Solidarität mit Lisa Poettinger und Gabriel Bruckdorfer, gegen politisch motivierte Berufsverbote und Auslaufen der Arbeitsverträge

Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) solidarisiert sich mit Lisa Poettinger und Gabriel Bruckdorfer.

Der fzs bekundet seine Solidarität öffentlich über alle Kanäle und unterzeichnet zudem die Solidaritätserklärung „Solidarität mit Lisa Poettinger – gegen politisch motivierte Berufsverbote!“ [1].

Der fzs kritisiert im Falle Gabriel Bruckdorfer, dass aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Linksjugend [‘solid] die Verlängerung seines Arbeitsvertrages an der Universität Augsburg versagt wird.

Der fzs kritisiert sowohl die Begründungen der Nicht-Zulassung zum Referendariat seitens der Bayerischen Staatsregierung als auch die Begründungen der Nicht-Verlängerung des Arbeitsvertrages seitens der Universität Augsburg und sieht hier politische Gründe als großen Faktor der Absagen.

Der fzs warnt vor dem Präzedenzfall, dass Studierende und Beschäftigte aus politisch motivierten Gründen ausgeschlossen, diskriminiert und ihnen Angebote verwehrt werden. Es ist mit chilling-effects zu rechnen, bei denen die Angst vor beruflichen Konsequenzen eine abschreckende Wirkung hinsichtlich politischer Äußerungen und Aktivitäten von Beschäftigten und Studierenden hat. Der fzs sieht die Zukunft von Studierenden und Beschäftigten in Bezug auf freie Meinungsäußerung und politische Teilhabe gefährdet.

75MV-I10 "Solidarität mit Lisa Poettinger und Gabriel Bruckdorfer, gegen politisch motivierte Berufsverbote und Auslaufen der Arbeitsverträge" beschlossen auf der 75. Mitgliederversammlung

Hintergründe

Der Person Gabriel Bruckdorfer, welche an der Universität Augsburg studiert, wird die Verlängerung des Arbeitsvertrages an der Universität versagt. Als Begründung nennt die Universität, dass die Person Gabriel Mitglied der Linksjugend [‘solid] ist.

Gabriel ist Mitglied der Partei „Die Linke“ und durch sein Alter (unter 35) automatisch passives Mitglied der Solids. Zum Zeitpunkt seines Vertragsabschlusses stand die Linksjugend auf der Liste von „Linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Organisationen“. Im damals aktuellen Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Bayern 2022 wurde die Linksjugend aufgezählt. Auszug aus der Beschreibung der Linksjugend:

„Die Mitglieder der 1999 gegründeten „Linksjugend [’solid]“ bezeichnen sich in ihrem Programm selbst als „SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen“. Sie beziehen sich darin „positiv auf die emanzipatorischen Traditionen des Kommunismus“. Das Programm sieht die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln vor und befürwortet jegliche Projekte jenseits des Kapitalismus.“ [2]

Im Bericht des LfV Bayern 2023, welcher nun aktuell relevant bei einer Verlängerung des Arbeitsvertrags ist, wird die Linksjugend schon nicht mehr im Hauptteil des Berichts, sondern nur noch hinten im Verzeichnis durch ihre einmalige Erwähnung im Zusammenhang mit der SDS aufgelistet. Doch wird Gabriel zur Last gelegt, dass er bei vier Treffen der Linksjugend anwesend war:

„Dass er dennoch zu vier Treffen der Linksjugend gegangen ist, begründet er mit seiner Profession: Als Erziehungswissenschaftler habe er sich einen Überblick verschaffen wollen, wie seine neue Partei die eigene Jugend fördere. In einer langen schriftlichen Stellungnahme an die Uni betont er, dass er nie aktiv an Aktionen der Linksjugend mitgewirkt habe.“ [3]

Auch die Lehramtsstudentin Lisa Poettinger (LMU) wurde informiert, dass ihr der Zugang zum Referendariat, eigentlicher Start 17.02.2025, verweigert wird. Ohne dieses ist es ihr nahezu unmöglich, als Lehrkraft zu arbeiten. Die Verweigerung des Zugangs zum Referendariat gleicht also einem faktischen Berufsverbot.

Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus begründet dies unter anderem mit ihrem Klima-Aktivismus:

„Es geht um Proteste gegen den Braunkohleabbau und gegen eine Automesse, die Münchener IAA. Lisa Poettinger war dort als Mitglied der – legalen – Gruppe „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ in Erscheinung getreten.“ [4]

Weiter erläutert das Ministerium, dass ihre antikapitalistische Haltung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoße und begründet diese These u.a. mit folgendem Beispiel:

„Wörtlich heißt es in dem Bescheid des bayerischen Kultusministeriums an die Adresse der 28-Jährigen: „Gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) äußerten Sie als Sprecherin von „#noIAA am 05.09.2021, dass die Messe ein „Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima“ sei.“ Das Ministerium fährt fort: „‚Profitmaximierung‘ ist eine den Begrifflichkeiten der kommunistischen Ideologie zuzuordnende Wendung. Die kommunistische Ideologie ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar.““ [4; 5]

Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist dies nicht der Fall:

„1. Das Grundgesetz, das sich in seinem ersten Abschnitt im wesentlichen auf die klassischen Grundrechte beschränkt hat, enthält keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung. Anders als die Weimarer Reichsverfassung (Art. 151 ff) normiert es auch nicht konkrete verfassungsrechtliche Grundsätze der Gestaltung des Wirtschaftslebens. Es überläßt dessen Ordnung vielmehr dem Gesetzgeber, der hierüber innerhalb der ihm durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen frei zu entscheiden hat, ohne dazu einer weiteren als seiner allgemeinen demokratischen Legitimation zu bedürfen.“ [6]

Auch wird ihr zur Last gelegt, dass sie sich im „Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München“ engagiert, dieses wird von der Staatsregierung als „extremistisch“ bezeichnet [4]. Im Bericht des LfV Bayern 2023 wird diese Gruppierung bei der Aufzählung von „linksextremistische[n] wie auch linksextremistisch beeinflusste[n] Gruppen“ genannt, welche das „„Barrio Olga Benario“ zur Planung und Vorbereitung von Aktionen sowie für ihre regelmäßigen Treffen, darunter […] das „Offene antikapitalistische Klimatreffen München““ nutzen. Jedoch ist im Bericht nicht ersichtlich, wie der Verfassungsschutz diese Gruppierung klar einordnet, sie wird lediglich im Verzeichnis aufgeführt [7].

Weitere Gründe sind zwei laufende Gerichtsverfahren gegen Lisa Poettinger, eines in Bezug auf die Demonstration in Lützerath und eines für das Abreißen eines AfD Plakates. In beiden Fällen ist sie nicht verurteilt und somit bis zur endgültigen Klärung unschuldig. Einträge im erweiterten Führungszeugnis liegen nach eigener Aussage nicht vor [5].

Ein Gerichtsverfahren, mit welchem sie sich gegen die (Stand 05.02.) noch ausstehende endgültige Entscheidung wehren wird, würde voraussichtlich fünf Jahre dauern, deshalb ist es unerlässlich auch auf politischer Ebene größtmöglichen Druck auszuüben. Bei eben genanntem Gerichtsverfahren wird Lisa Poettinger von der GEW unterstützt [5; 8].

Hat Lisa Poettinger keinen Erfolg, stellt das einen hochgefährlichen Präzedenzfall für politisch engagierte Medizin-, Jura- und Lehramtsstudierende, Beschäftigte im öffentlichen Dienst, angehende Beamt*innen usw. im gesamten politischen Spektrum dar, vor allem jedoch im linken.

An dieser Stelle sei auch anzumerken, dass der Bayerische Staat prinzipiell Probleme mit dem linken Spektrum hat und dazu tendiert, härtere Maßnahmen gegen dieses Spektrum anzuwenden. So wurde auch die Verfasste Studierendenschaft Ende des Jahres 1973 mittels des neuen Bayerischen Hochschulgesetzes abgeschafft [8] „“[u]m den linken Sumpf trocken zu legen“, wie es der damalige Kultusminister Hans Maier genannt haben soll.“ [10; 11].

Auch das LfV Bayern (und weitere LfV sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz) zeigte spätestens bei der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im Jahre 2011, welcher bis dahin über Jahre hinweg neun Menschen u.a. auch in Bayern aus rassistischen Motiven sowie eine Polizistin tötete, dass der Bayerische Staat einen „blinden Fleck auf dem rechten Auge hat“, während er woanders genauer hinsieht:

„Die Ermittler werden in dem Bericht [Anm.: Bericht des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“, auch genannt „1. NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern“] schwer dafür gerügt, dass sie sich wenig offen für andere Ermittlungsansätze zeigten. „Es ist kritisch zu sehen, dass man sich aufgrund der Anhaltspunkte und Spuren, die sich jedoch meist bald als unzutreffend erwiesen, zu sehr auf die Ermittlungsrichtung organisierte Kriminalität konzentrierte und eine Offenheit für Ermittlungen in andere Richtungen fehlte“, heißt es im Bericht.

Und weiter: „Tatsächlich ergaben die in Richtung der organisierten Kriminalität geführten Ermittlungen nie eine wirklich belastbare Spur. Sie beruhten größtenteils nur auf zweifelhaften Angaben von Zeugen oder anderweitigen Quellen.“ Als Beleg führt der Ausschuss an, dass allein in Nürnberg und München 900 türkische Kleinunternehmer persönlich aufgesucht worden seien, um Hinweise zu bekommen. „Dagegen erfolgten lediglich neun sogenannte Gefährderansprachen im Bereich der rechten Spur.““ [12]

Wir fordern auf, im Falle des Studenten Gabriel Bruckdorfer, welcher bloß Mitglied einer Organisation ist, die in weiten Teilen der Bundesrepublik unproblematisch ist, und der Studentin Lisa Poettinger, welche ihren Klima-Aktivismus zu Ungunsten der Staatsregierung ausübt, uns als fzs zu positionieren und Handlungen von Regierungen (insbesondere der Bayerischen Staatsregierung), welche den beruflichen Werdegang einer Person massiv beeinflussen und an Willkür grenzen, zu kritisieren.

P.S.: Es kann auch jede Person als Individuum die Bekundung unterzeichnen [1]. Zudem beschloss die Studierendenvertretung der LMU bereits, die Solidaritätsbekundung von Lisa Poettinger als Organ zu unterzeichnen [13].

Quellen:

[1]: https://wwto2a21.forms.app/aufruf-lisa
[2]: https://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/vsb-2022_230627_barrierefrei.pdf
[3]: https://www.sueddeutsche.de/bayern/uni-augsburg-bundestagskandidat-linke-zweifel-verfassungstreue-li.3193154
[4]: https://www.sueddeutsche.de/politik/lehrer-berufsverbot-bayern-aktivismus-li.3186273
[5]: Persönliches Gespräch der StuVe LMU mit Lisa Poettinger am 05.02.2025
[6]: BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78
[7]: https://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/vsb-2023_barrierefrei.pdf
[8]: https://www.gew-bayern.de/aktuelles/detailseite/solidaritaet-mit-lisa-gegen-politisch-motivierte-berufsverbote
[9]: https://www.verkuendung-bayern.de/files/gvbl/1973/26/gvbl-1973-26.pdf
[10]: https://www.stuve.uni-muenchen.de/unsere_inhalte/verfasste/index.html
[11]: https://www.deutschlandfunk.de/freistaat-laesst-asta-wieder-aufleben-100.html
[12]: https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayerischer-landtag-nsu-ausschuss-macht-behoerden-massive-vorwuerfe-1.1712140
[13]: Sitzung des Konvents der Fachschaften der Studierendenvertretung der LMU am 05.02.2025