Newsletter Nr. 16/2007

1. fzs und GEW fordern Rüge der Bundesregierung durch UN-Sozialausschuss

Die Einführung von Studiengebühren in Deutschland verletzt das durch den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) gewährleistete Recht auf Bildung. Das ist das Ergebnis eines Berichts des fzs und der GEW an die Vereinten Nationen (UN), den beide Organisationen am 22. Oktober in Berlin vorgestellt haben. In dem Bericht wird aufgezeigt, welche Auswirkungen die in mittlerweile sieben Bundesländern eingeführten Studiengebühren haben. Aus Sicht von fzs und GEW widerspricht die Einführung von Studiengebühren dem UN-Sozialpakt, den die Bundesrepublik 1973 ratifiziert hat und der die „allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit“ des Studiums vorschreibt. fzs und GEW fordern daher eine Rüge der Bundesrepublik durch den zuständigen Ausschuss der Vereinten Nationen.

Die Veröffentlichung des Berichtes der beiden Organisationen hat ein breites Medienecho gefunden. Selbst die Bundesregierung musste Stellung zum Bericht nehmen, nachdem Nele Hirsch (MdB) den Vertreter des Bundesbildungsministeriums im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag mit den Ergebnissen von fzs und GEW konfrontierte. Die Bundesregierung zweifelt demnach trotz des klaren Wortlautes, dass der UN-Sozialpakt die Einführung von Studiengebühren verbiete. Darüber hinaus weigert sich die Bundesregierung nach wie vor, einen eigenen Bericht an den UN-Sozialausschuss vorzulegen. Ein solcher ist bereits seit über einem Jahr fällig, einen Zeitpunkt für die Vorlage gibt es jedoch trotz mehrfacher Nachfragen noch immer nicht.

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2. Elite-Hochschulen gekürt – scharfe Kritik vom fzs

Mit der Bekanntgabe von sechs neuen „Elitehochschulen“ und weiterer prämierter Cluster am 19. November hat die vor zwei Jahren konzipierte Exzellenzinitiative ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Bis 2012 sollen nun insgesamt 1,9 Milliarden Euro in die Spitzenforschung an ausgewählten Universitäten fließen. Der Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), unter deren Federführung die Auswahl der Antragssteller erfolgte, feierten gemeinsam mit PolitikerInnen und RektorInnen die Initiative, die nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Schavan „Wissenschaftsgeschichte“ schreibe.

Der fzs hingegen machte erneut auf die negativen Auswirkungen der Initiative aufmerksam. Aus Sicht des studentischen Dachverbandes führt die Exzellenzinitiative zu einer Fokussierung auf Spitzenförderung, während die Breite der wissenschaftlichen Ausbildung weiteren finanziellen Engpässen ausgesetzt wird. Statt der Finanzierung einzelner, kleiner Projekte müsse die Lehre in der Breite verbessert werden. Florian Hillebrand vom fzs-Vorstand erklärte: „Wenn man einmal hochrechnet, sind diese 1,9 Milliarden Euro soviel Geld, wie 100.000 Studierende den Staat für ihr ganzes Studium kosten. Gerade vor dem Hintergrund knapper Studienplätze und den zu erwartenden starken Abiturjahrgängen der nächsten Jahre wäre das Geld hier weitaus besser angelegt als in der Konstruktion von Leuchttürmen in der Hochschullandschaft.“

Keine Konzepte für Verbesserungen in der Lehre – HRK fordert Reform des Kapazitätsrechtes

Nur wenige Tage vor der Bekanntgabe der Ergebnisse der Exzellenzinitiative hatte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bereits eine „Qualitätsoffensive“ in der Lehre eingefordert. Demnach solle innerhalb von fünf Jahren die Anzahl der DozentInnen verdoppelt werden. Nach Angaben von Margret Wintermantel, Präsidentin der HRK, solle dieses Programm jedoch kapazitätsneutral erfolgen – mehr DozentInnen sollen also nicht zu mehr Studienplätzen, sondern zu verbesserten Betreuungsrelationen führen.

Der fzs hingegen sprach sich für mehr Studienplätze aus, um der desolaten Situation an Hochschulen zu begegnen. „Um eine dauerhaft gute Lehrqualität sicherzustellen, sind aus unserer Sicht erhebliche Mehrausgaben in diesem Bereich notwendig“, so Imke Buß vom fzs-Vorstand. Als Sofortprogramm schlug der fzs die Ausweitung des Investitionsbegriffes (vgl. Art. 115 Grundgesetz) vor, der derzeit zwischen Bund und Ländern kontrovers diskutiert wird. In dieser Hinsicht besteht zwischen HRK und fzs Einigkeit – auch die HochschulrektorInnen wollen, dass Bildungsausgaben der gleiche Stellenwert wie etwa dem Straßenbau beigemessen wird.

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3. Europäischer Gerichtshof: Auslands-BAföG muss auch in den ersten Semestern gezahlt werden

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat ein Grundsatzurteil zum BAföG gefällt. Demnach verstößt das derzeitige Auslands-BAföG, das erst nach einem in der Bundesrepublik begonnenen Studium gewährt wird, gegen die Freizügigkeitsregelungen der Europäischen Union. Aus Sicht des Gerichtes muss auch dann BAföG gezahlt werden, wenn ein Studium ab dem ersten Semester in einem EU-Staat aufgenommen wird (Rechtssachen C-11/06 und C-12/06).

Geklagt hatten zwei deutsche Staatbürgerinnen. Eine Studentin hatte nach einem Au-Pair-Aufenthalt in Großbritannien dort ein Studium aufgenommen; eine zweite Studentin nahm ihr Studium in den Niederlanden auf und zog zu diesem Zweck nach Düren in der Nähe der niederländischen Grenze. Beiden Studentinnen wurde mit Blick auf die derzeitigen BAföG-Regelungen eine Förderung verwehrt. Die Bundesregierung gab an, das Urteil noch im Rahmen der aktuell diskutierten 22. BAföG-Novelle rechtlich umzusetzen.

Der fzs begrüßte das Urteil ausdrücklich und forderte verstärkte Mobilität für Studierende auch außerhalb der Europäischen Union ein. Regina Weber erklärte: „“Nun bekommen zumindest die Studierenden ihr Anrecht auf BAföG, die innerhalb der EU studieren. Allerdings sind deutliche Reformen im BAföG weiter notwendig. Alle, die außerhalb der EU studieren wollen, müssen nach wie vor erst ein Jahr in Deutschland bleiben.“

Der fzs weist darauf hin, dass Studierende, die in vergleichbaren Fällen erfolglos BAföG beantragt hatten, beim Amt für Ausbildungsförderung einen Antrag nach § 44 SGB X stellen, über den Bafög Antrag neu zu entscheiden. Dies ist bis zu vier Jahren rückwirkend möglich und könnte zu einer nachträglichen Zahlung führen. Darüber hinaus hat das BMBF die Umsetzung des Urteils des EuGH mit sofortiger Wirkung angewiesen.

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4. Bundestag diskutiert Situation von PraktikantInnen – gesetzliche Regelung eingefordert

Am 24. Oktober hat die Linksfraktion im Deutschen Bundestag in einem Antrag die rechtliche Verbesserung der Situation von PraktikantInnen gefordert. Hintergrund ist die mangelnde Vergütung von zahlreichen PraktikantInnen, die während und vor allem nach ihrem Studium teilweise kostenfrei reguläre Arbeiten in Unternehmen verrichten. Nele Hirsch, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, kritisierte dabei insbesondere die bisherige Untätigkeit der Bundesregierung: „Tausende von Jugendlichen fühlen sich von ihr veralbert, wenn sie anstatt endlich zu Handeln immer wieder nur auf die Notwendigkeit repräsentativerer Studien und Untersuchungen hinweist.“

Die Linke fordert in ihrem Antrag Änderungen im Berufsbildungsgesetz. Zum einen müsse der Begriff des Praktikums klarer definiert werden, um PraktikantInnen nicht als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse nutzen zu können. Zugleich würden dadurch die wesentlichen Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) zu Vergütung, Mitbestimmung oder Arbeitsschutz auch für PraktikantInnen gelten. Hintergrund der erneuten Initiative der Linksfraktion ist ein ebenfalls gestern veröffentlichtes Gutachten von Prof. Dr. Gerrit Horstmeier.

Auch der Grünen-Politiker Kai Gehring forderte im Rahmen der Bundestagsdebatte die Bundesregierung zum Handeln auf. Er wies darauf hin, dass die Situation junger AkademikerInnen zwar „kein Massenphänomen“ sei, die Bundesregierung aber dennoch handeln müsse, um die Ausnutzung von PraktikantInnen zu verhindern. Die RednerInnen von CDU/CSU sowie der FDP wandten sich in der Debatte entschieden gegen den Antrag der Linksfraktion und befürchteten, dass durch Überregulierung die Möglichkeit, Praktika machen zu können, genommen würde. Die SPD-Fraktion wies derartige Argumentationen zwar zurück, lehnte jedoch zugleich den vorliegenden Antrag ab. Der Bundesparteitag der SPD hingegen hat am 27. Oktober gesetzliche Regelungen zur Definition, zur Dauer und zur Vergütung von Praktika eingefordert.

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5. Berliner Studierende boykottieren CHE-Ranking

Wie an zahlreichen Hochschulen bundesweit hat auch das Rektorat der Alice Salomon-Fachhochschule (ASFH) Berlin beschlossen, sich künftig am „Hochschulranking“ des Bertelsmann-nahen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zu beteiligen. Der AStA der ASFH hat daraufhin beschlossen, dieses umstrittene Ranking zu boykottieren und die Studierenden der Hochschule dazu aufgerufen, sich nicht an der Befragung zu beteiligen. Eine studentische Vollversammlung hat am 25. November mit überwältigender Mehrheit beschlossen, die Position des AStA zu unterstützen und die Hochschulleitung dazu aufgefordert, die Briefe zur Umfrage zurück zu halten und nicht an die Studierenden zu verteilen.

Das Rektorat hat sich gegen die studentische Position gestellt und reagierte auf die Ankündigungen des AStA mit der Durchsetzung des Hausrechts, indem Aushänge künftig nur noch nach Bewilligung durch die Rektorin an der Hochschule angebracht werden können. Die Briefe sowie die Zugangsdaten zum CHE-Ranking wurden in den vergangenen Tagen an die Studierenden verteilt.

Der fzs kritisierte das CHE-Ranking. Neben gravierenden methodischen Mängeln erkennt der fzs in Rankings eine Ökonomisierung von Hochschulen mit einer klaren Fokussierung auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Studieninhalten. Der Anspruch, flächendeckend qualitativ hochwertige Hochschulbildung zu ermöglichen, gerate unter die Räder. Der AStA der ASFH erklärte: „Wir sind nicht gewillt, in einer ohnehin schon auf Wettbewerb und Verwertbarkeit ausgerichteten Gesellschaft uns auch diesem, von wirtschaftlicher Seite erdachten – das CHE ist ein Produkt der Bertelsmann Stiftung – weiteren Instrument der Einflussnahme von reaktionären Strömungen auf die Hochschullandschaft zu unterwerfen.“

Die Berliner Landes-ASten-Konferenz sowie der fzs und zahlreiche andere Studierendenschaften unterstützen die Aktion der ASFH und rufen weitere Hochschulen dazu auf, das vom CHE durchgeführte „Ranking“ zu boykottieren.

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6. Studium und Kind – nur noch für Begabte?!

Mit einem neuen Programm mit dem Titel „Zeit gegen Geld“ will das Bundesbildungsministerium einen Beitrag für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Kindern leisten. Der Haken: Das Programm soll nur StipendiatInnen zugute kommen. Vorgesehen ist, dass StipendiatInnen mit Kindern vorzeitig Stipendienmittel erhalten können, um etwa bei Auslandsaufenthalte oder in Prüfungsphasen kurzfristig zusätzliches Geld zur Verfügung zu haben. Zudem sollen StipendiatInnen mit Kind künftig auch elternunabhängig gefördert werden können, wenn sie nicht verheiratet sind.

Der fzs kritisiert seit langer Zeit den anhaltenden Trend hin zu einer Fokussierung auf Stipendien, der von Bundesbildungsministerin Schavan forciert wird. Aus Sicht des studentischen Dachverbandes muss statt einer Förderung von Einzelnen eine grundlegende Reform der Studienfinanzierung für die elternunabhängig Förderung aller Studierender erfolgen. Derzeit erhalten nur 1% aller Studierenden in der Bundesrepublik ein Stipendium; darüber hinaus hat eine kürzlich veröffentlichte Studie der Konstanzer AG Hochschulforschung ergeben, dass insbesondere Studierende aus Akademikerfamilien sowie Männer gefördert werden, während bildungsferne Schichten sowie Frauen seltener eine solche Förderung erhalten. Die Fokussierung auf Stipendien geht damit nicht nur zu Lasten der grundständigen Studienfinanzierung, sondern verstärkt ebenfalls die ohnehin bestehende soziale Schieflage im Bildungsbereich. Die neue Initiative des BMBF macht dies einmal mehr deutlich.

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7. Ungarn will Studiengebühren einführen – Tausende Studierende protestieren

Vergangene Woche demonstrierten über 4000 Studierende in Budapest gegen die geplante Einführung von Studiengebühren und forderten den Rücktritt des ungarischen Bildungsministers Istvan Hiller. Dieser möchte „Lehrbeiträge“ einführen, die zwischen 419 und 599 Euro jährlich betragen und von allen Studierenden gezahlt werden sollen. Das Brutto-Einkommen beträgt in Ungarn 580 Euro monatlich (2004, Quelle: destatis.de)

Der Studierendenverband HÖOK befürchtet, dass vor allem einkommensschwachere Studierende kein Studium mehr aufnähmen, wenn „materielle Schranken“ errichtet würden. Stattdessen spricht sich der Verband für ein Modell aus, das zur Motivation von Studierenden beitrage. Eine Reaktion des Ministeriums auf die studentischen Vorschläge steht seit Monaten aus.

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8. Aktuelle Publikationen des fzs

(a) fzs:magazin 3/2007 erschienen – Schwerpunkt Hochschulzugang

Zum Beginn des Wintersemesters ist die Ausgabe 3/2007 des fzs:magazin erschienen. Im Schwerpunkt wird diesmal der Bereich Hochschulzugang aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Untersucht werden die Entwicklungen beim Hochschulzugangs in den vergangenen Jahrzehnten, das Kapazitätsrecht, geschlechterspezifische Auswirkungen von Auswahlverfahren sowie die Prognistizierbarkeit von Studienleistungen. Ein Blick nach Frankreich rundet den Schwerpunkt des Heftes ab. Weitere Themen sind u.a. der europäische Qualifikationsrahmen, Hochschulmarketing sowie ein Interview mit dem Vorstand des europäischen Studierendenverbandes ESU.

  • Das Magazin kann hier bestellt werden

Ab sofort kann das fzs:magazin übrigens auch im Abonnement bezogen werden – für nur 10 Euro jährlich inkl. Versand!

(b) Stellungnahme von fzs und GEW zum UN-Sozialpakt

Die Stellungnahme u.a. die Entwicklung des Hochschulzugangs, die Studienfinanzierung und die Motive für die Nichtaufnahme eines Studiums in der Bundesrepublik. Die Autoren kommen zum Schluss, dass der Hochschulzugang durch die Einführung von Studiengebühren deutlich erschwert wird, was unter anderem in einem Rückgang der Studierendenquoten deutlich wird. Die Bundesregierung kommt ihrer Aufgabe, den UN-Sozialpakt in bildungspolitischer Hinsicht umzusetzen, nicht nach. fzs und GEW ersuchen den UN-Sozialausschuss deshalb, die Bundesregierung zu rügen.

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9. Termine

a) BAföG-Debatte im Bundestag 14.-16.11.07 (Berlin)

In den kommenden Wochen finden die abschließenden Beratungen im Bildungsausschuss und im Bundestag zur 22. BAföG-Novelle im Rahmen der Haushaltsverhandlungen statt. Derzeit ist innerhalb der Regierungskoalition noch umstritten, in welchem Maße die Freibeträge und Bedarfssätze angehoben werden sollen. Während die SPD eine Erhöhung um 10% bzw. 8% bereits zum nächsten Jahr einfordert, beabsichtigt die CDU derzeit nur eine Erhöhung um 5% zum nächsten Jahr sowie um weitere 5% für 2009. Am 14. November sollen die abschließenden Beratungen im Bildungsausschuss erfolgen. Die Abschlussberatungen im Bundestag werden im Rahmen der Haushaltsdebatte am 15./16. November stattfinden.

b) Anhörung zur Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes 12.11.07 (Bundestag – Reichstagsgebäude, Raum 2.M001)

Am 12. November wird sich der Bildungsausschuss im Deutschen Bundestag im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit der Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) beschäftigen. Im Rahmen der Föderalismusreform soll nach dem Willen der Bundesregierung auch das HRG ersatzlos abgeschafft werden. Allerdings sind dem Bund nach wie vor Regelungskompetenzen für die Bereiche der Hochschulzulassung und -abschlüsse verblieben. Inwieweit diese nun umgesetzt werden sollen, wird Gegenstand der Beratungen sein. Zur Anhörung sind zahlreiche Sachverständige geladen, darunter Regina Weber vom fzs-Vorstand.

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