Die soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden ist Untersuchungsobjekt verschiedener Studien. Die Sozialerhebung des DSW [1] ist mit der Anzahl der Befragten und der Anzahl der Fragen international ein vorbildliches Projekt. Aber auch die Daten des Konstanzer Studierendensurvey [2] und der Zahlenspiegel des DSW [3] geben Auskunft zu diesen Fragestellungen.
Studierende investieren laut 20. Sozialerhebung durchschnittlich 35 Stunden pro Woche in ihr Studium und leben von 864€ pro Monat. Ein Großteil (61%) der Studierenden geht neben dem Studium einer Lohnarbeit nach, um das Studium finanzieren zu können.
Dies liegt vor allem daran, dass 50% der Studierenden aus einem akademischen Elternhaus kommen (20. Sozialerhebung des DSW, S.80). Dies bedeutet in der Regel nicht nur eine gute finanzielle Absicherung, sondern auch, dass sie mit den akademischen Strukturen und Habitus vertraut sind. Die Selektion im deutschen Bildungssystem ist immer noch die größte Herausforderung: Die Sozialerhebung ist also auch vor dem Hintergrund zu lesen, dass hauptsächlich die Gewinner*innen des Bildungssystems überhaupt studieren. Für die Ergebnisbewertung jeder Studierendenbefragung ist es wesentlich, die Zusammensetzung der Studierendenschaft zu berücksichtigen. Die Sozialerhebung gibt für diese Bewertung Auskunft über die soziodemografische Herkunft der Studierenden: Im Bachelor haben 50% der Studierenden mindestens ein Elternteil mit einem Hochschulabschluss, davon 35% von einer Universität oder einer gleichgestellten Hochschule. Im Master sind es überwältigende 62% der Studierenden, die aus einem akademischen Elternhaus kommen. Der Anteil der Studierenden, deren Eltern einen Abschluss von einer Universität besitzen, steigt auf 50%. Die gestufte Studienstruktur hat somit eindeutig eine weitere Hürde für Erstakademiker*innen geschaffen.
Zeitbudget für Studium und Arbeit
Das Zeitbudget, dass Studierende für Lohnarbeit aufwenden müssen, liegt bei durchschnittlich 7,4 Stunden pro Woche während der Vorlesungszeit. Die Notwendigkeit während des Studiums Lohnarbeit nach zu gehen, hängt auch von der Bildungsherkunft ab. Bei niedriger Bildungsherkunft arbeiten 64% der Studierenden, bei hoher 59%. Der Unterschied wirkt gering. Tatsächlich geben aber 72% der Studierenden mit niedriger Bildungsherkunft an, dass sie Arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei den Studierenden mit hoher Bildungsherkunft ist das Hauptmotiv hingegen „sich etwas mehr leisten zu können“ (S.394). Auch das Erwerbsmotiv „Praxis“ ist nach Bildungsherkunft unterschiedlich häufig vertreten. Bei Studierenden mit hoher Bildungsherkunft ist das Erwerbsmotiv „Praxis“ häufiger vertreten. Dies lässt darauf schließen, dass Studierende aus akademischem Elternhaus eher einen Job annehmen, der dem Studienprofil entspricht, während Erstakademiker*innen eher Jobs mit besserer Vergütung präferieren (siehe Bild 10.21).
Somit haben Studierende mit hoher Bildungsherkunft bereits die Gelegenheit während des Studiums Kontakte zu späteren Arbeitgeber*innen aufzubauen und ihr fachspezifisches Wissen zu verbessern. Dies erhöht ihre Chancen auf eine höher bezahlte Anstellung nach dem Studium. Es ist somit dringend geboten, das BAföG so anzupassen, dass Studierende ihren Lebensunterhalt nicht hauptsächlich durch Lohnarbeit sichern müssen. Das aktuelle System verschärft die Ungleichheit zwischen Menschen mit hoher und niedriger Bildungsherkunft und bevorzugt die, die ohnehin mit Vorsprung in die Hochschulen starten.
Wohnen
Einen großen Teil ihrer Ausgaben verwenden Studierende zum Wohnen. Günstiger Wohnraum wird in den Großstädten immer rahrer. Hier besteht ein großer Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern. Für die Städte mit Wohnraumknappheit gilt, dass die Wohnheimkapazitäten ausgebaut werden müssen. Zwar steigt die Anzahl der Studierenden in Wohnheimen, im Vergleich zu den Studierendenzahlen sinkt die Anzahl jedoch. Seit 2008 ist die prozentuale Versorgung mit geförderten Wohnplätzen in den alten Bundesländern stetig gesunken. War 2008 noch eine Abdeckung von 11,78% gegeben, waren 2014 nur noch 9,51% der Studierenden in geförderten Wohnplätzen untergebracht [4]. Wir brauchen Investitionen in die Wohnheime, um Wohnen für Studierende in den Städten möglich zu machen. Ein hohes Angebot an günstigem Wohnraum durch die Studierendenwerke hält auch den Mietpreis für günstige Wohnformen niedrig und kommt damit allen Niedrigverdienern zu Gute.
De facto Teilzeitstudierende
Ein Studium bedeutet in der BRD fast zwingend ein Vollzeitstudium. Nur 4% der Studierenden sind laut Sozialerhebung nicht in dieser Studienform eingeschrieben. 22% der formalen Vollzeit-Studierenden studieren jedoch de facto in Teilzeit. Ca. 2/3 dieser Studierenden arbeitet bis zu 15 Stunden pro Woche. Somit bleiben 7% der Studierenden, die in noch höherem Maße neben dem Studium arbeiten. Die Einstufung von 15 Stunden pro Woche als geringen Erwerbsaufwand von Studierenden zu werten, ist zu hinterfragen. Die Sozialerhebung selbst kommt an anderer Stelle bereits zu dem Schluss, dass eine Erwerbstätigkeit von 5 Stunden pro Woche zu Lasten der Studienzeit geht [1; S. 342].
Psychosoziale Belastung
Dem Konstanzer Studierendensurvey 2014 ist zu entnehmen, dass die Angst zu Versagen unter Studierenden „durchaus verbreitet“ ist. 28% der Studierenden an Universitäten und 26% an FHs geben an, dass sie Angst vor Prüfungen haben. Ängste um den Abschluss plagen 19% der Studierenden an FHs und Unis. Dies führt dazu, dass diese Studierenden in Prüfungen ihr Wissen nicht abrufen können. Besonders betroffen von der Angst zu versagen sind die Studentinnen. Ebenfalls aus dem Konstanzer Studierendensurvey geht hervor, dass Studierende weiter unter der Entpersonalisierung des Studiums leiden: Sie werden nur über ihre Leistung wahrgenommen und nicht als Person. Gerade vor dem Hintergrund, dass Hochschulen zur Persönlichkeitsbildung beitragen sollen, ist dies problematisch. Der Bedarf an psychosozialer Beratung steigt. Laut Zahlenspiegel des DSW gab es 2013 50% mehr Studierende, die sich über psychosoziale Beratungsangebote von Studierendenwerken informierten. In 45 Studierendenwerken nahmen 27.000 Studierende Einzelgespräche war. Zusätzlich gibt es von Hochschul- und Studierendenschaftseite immer mehr Angebote zur psychosozialen Beratung.
Eurostudent – europäische Vergleichsstudie [5]
Zu einem Studium in der BRD gehört häufig auch ein Auslandsaufenthalt. Europaweit hängt laut der Erhebung Eurostudent V die Mobilität stark von der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Studierenden ab. Eine Entkopplung von Bildungserfolg und Herkunft würde auch bedeuten, dass Mobilität und Bildungsherkunft voneinander entkoppelt werden müssen. Die Eurostudent V Datenbasis für die BRD ist die Sozialerhebung. In einigen Feldern der europäischen Vergleichsstudie, gibt es jedoch keine Daten der Sozialerhebung. Ein Beispiel ist die Abhängigkeit der Mobilität von privater oder staatlicher Finanzierung, für die aus der BRD keine Daten beigesteuert werden, ein anderes das Interesse von Bachelorstudierenden an einem Masterstudiengang. Die Erweiterung der Sozialerhebung, um die für den internationalen Vergleich notwendigen Daten, sollte dringend vorgenommen werden.
Bildungsausländer*innen
Zusätzlich zum Hauptbericht der Sozialerhebung gibt es seit der 17. Sozialerhebung eine Sonderauszählung für Bildungsausländer*innen [6]. Auf wenige Aspekte soll hier noch ein Schwerpunkt gelegt werden. Studierende kommen vor allem für Master- und Promotionsprogramme in die BRD. Diese sind häufiger ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen zu bewältigen. Das Angebot an englischsprachigen Bachelorprogrammen ist vergleichsweise gering.
Die meisten Bildungsausländer*innen finanzieren ihr Studium über finanzielle Unterstützung der Eltern und eigene Lohnarbeit. Diese Studierenden haben mit 749€ monatlich etwa 100€ weniger im Monat zur Verfügung als Bildungsinländer*innen. Studierende aus einkommensschwächeren Herkunftsländern haben im Durchschnitt sogar nur 675€ zur Verfügung. Zentral für das Studium in der BRD ist es nach der Zulassung zum Studium eine Unterkunft zu finden. 2012 hatten die Bildungsausländer*innen noch größere Probleme eine Wohnung zu finden als noch 2009. 42% berichten von Problemen. Betrachtet man den Wohnungsmarkt in Hochschulstädten seit 2012 ist stark davon aus zu gehen, dass die Problematik sich weiter verstärkt hat. Bildungsausländer*innen erfahren insbesondere auch bei der Wohnungssuche starke Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft. 39,4% der Studierenden berichten von einer Diskriminierung oder Vorurteilen aufgrund ihrer Herkunft [7]. Gerade für Bildungsausländer*innen ist eine zuverlässige Versorgung mit Wohnheimplätzen deshalb wichtig. Laut Sozialerhebung wohnen die meisten Bildungsausländer*innen in Wohnheimen (37%). Allerdings geht der Anteil an dieser Wohnform seit 2009 zurück. Dies ist vor allem durch die hohe Konkurrenz mit Bildungsinländer*innen, um Wohnheimplätze, zu erklären. Auch für Bildungsausländer*innen ist ein Ausbau der Wohnheimkapazitäten somit essentiell.
Quellen:
[1] Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012, 20. Sozialerhebung, Elke Middendorff et al.
[2] Studiensituation und studentische Orientierungen, 12. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen; Michael Ramm et. al. Konstanz 2014
[3] Studentenwerke im Zahlenspiegel 2013/2014, Berlin 2014
[4]Wohnraum für Studierende – Statistische Übersicht; DSW; Berlin 2014
[5] Social and Economic Conditions of Student Life in Europe; EUROSTUDENT V 2012-2015 | Synopsis of Indicators; Kristina Hauschildt et al.; DOI: 10.3278/6001920bw
[6] Ausländische Studierende in Deutschland 2012- Ergebnisse der 20. Sozialerhebung; Beate Apolinarski und Jonas Powowsky
[7] Mobile Talente? – Ein Vergleich der Bleibeabsichten internationaler Studierender in fünf Staaten der Europäischen Union; Brooke Sykes und Eadaoin Ni Chaoimh; Berlin 2012