Newsletter 15/2007

1. Oberverwaltungsgericht Münster hält Studiengebühren für rechtens

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat am 9. Oktober in zweiter Instanz die Klage einer Studentin der Universität Paderborn gegen die Erhebung von Studiengebühren abgewiesen (Az. 15 A 1596/07). Die Erhebung von Studiengebühren steht nach Ansicht des Gerichtes nicht im Widerspruch zum UN-Pakt über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte. Der UN-Pakt, der 1968 durch die Bundesrepublik unterzeichnet wurde, legt unter anderem fest, dass der Zugang zu Bildung und zum Bildungssystem gebührenfrei zu halten sei. Mit der Einführung von Studiengebühren haben zahlreiche Länder aus Sicht der klagenden Studierenden gegen diesen Pakt verstoßen.

Das Gericht widersprach dieser Auffassung. Die Vertragsbestimmung sei „weder darauf angelegt noch geeignet, innerstaatlich als unmittelbar geltendes Recht angewandt zu werden.“ Für das Land NRW ergebe sich nach Ansicht des Gerichtes auch keine Erforderlichkeit, „mit Rücksicht auf etwaige sich aus den Vertragsbestimmungen ergebende Verpflichtungen des Bundes von der Einführung von Studienbeiträgen abzusehen.“ Das Gericht ließ keine Revision zu. Wilhelm Achelpöhler, der Rechtsanwalt der Klägerin, kündigte noch im Gerichtssaal an, beim Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen.

Der fzs bezeichnete das Urteil als „politische Entscheidung“. „Wenn der Bund Verträge abschließt und die Länder anschließend machen können was sie wollen, brauchen wir keinen Bund und keine völkerrechtlichen Verträge mehr“, erklärte Regina Weber vom Vorstand des studentischen Dachverbandes. Darüber hinaus widersprach der fzs der Einschätzung des Gerichtes, dass nach wie vor jungen Menschen ein Studium möglich sei. Studiengebühren führten zu Studienabbrüchen und hielten viele Menschen von einem Studium ab, erklärte der studentische Dachverband.

Pinkwart geht von steigenden Studierendenzahlen aus

Der nordrhein-westfälische Innovationsminister, Andreas Pinkwart, verkündete wenige Tage nach dem Urteil steigende Studierendenzahlen in NRW. Zwar lägen noch keine endgültigen Zahlen vor, doch hätten sich nach den vorläufigen Angaben der Hochschulen zu diesem Wintersemester 4.800 oder 7,6% mehr Studierende als noch im Vorjahr neu immatrikuliert. Dabei ließ der Minister unerwähnt, dass nach den Prognosen der Kultusministerkonferenz im Jahr 2007 die Zahl der SchulabgängerInnen mit (Fach-)Hochschulzugangsberechtigung ebenfalls um 4.800 ansteigen sollte. Auch dazu liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Zum vergangenen Sommersemester, in dem an einigen Hochschulen erstmals Gebühren erhoben worden waren, meldeten zahlreiche Hochschulen in Nordrhein-Westfalen einen Rückgang der Studierendenzahlen um bis zu 20% – auch diesen katastrophalen Einsturz der Studierendenzahlen ließ Pinkwart unberücksichtigt.

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2. Studiengebühren in Hessen verfassungswidrig?

Das Verwaltungsgericht Gießen hat die Rechtmäßigkeit von allgemeinen Studiengebühren in Hessen in Frage gestellt. In seinem Beschluss vom 10. Oktober 2007 (Az 3 G 2143/07) wies das Gericht den Eilantrag eines Studierenden gegen die Zahlung von 500 Euro Studiengebühren zwar aus formellen Gründen ab, jedoch zogen die Richter die Verfassungsmäßigkeit des entsprechenden Landesgesetzes ernsthaft in Zweifel.

Die Gießener Richter legten dar, dass die hessische Verfassung die Erhebung von „Schulgeld“ nur erlaube, wenn die wirtschaftliche Lage von Studierenden bzw. ihren Eltern dies erlaube. Eine Unterscheidung zwischen zahlungsfähigen und nicht zahlungsfähigen Studierenden sehe jedoch das Gesetz nicht vor. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) beim fzs freute sich über den Richterspruch: „Die Aussage des Gießener Verwaltungsgerichtes stärkt eindeutig noch einmal die Position der hessischen Studierenden in ihrem Kampf gegen Studiengebühren“, so André Schnepper, Geschäftsführer des ABS.

In den vergangenen Monaten hatten sich zahlreiche JuristInnen, darunter die hessische Landesanwältin Ute Sacksofsky, kritisch zum Studiengebührengesetz geäußert. Die hessischen Studierendenschaften sowie die Landtagsopposition haben eine Verfassungsklage gegen das Gebührengesetz eingereicht, die von knapp 80.000 hessischen BürgerInnen unterstützt wird. Eine Entscheidung wird erst nach den Landtagswahlen im Februar nächsten Jahres erwartet.

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3. Stipendien sind sozial selektiv und ersetzen keine Studienfinanzierung

Der fzs hat sich in einer Pressemitteilung kritisch zu Stipendien geäußert. Der Verband verweist darauf, dass sich Stipendien nur an wenige, ausgesuchte Studierende richten – derzeit erhalten nur 1% aller Studierenden ein Stipendium. Allein diese Zahl mache bereits deutlich, dass eine ernsthafte Studienfinanzierung anders aussehen müssen: „Stipendien ersetzen keine Studienfinanzierung und lassen die Studierenden, die keins abbekommen im Regen stehen“, so Florian Hillebrand vom Vorstand des studentischen Dachverbandes. Der fzs lehnt Stipendien ab und begründet dies damit, dass Stipendien soziale Ungleichheiten innerhalb der Studierendenschaft verstärkten. Imke Buß vom fzs-Vorstand: „Frauen bekommen seltener Stipendien als Männer. Kinder aus Arbeiterfamilien bekommen seltener Stipendien als Akademikerkinder.“

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Kritik des fzs. So kommt eine Studie des Konstanzer Hochschulforschers Tino Bargel zum Schluss, dass „mit höherer sozialer Herkunft der Anteil Studierender, die ein Stipendium erhalten, steigt.“ Der Konstanzer Forscher kommt zum Schluss, dass nur 2,1% der Studierenden aus der Arbeiterschaft ein Stipendium erhalten, während der Anteil von Studierenden aus der Akademikerschaft bei 5,2% liegt. Auch die geschlechterspezifische Kritik teil Bargel: Nach seinen Untersuchungen erhalten 4,5% der befragten Studenten, aber nur 2,9% der Studentinnen ein Stipendium. Diese Differenz ist in allen Fächergruppen festzustellen und hängt damit nicht unterschiedlichen Anteilen von Männern und Frauen in einzelnen Fächern zusammen.

Der fzs fordert eine bedarfsdeckende Studienfinanzierung, die allen Studierenden elternunabhängig zu Gute kommt. Imke Buß: „Wir brauchen mehr und bessere Studienfinanzierung und keine Förderung von Bessergestellten.“

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4. fzs und Studierendenverbände fordern dringende BAföG-Erhöhung

Der fzs hat gemeinsam mit fast allen studentischen Hochschulverbänden einen offenen Brief an die Mitglieder des Bundestags gerichtet. Darin fordern die Organisationen eine Erhöhung des BAföG noch im Rahmen der derzeit stattfindenden Haushaltsverhandlungen. Nach Ansicht der Studierendenverbände müssen die Bedarfssätze um mindestens 10% und der Freibeträge um mindestens 9% angehoben werden, „um einer weit höheren Zahl an Studierenden aus einkommensschwachen Haushalten ein Studium ermöglichen zu können.“ Die Verbände fordern darüber hinaus zahlreiche Verbesserungen an der derzeit im Bundestag diskutierten 22. BAföG-Novelle wie etwa eine Verbesserung der BAföG-Förderung während Auslandsstudien sowie für die Situation von Studierenden mit Kind. Insbesondere müsse „eine grundsätzliche Debatte über ein sozialgerechteres Studienfinanzierungssystem“ geführt werden.

Neben dem fzs wird der offene Brief von Campusgrün, den Juso-Hochschulgruppen, dem Linke.SDS, den Liberalen Hochschulgruppen (LHG) sowie dem Bundesausschuss der StudentInnen in der GEW unterstützt. Rückenwind bekamen die Verbände vom Präsidenten des Deutschen Studentenwerkes (DSW), der sich in einem Interview hinter die Forderungen gestellt hat.

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5. Akkreditierungsrat beschließt Systemakkreditierung – „Sprung ins kalte Wasser“

Mit dem Beschluss über die „Allgemeinen Regeln“ sowie die „Kriterien“ für die Systemakkreditierung hat der Akkreditierungsrat auf seiner Sitzung am 8. Oktober den Grundstein für die Systemakkreditierung gelegt. Ab 2008 müssen Studiengänge demnach nicht mehr einzeln akkreditiert und damit auf ihre Qualität überprüft werden. Künftig soll es über die Systemakkreditierung möglich sein, dass nur noch das hochschuleigene System interner Qualitätssicherung in Studium und Lehre überprüft wird und damit alle Studiengänge akkreditiert sind.

Der fzs erklärte, dass der Beschluss voreilig erfolgt sei und bislang keine flächendeckenden Systeme der internen Qualitätssicherung vorhanden seien. Die notwendige Mobilität sei dadurch in Gefahr. Imke Buß vom fzs-Vorstand erklärte dazu: „Der Beschluss des Akkreditierungsrates ist ein Sprung ins kalte Wasser. Es gibt kaum Erfahrungen, nur wenige Hochschulen haben ein ausgereiftes Qualitätssicherungssystem. Da wird auf dem Rücken von Studierenden auf gut Glück herumprobiert.“

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6. fzs und GEW legen Stellungnahme an den UN-Sozialausschuss vor

Am 22. Oktober stellt der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Stellungnahme zur Umsetzung des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vor. Hintergrund ist die Einführung von Studiengebühren in sieben Bundesländern, die aus Sicht von fzs und GEW dem Internationalen Pakt widerspricht und damit völkerrechtswidrig ist.

Die Stellungnahme untersucht dabei u.a. die Entwicklung des Hochschulzugangs, die Studienfinanzierung und die Motive für die Nichtaufnahme eines Studiums in der Bundesrepublik. Die Autoren kommen zum Schluss, dass der Hochschulzugang durch die Einführung von Studiengebühren deutlich erschwert wird, was unter anderem durch einen Rückgang der Studierendenquoten deutlich wird. Die Bundesregierung kommt ihrer Aufgabe, den UN-Sozialpakt in bildungspolitischer Hinsicht umzusetzen, nicht nach. fzs und GEW ersuchen den UN-Sozialausschuss deshalb, die Bundesregierung zu rügen.

Die Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichtes findet am 22. Oktober um 10 Uhr in Berlin statt. Als SprecherInnen sind vorgesehen: Imke Buß (Vorstand fzs), Andreas Keller (Hauptvorstand GEW) sowie Wilhelm Achelpöhler (Rechtsanwalt). Die Stellungnahme kann ab dem 22. Oktober beim fzs bestellt werden.

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7. Bundeskongress studentische Sozialpolitik diskutiert Hochschulzugang und Studiengebühren

Die Förderung der sozialen Belange von Studierenden gehört zu den Kernaufgaben der studentischen Interessenvertretung. Sozialpolitische Problemfelder finden sich auf allen Ebenen des studentischen Engagements – lokal, regional und bundesweit. Sozialreferentinnen und Sozialreferenten müssen über aktuelle Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen der Sozialpolitik stets informiert sein und sich untereinander vernetzen und austauschen können.

Um einerseits Sozialreferentinnen und Sozialreferenten weiterzubilden und andererseits diese zum Erfahrungsaustausch zu vernetzen, hat der fzs zum 4. Mal den Bundeskongress studentische Sozialpolitik (BuksS) erfolgreich vom 28.-30.9.2007 an der Universität zu Köln durchgeführt. Im Rahmen des BuksS wurden etwa 30 Sozialreferentinnen und Sozialreferenten aus Referaten der ganzen Bundesrepublik in vielen verschiedenen sozialpolitischen Themen geschult und weitergebildet. Des weiteren gab es Möglichkeiten zu intensivem Erfahrungsaustausch zwischen den Referaten bezüglich sozialpolitischer Problemfelder, Beratungsalltag und studentischer Interessenvertretung.

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde ein sehr umfangreiches Kongressprogramm geboten. In kleineren Gruppen wurden unter anderem die Themenbereiche soziale Selektivität beim Hochschulzugang für unterschiedliche soziale Gruppen, die empirische Datenlage zur sozialen Situation von Studierenden, die internationale Dimension von Sozialpolitik, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung der Sozialreferate, die Auswirkungen von Studiengebühren und Studienreform, Studienfinanzierung, Studentenwerke und Studieren mit Kind(ern) intensiv diskutiert und konkrete Handlungsschritte geplant. Das Programm ließ dabei genügend Zeit für abendliches Kulturprogramm und gegenseitiges Kennenlernen.

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8. Neue Publikationen

fzs:magazin 3/2007 erschienen

Zum Beginn des Wintersemesters ist die Ausgabe 3/2007 des fzs:magazin erschienen. Im Schwerpunkt wird diesmal der Bereich Hochschulzugang aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Untersucht werden die Entwicklungen beim Hochschulzugangs in den vergangenen Jahrzehnten, das Kapazitätsrecht, geschlechterspezifische Auswirkungen von Auswahlverfahren sowie die Prognistizierbarkeit von Studienleistungen. Ein Blick nach Frankreich rundet den Schwerpunkt des Heftes ab. Weitere Themen sind der europäische Qualifikationsrahmen, Hochschulmarketing sowie ein Interview mit dem Vorstand des europäischen Studierendenverbandes ESU.

Stellungnahme von fzs und GEW zum UN-Sozialpakt

Die Stellungnahme u.a. die Entwicklung des Hochschulzugangs, die Studienfinanzierung und die Motive für die Nichtaufnahme eines Studiums in der Bundesrepublik. Die Autoren kommen zum Schluss, dass der Hochschulzugang durch die Einführung von Studiengebühren deutlich erschwert wird, was unter anderem in einem Rückgang der Studierendenquoten deutlich wird. Die Bundesregierung kommt ihrer Aufgabe, den UN-Sozialpakt in bildungspolitischer Hinsicht umzusetzen, nicht nach. fzs und GEW ersuchen den UN-Sozialausschuss deshalb, die Bundesregierung zu rügen.

Bologna With Students Eyes – Die Umsetzung des Bologna-Prozesses aus studentischer Perspektive

Im Bericht „Bologna with student eyes 2007“ analysiert der europäische Studierendenverband ESU zum zweiten Mal die bisherige Implementierung des Bologna-Prozesses. Ausführlich untersucht wird unter anderem, wie studentische Mobilität, Qualitätssicherung oder studentische Mitbestimmung umgesetzt wurde und welche Defizite bestehen. Der Bericht ist als Print- und Online-Version verfügbar.

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