche Fallsammlung von Berichten Studierender, deren Anträge auf Überbrückungshilfe abgewiesen wurden. Knapp die Hälfte der Studierenden, die sich gemeldet haben, studieren in Nordrhein-Westfalen. Auch wenn diese Zahlen nicht repräsentativ sind, zeigt sich doch, dass Studierende an Hochschulen in NRW vermehrt vor finanziellen Problemen stehen. Die Ablehnungsgründe sind häufig nicht nachvollziehbar und die fehlende Unterstützung stürzt die Studierenden in existenzielle Krisen. Offiziell ist ein Nachreichen von Dokumenten nicht möglich und die Kriterien wurden vielmals intransparent angepasst. Um die Überbrückungshilfe überhaupt zu beantragen, darf der Kontostand nicht über 499€ liegen und selbst dann werden nur zwischen 100-500€ ausgeschüttet. Doch maximal 599€ im Monat sind ein Betrag, der kaum zum Leben reicht. Ein Auszug aus den Fallbeispiele befindet sich im Anhang.

Wer keine Überbrückungshilfe erhält, kann einen KfW-Kredit beantragen. Das BMBF stellt ein zinsloses Darlehen zur Verfügung. Bis Ende März 2021 hatten auch ausländische Studierende, die an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule studieren und in Deutschland gemeldet sind, die Möglichkeit einen KfW-Kredit zu beantragen (3). Dieser Zeitraum wurde, obwohl die Situation für ausländischen Studierende sich nicht verbessert hatte, nicht weiter verlängert. Die Hilfeleistungen für inländische Studierende hingegen werden zum jetzigen Zeitpunkt bis zum Ende des Sommersemesters aufrechterhalten.

Mit der Überbrückungshilfe und dem KfW-Kredit wird versucht, ein Loch in der Studienfinanzierung zu stopfen, dass bereits seit Jahren besteht. Denn auch das BAföG reicht kaum zu leben. Der im Mai 2021 gefällte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die Bedarfserrechnungen der Ausbildungsförderung nicht alle Aspekte miteinbezieht und so 2014/15 nicht einmal das absolute Existenzminimum deckte (4). Da das Berechnungsverfahren auch heute noch auf denselben Grundlagen beruht, lässt sich vermuten, dass die Argumentation auch auf den derzeitigen BAföG-Satz zutrifft.

Wir begrüßen aus den genannten Gründen die Forderung nach niedrigschwelligen Formen finanzieller Unterstützung. Vor allem die Übernahme der KfW-Kredite aus dem Rettungsfonds in NRW halten wir für sinnvoll. So kann der anwachsenden sozialen Ungleichheit unter den Studierenden entgegengewirkt werden.

Digitale Prüfungsformen

Bei digitalen Prüfungsformen sind die Persönlichkeitsrechte der Studierenden zu wahren. Digitale Prüfungsformen erfordern eine leistungsfähige technische Ausstattung und eine Internetverbindung, die nicht überall gegeben und für alle zugänglich sind. Sofern die Prüfungsformate nicht analog realisierbar sind, ist es die Pflicht der Hochschulen, Arbeitsplätze und Endgeräte für einen reibungslosen Prüfungsverlauf zur Verfügung zu stellen.

Eine Änderung der Prüfungsform darf nicht zu einem signifikanten Anstieg des geforderten Leistungsniveaus oder des Arbeitsaufwandes führen. Hier gilt es, äquivalente Formen zu finden und Mehraufwand zu reduzieren.

Alle Studien- und Prüfungsordnungen enthalten Nachteilsausgleichsregelungen für Studierende mit Beeinträchtigungen sowie mit Erziehungs- und Pflegeverpflichtungen. Leider gibt es jedoch viele Hochschulen, bei denen während der Pandemie die Ausgleiche strikter behandelt und damit oftmals dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht Folge geleistet wurde. Sich aus diesen Regelungen ergebende Handlungsspielräume sind auszuschöpfen, da nur so der durch wegfallende Assistenz- und Betreuungsangebote gestiegenen Zusatzbelastung begegnet werden kann. Mit alternativen Prüfungsterminen und vor allem verlängerten Abgabefristen wird zudem dem Umstand Rechnung getragen, dass Bibliotheken und Archive gar nicht oder nur eingeschränkt geöffnet haben. Das stellt vor allem sowohl diejenigen Studierenden in der Studieneingangsphase, die sich ohnehin neu in die Formen wissenschaftlichen Arbeitens und Recherchierens einüben müssen, als auch diejenigen in der Studienabschlussphase mit eigenen, größeren Forschungsarbeiten vor spezifische Herausforderungen. Insbesondere für die pandemiebedingt gestiegene Zahl der Studierenden, die zum Studienort pendeln müssen, stellt dies eine weitere Schwierigkeit dar (5).

Impfstrategie

Für sichere Hochschulöffnungen zum Wintersemester, sofern die pandemische Lage dies ermöglicht, muss die besondere Situation von Studierenden bei der Impfstrategie mitgedacht werden. Da junge Menschen an ihrem Studienwohnort häufig nicht über Hausärzt:innen verfügen, ist es unerlässlich, dass Impfzentren geöffnet bleiben. Außerdem sollten die Universitätskliniken und Betriebsärzt:innen der Hochschulen auch für die Studierenden in die Impfkampagne eingebunden werden. So wird ebenfalls verhindert, dass internationale Studierende wegen fehlender medizinischer Infrastruktur vernachlässigt werden.

Internationale  Studierende

Die Situation ausländischer Studierender ist sehr angespannt. Insbesondere Studierende aus Südamerika und dem Iran melden uns seit Monaten Probleme hinsichtlich der Möglichkeit zur Einreise und der Studienwahrnehmung. In der Regel scheitert es bereits an der Terminvergabe bei den zuständigen deutschen Auslandsbehörden des Auswärtigen Amtes, um die Visavergabe in Gang zu setzen. Die Folge sind keine Visa trotz Hochschulzulassung. Zusätzlich haben internationale Studierende mit Beginn des neuen Semesters mit erneuten unzureichenden oder fehlenden Quarantäne-Regelungen bei Einreise und Teilnahmeschwierigkeiten an online Veranstaltungen oder Prüfungen zu kämpfen. Ausländischen Studierenden muss durch schnelle und pragmatische Lösungen eine Studienteilnahme ermöglicht werden.

Insgesamt unterstützt der fzs die Forderungen der SPD-Landtagsfraktion. Der Antrag stellt die  aktuellen Schwierigkeiten, unter denen Studierende leiden umfänglich dar. 

Anhang:

Quellen

  1. https://www.studentenwerke.de/de/content/krise-im-digital-semester-psychologische
  2. https://www.uni-bielefeld.de/uni/einrichtungen-organisation/rektorat/lehre/Studienmodell.pdf
  3. https://dserver.bundestag.de/btd/19/285/1928563.pdf
  4. https://www.bverwg.de/de/pm/2021/31
  5. https://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=103844&token=f08339e627425035be33abe336f0cc4a44d59c90&sdownload=&n=2021-02-15-Positionspapier-fzs-GEW-Pandemie.pdf