Drittmittelfinanzierung überwinden

Wettbewerbliche Mittelvergabe bedient jedoch stattdessen das kapitalistische Herrschafts- und Kontrollinstrument wettbewerblicher Verteilung künstlich verknappter „Chancen“ statt einer Garantie gesetzlicher Rechte für alle (wie etwa das Recht auf Bildung), schrumpft damit insgesamt die vorhandenen Ressourcen für alle und beraubt Menschen effektiv ihrer Rechte. Dafür müssen unter anderem genügend finanzielle Mittel für entsprechende Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Denn Bildungseinrichtungen brauchen eine unabhängige finanzielle Ausstattung, damit sie ihrem gesellschaftlichem Auftrag nachkommen können.

Heutzutage ist es jedoch für Bildungsinstitutionen und die dort arbeitenden Menschen nötig geworden, sich in einen Kampf um Drittmittel zu begeben, um finanziell überleben zu können. Grundaufgaben vor allem in der Forschung und in immer stärkerem Maße auch in der Lehre können nicht durch die öffentlichen Mittel erfüllt werden. Dadurch werden insbesondere Wissenschaftler*innen unter einen enormen Druck gesetzt. Nur wer den Drittmittelsponsor*innen genehme Kriterien erfüllt und sich gegen die starke Konkurrenz durchsetzt, kann auf Unterstützung hoffen.

Welche Kriterien angelegt werden, legen die jeweiligen Drittmittelgeber*innen selber fest. So müssen häufig Veröffentlichungsquoten oder ähnliche strittige Kriterien erfüllt werden. Das widerspricht der im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheit von Forschung und Lehre. Auch Lehrende und Lernende sind zunehmend von den Konsequenzen betroffen. Sogar für die Lehre müssen in zunehmendem Maße Drittmittel eingeworben werden, weil die Betreuungskapazitäten nicht ausreichen. Diese extern geförderte Lehre orientiert sich erwartungsgemäß an den Wissenschaftsfeldern, die die Drittmittelgeber*innen vorgeben.

Drittmittelgeber*innen sind oft externe Geldgeber*innen wie Stiftungen, Unternehmen oder Agenturen. Frappierend dabei ist jedoch, dass 80 % der Drittmittel der deutschen Hochschulen ursprünglich aus öffentlichen Quellen kommen, etwa von der DFG, dem Bund, den Ländern, der EU etc. Diese Mittel stammen also ursprünglich gar nicht von externen Geldgeber*innen, sondern es handelt sich um die politische Entscheidung, auch öffentliche Mittel wettbewerblich an die Hochschulen zu verteilen und die Grundfinanzierung anteilig zurückgehen zu lassen. Dies ist eine politische Tendenz, die es zu überwinden gilt.

Der Einflussbereich der Drittmittel wird besonders in folgenden Ausprägungen vorgefunden:

1. Gelder können häufig nur für aktuell populäre Forschungsthemen eingeworben werden. Dies zielt meist nur auf Verwertbarkeit ab. Häufig ist schon vor Beginn des Forschungsprojektes das designierte Ende festgelegt und schränkt damit den Forschungsprozess ein. Projekthafte Forschungsfinanzierung ohne nachhaltige Perspektive wird damit zum Regelfall. Somit wird beispielsweise die Grundlagenforschung häufig stark vernachlässigt. Außerdem verleitet es Wissenschaftler*innen dazu, Ergebnisse bereits vorschnell zu veröffentlichen, um auf eine hohe Anzahl an Publikationen zu kommen.

2. Die zeitlichen und administrativen Kapazitäten, die durch das Schreiben von Anträgen und das Verwalten von Drittmitteln zusätzlich anfallen, gehen den Wissenschaftler*innen für ihre originäre Forschung und Lehre verloren.

3. Drittmittelquoten werden als vermeintlicher Indikator für Qualität von Hochschulen missverstanden und missbraucht. Innerhalb dieser Logik werden Drittmittelquoten zum Maßstab des finanziellen Matthäusprinzips (Mat 25,29 LUT: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat dem wird auch das genommen, was er hat.“ ugs. auch „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.“): Hochschulen mit hohem Drittmittelaufkommen werden bei der Vergabe weiterer Drittmittel bevorzugt und Hochschulen oder Fachbereiche mit niedrigem Drittmittelaufkommen benachteiligt. Dies widerspricht einem Grundsatz der Förderung unterfinanzierter Bereiche und schadet damit effektiv der Gesamtheit der Hochschulen und Fachbereiche.

4. Nachgewiesener Erfolg beim Einwerben von Drittmitteln avanciert außerdem zur Schlüsselkompetenz bei der Einstellung von Wissenschaftler*innen, inhaltliche Passung und Befähigung in Forschung und Lehre rücken in den Hintergrund. Außerdem spielen bei Berufungsverfahren Forschungsleistungen eine überproportional wichtige Rolle im Vergleich zu Lehrkompetenzen. Es ist untragbar, dass in Auswahlverfahren überhaupt auf die Höhe der eingeworbenen Drittmittel eingegangen wird. Es sollte lediglich die akademische Qualifikation an sich eine Rolle spielen.

5. Mittlerweile ist auch der Drittmitteleinfluss in der Lehre erschreckend deutlich geworden. Lehrstühle und Professor*innenstellen, die durch private Geldgeber*innen finanziert werden, stellen eine massiv Einflussnahme im Bereich der Bildung durch Externe dar. So kann direkt Einfluss auf Studium und Lehre genommen werden. Geldgeber*innen finanzieren Lehre zu von ihnen gewünschten Inhalten. Dies führt dazu, dass das Lehrangebot in diesen Bereichen weniger nach dem tatsächlichen Bedarf unter den Studierenden ausgerichtet wird als nach der Aussicht auf Kostenübernahme durch Externe. Es wird gelehrt, was gesponsert wird. Bildung sollte jedoch frei sein von einer derartigen Einflussnahme, damit auch in Zukunft gewährleistet werden kann, dass in den Bildungsinstitutionen kritische und selbstreflektierte Menschen gefördert werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit den vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systemen ist erforderlich.

Auf Grund dieser problematischen Entwicklungen lehnt der fzs eine Finanzierung, die mit Einflussnahme externer Institutionen verbunden ist, ab. Wettbewerbliche Mechanismen in der Hochschulfinanzierung darf es in keiner Form geben. Der fzs setzt sich für eine öffentliche Ausfinanzierung der Hochschulen ein, die dem tatsächlichen Bedarf eines bestmöglichen Bildungs systems gerecht wird.

Ein Wandel von wettbewerblicher Hochschulfinanzierung hin zu einer bedarfsgerechten Ausstattung mit Grundmitteln ist durchaus mit politischen Entscheidungen durchsetzbar. Beachtet man noch die Steuerausfälle, die durch die durch die Geltendmachung der Steuerabzüge für die 20% Drittmittel aus der Privatwirtschaft entstehen, ist eine Abschaffung der wettbewerblichen Mittelverteilung auch finanzierbar.

Die Gelder sollen innerhalb der Hochschule in paritätisch besetzten Gremien transparent und zum Wohle aller Beteiligten verteilt werden. Nur so kann verhindert werden, dass Bildungseinrichtungen als Wirtschaftsunternehmen fungieren und externe Akteure auf die Inhalte von Forschung und Lehre Einfluss nehmen.

Daher fordert der fzs: • freie Bildung unabhängig vom Einfluss privater Geldgeber*innen; • die Abschaffung der wettbewerblichen Mittelverteilung und volle Kompensation durch Grundmittel; sowie • eine gerechte Verteilung der Gelder innerhalb der Hochschule durch demokratisch legitimierte und paritätisch besetzte Gremien.