Offener Brief an die FU Berlin: Die Freie Universität wird zur Fabrik.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrtes Präsidium,
sehr geehrte Senatorinnen und Senatoren,
sehr geehrtes Kuratorium,

die Freie Universität Berlin wird zur Fabrik. Sie kämpfen um Reputation, Rankings, Leistung und Effizienz und verlieren die wichtigen Aufgaben aus dem Blick. Sie verlieren das Verantwortungsbewusstsein und driften in die Verantwortungslosigkeit.

Vor einem Jahr wurde das Berliner Hochschulgesetz novelliert. Die Novelle war und bleibt umstritten und viele Änderungen bieten die Möglichkeit, Studierenden das Studium zu erleichtern und sie zu fördern. Andere Punkte bieten die Möglichkeit Studierende durch Zwangsmaßnahmen und Repression Daumenschrauben anzulegen. Sie konzentrieren sich auf letzteres.

Die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes mag ihnen rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, um den Druck auf die Studierenden zu erhöhen. Sie mögen sich im Recht fühlen und die Gesprächsangebote ebenso ablehnen, wie Verständnis für den Unmut der Studierenden zu zeigen.

Sie sollten aber anerkennen, dass die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes eine Reaktion auf die Bildungsproteste von 2009 und 2010. Damals wurden von Studierenden insbesondere eine Erhöhung des Leistungsdrucks, flächendeckende Anwesenheitspflichten, Zwangsexmatrikulation, mangelnde Unterstützung und vor allem die undemokratischen Entscheidungsprozesse an Hochschulen bemängelt. Es scheint, als würden Sie das als Arbeitsanweisung verstanden haben, diesen Kritikpunkten auch maßgeblich zu entsprechen. 3 Jahre nach den Protesten verschärfen Sie die Regelungen maßgeblich. Geplant sind eine flächendeckende Anwesenheitspflicht, Zwangsberatungen mit der Möglichkeit zur Exmatrikulation und eine strikte Begrenzung der Prüfungsversuche.

Dass hier eine weitere Restriktion forciert wird, überrascht jedoch wenig. Schließlich erteilt die FU Berlin seit Jahren ihren Studierenden Auflagen, bei deren Nichterfüllung die Zwangsexmatrikulation angedroht wird und folgen kann. Dies geschieht seit Jahren ohne Rechtsgrundlage im Berliner Hochschulgesetz, wodurch diese Exmatrikulationen direkt gegen §12 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen. Das dies nicht verfassungskonform ist, ist der FU Berlin durchaus bewusst, denn sie einigt sich in gerichtlichen Verfahren stets außergerichtlich, um ein Urteil zu verhindern. Nichtsdestotrotz ist das den Entscheidungsträger*innen scheinbar egal. Die Wissenschaftsfreiheit verkommt zum Rechtsfertigungsgrund für rechtswidriges Handeln. Zu befürchten ist, dass auch weiterhin Willkür waltet.

Liebes Präsidium der FU Berlin – ihre Empathie für die Probleme des Hochschulsystems ist offensichtlich so groß, wie ihre Gesprächsbereitschaft mit den Studierenden. Es ist nun die Aufgabe des Senats, hier eine katastrophale Entwicklung zu verhindern. Auch das Kuratorium sollte sich mit dieser Thematik beschäftigen. Es scheint, als wolle die FU Berlin eine Exempel statuieren – ein Exempel gegen die Studierenden.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Entscheidungen an der FU Berlin zu treffen. Aber es ist ihre Aufgabe die Entscheidungen an der FU Berlin auch im Sinne und unter Beteiligung der Studierenden zu treffen. Missachten Sie das, missachten Sie nicht nur die Menschen, für die ihre Institution einst gebaut wurden. Sie missachten auch die heterogene Lebensrealität der Studierenden, die soziale Selektivität des Bildungssystems und ihren Bildungsauftrag im Sinne einer gesellschaftlichen Verantwortung, die sich auch in Verantwortung und Beteiligung an Entscheidungsprozessen der Universität widerspiegeln sollte.

Wir fordern Sie hiermit auf, Ihre Studierenden an den Satzungsgebungsprozessen zu beteiligen und von der Etablierung rigider Repressionsinstrumente abzusehen.

mit freundlichen Grüßen

Erik Marquardt, Vorstandsmitglied im fzs
Patrick Luzina, Sprecher des campusgrün-Bundesverbands