Leserbrief FAZ Hochschulwatch

Eine Umfrage des Stifterverbands zeigt: Die Einflussnahme von Unternehmen an Hochschulen in Deutschland ist ein ernsthaftes Problem. Sechs Prozent der Hochschulleiter berichten von unangemessenen Einflussnahmen aus der Wirtschaft. Unternehmen versuchten hier also offensichtlich, in die Forschungsfreiheit einzugreifen. Dies würde ein vom Grundgesetz geschütztes Recht verletzen, für das die Hochschulen gegenüber Studierenden und Ländern sofort in die Bresche springen.

Bei einem jährlichen Geldfluss von 1,3 Milliarden Euro aus der Wirtschaft an deutsche Hochschulen ist das eine alarmierende Zahl, zumal Unternehmen heute etwa doppelt so viel Geld wie noch vor einem Jahrzehnt überweisen. Die Notwendigkeit Drittmittel ein zu werben, um grundlegende Aufgaben zu erfüllen, setzt Hochschulen grundsätzlich in ein Konkurrenzverhältnis. Dieses führ zu einer Zunehmenden Konzentration auf die Mittelbeschaffung statt einer qualitativ hochwertigen Lehre und Forschung.

Die Umfrage schließt außerdem noch nicht die Fälle ein, bei denen Unternehmen im Einvernehmen mit den Hochschulen illegitimen Einfluss auf Forschung und Lehre ausüben. An der HU und TU Berlin beispielsweise ließ sich die Deutsche Bank jahrelang im Gegenzug für die millionenschwere Finanzierung des Instituts für Angewandte Mathematik umfangreiche Rechte zusichern. Die Banker konnten über Forschungsstrategie und Mittelverwendung mitbestimmen, sie durften Forschungsergebnisse zuerst veröffentlichen und Lehraufträge am Institut erhalten. Eine kleine Anfrage im niedersächsischen Landtag enthüllte 2011, dass die Einflussnahmen von Unternehmen keine Einzelfälle sind: Bei einer Vielzahl der Stiftungsprofessuren im Bundesland dürfen die Stifter über die Berufung der Professoren entscheiden. Mit dem Ideal einer unabhängigen Wissenschaft lässt sich das nicht verbinden.

Das gilt auch für Forschungsprojekte in Kooperation mit Unternehmen. Hier wird häufig argumentiert, Transparenz gefährde die Interessen der Wirtschaft. Dabei wird allerdings unterschlagen, dass die Hochschulen staatlich finanziert sind und es damit auch ein berechtigtes öffentliches Interesse daran gibt, die Verwendung der Gelder nachzuvollziehen und sicherzustellen, dass die Gesellschaft von der Forschung profitiert. Wirtschaftskonforme Hochschulen, die mit ihren Forschungen nur den Interessen von Unternehmen dienen, kann niemand ernsthaft fordern. Daher haben wir mit Hochschulwatch eine Datenbasis zusammengetragen, aus der eine erste Übersicht über die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland erkennbar ist. Sie zeigt, dass das Engagement von Unternehmen an Hochschulen seit Jahrzehnten in absoluten Zahlen zunimmt. Der leichte Rückgang von unternehmensfinanzierten Stiftungsprofessuren von 2009 bis 2012 ficht dies nicht an, werden doch die meisten Stiftungsprofessuren nach Ablauf in den Haushalt der Hochschule übernommen – im vorher vom Stifter bestimmten Forschungsgebiet.

Trotzdem ist eine solch große Datensammlung wie bei Hochschulwatch mit vielen Schwierigkeiten verbunden, zumal nur wenige öffentliche Daten zu Hochschulkooperationen frei verfügbar sind und einige Hochschulen in Deutschland in ihrer Informationspolitik weiterhin mauern. Hinweise und Ergänzungen zur Datenbank pflegen wir aber jederzeit nach vorheriger Prüfung ins Projekt ein. Es ist schade, dass die umfangreichen Daten, die dem Stifterverband vorliegen, bislang noch nicht veröffentlicht sind. Daher laden wir den Stifterverband ein, mit uns gemeinsam an Hochschulwatch zu arbeiten. Wenn wir Daten über Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft miteinander verbinden, können wir fernab von Einzelfällen ein schlüssiges Gesamtbild vorlegen. Dazu gehört auch der Verhaltenskodex des Stifterverbands, der für mehr Transparenz bei der Einrichtung von Stiftungsprofessuren wirbt. Auf diesen ersten, begrüßenswerten Schritt einer Selbstverpflichtung muss aber auch der zweite Schritt einer gesetzlichen Regelung in den Bundesländern folgen, welche die Veröffentlichung von Drittmittelverträgen vorschreibt. So könnte sichergestellt werden, dass durch angemessene Transparenz die Unabhängigkeit der Hochschulen gewahrt bleibt. Eine solche Transparenz und weniger Missbrauch durch einzelne lässt sich durch eine Rückführung der Entscheidung in öffentliche Gremien bewirken. Treffen Hochschulen solche Entscheidungen wieder mit der Mehrheit der unterschiedlichen Gruppen der Hochschule, werden intransparente Entscheidungen im Hinterzimmer unmöglich.