Stellungnahme zum Multilateralen Investitionsabkommen (MAI)

Das multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) stellt einen Meilenstein im Prozeß der wirtschaftlichen Globalisierung dar. Das neoliberale Ideal der Deregulierung, d.h. des freien und ungehinderten Flusses von Gütern, Dienstleistungen und Finanzen weltweit, soll jetzt auch auf Auslandsinvestitionen ausgeweitet werden. Investoren soll ein weitreichender Schutz vor staatlicher Einflußnahme zugesichert werden. Die Rechte, welche Investoren durch das MAI erhalten sollen, bedeuten eine Außerkraftsetzung demokratischer Entscheidungsmöglichkeiten.

Dieses Vertragswerk ist damit ein weiterer Schritt, Einfluß von transnationalen Konzernen auf die Politik und die Machtposition des Kapitals allgemein zu bestärken. Wir lehnen das MAI und jeden Investitionsvertrag, dem ein ähnliches Konzept zugrunde liegt, ab. Wir wenden uns gegen jede Form der Weiterverhandlung des MAI, egal unter welchem Namen und in welchem Forum (ob in der OECD, WTO oder im UN-System).

Vor allem kann das MAI folgende Auswirkungen haben:

  • Der Wettbewerb zwischen Staaten wird noch mehr angeheizt. Um ein „günstiges Investitionsklima“ zu schaffen, wird die nationale Gesetzgebung sich noch weiter nach den wirtschaftlichen Interessen ausrichten, was Auswirkungen auf alle öffentlichen Sektoren haben wird, wie Gesundheitswesen, soziale Absicherung, Bildung und Kultur. Diese Sektoren werden unter die Dogmen der Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit fallen.
  • Bestimmte Standards werden durch das MAI unmöglich gemacht, andere werden dem wachsenden Wettbewerbsdruck zum Opfer fallen. Dieser „Wettlauf nach unten“ wird vor allem Umwelt- und Sozialstandards betreffen.
  • Erklärtermaßen sollen möglichst viele Staaten dem MAI beitreten. Für die zunehmend von Auslandsinvestitionen abhängigen Entwicklungsländer wird der Beitrittsdruck entsprechend groß sein. Gerade hier wird das Verbot „diskriminierender“ Reglementierungen weitreichende Folgen haben: lokale Wirtschaften können nicht mehr geschützt, im Entstehen begriffene Sektoren nicht mehr gezielt gefördert werden.
  • Durch das MAI sollen vermehrt Investitionen in aufstrebende und neue Märkte der südlichen Länder getätigt werden. Schon jetzt ersetzen ausländische Direktinvestitionen immer mehr die Entwicklungshilfe für die sogenannte „Dritte Welt“. Wenn durch das MAI diese Länder weder über die Verwendung und den Zweck, noch über die Beschränkung von Investitionen bestimmen dürfen, wird ihnen die eigenständige Entscheidung über wirtschaftliche Prozesse genommen und das westlich dominierte Konzept von Entwicklung aufgezwungen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesellschaften führen zur Einebnung identitätsstiftender Traditionen und zum Verlust kultureller Vielfalt.
  • Das MAI räumt Investoren die Klagemöglichkeit gegen ein Land ein. So können neu eingeführte Maßnahmen zum Zweck der Gesundheit, des Umweltschutzes und des Arbeitsrechts, die die Profite der Unternehmen einschränken könnten, als „indirekte Enteignung“ zur Klage seitens ausländischer Investoren führen. Ein Staat wird dann für die Einführung oder den Erhalt einer Maßnahme Ausgleichszahlungen zur „Entschädigung“ der betroffenen Investoren leisten müssen.

Das MAI ist die logische Folge jahrelang praktizierter neoliberaler Politik, die sich ausschließlich nach wirtschaftlichen Interessen ausrichtet. Wirtschaftswachstum wird zu dem entscheidenden Kriterium für politischen Erfolg. Deshalb wird die Schaffung möglichst günstiger Bedingungen für die Unternehmen und die Industrie zum Primat der Politik, was einhergeht mit dem Rückzug des Staates aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung. So findet man in Deutschland eine argumentativ verengte „Wirtschaftsstandort“-Debatte, in der beispielsweise für Fragen der sozialen Gerechtigkeit kein Platz mehr ist. In der Bevölkerung setzen sich durch solch einseitige Debatten Denkmuster fest, in denen berufliche Karriere und individualisierter Erfolg jedes Gemeinwohlinteresse und Solidaritätsempfinden verdrängt.

Weil wir das MAI sowohl mit dem ganzen Globalisierungsprozeß, als auch mit dem Zustand von Gesellschaften in hochentwickelten Ländern im Kontext sehen, sind unsere Forderungen auch weitreichender als die einiger Nichtregierungsorganisationen, die das MAI lediglich durch eine neue Verhandlungsidee ersetzt sehen möchten, einem IAM (international agreement on multinationals), in welchem es um die Reglementierung von Auslandsinvestitionen gehen soll.

  • Wir fordern, daß Themen wie Investitionen, die Auswirkungen auf Gesellschaft und Bevölkerungsgruppen haben, auch mit Beteiligung eben dieser Betroffenen diskutiert werden und jegliche Entscheidungen in diesen Bereichen gemeinsam mit demokratisch legitimierten VertreterInnen dieser Betroffenen getroffen werden. Das heißt, daß Investitionsabkommen nicht überstaatlich in einem multilateralen Rahmen verhandelt und beschlossen werden dürfen, sondern zuerst in einem regional überschaubaren Rahmen, in dem sich lokale Interessen durchsetzen können.
  • Wir fordern eine grundlegende Diskussion aller Bevölkerungsgruppen über die Rolle, die Investitionen überhaupt zugestanden werden sollen. Die Abhängigkeit von Investitionen (beispielsweise für „Arbeitsplatzschaffung“ im Norden und „Entwicklung“ im Süden) sind gemacht und gewollt und deshalb nicht unvermeidlich.
  • Wir fordern den Stopp aller politischen Entscheidungen und Verhandlungsprozesse in WTO, IWF, Weltbank und OECD, die ohne demokratische Kontrollmöglichkeit und Mitbeteiligung einer breiten Öffentlichkeit durchgeführt werden. Ungewählte Institutionen haben kein Recht, Entscheidungen zu treffen, die Effekte auf die Lebensweise aller Menschen haben.
  • Wir fordern alle Menschen auf, die Peoples Global Action (PGA) – weltweite Aktionen gegen „Frei“handel und die Welthandelsorganisation (WTO) zu unterstützen. Der fzs ist Teil der PGA, trägt die Inhalte des PGA-Manifests mit und sieht seine politischen Aktivitäten im Rahmen des PGA-Aktionsbündnisses.

Wir lehnen nicht nur die Machtzunahme transnationaler Konzerne ab, sondern auch die Machtausübung undemokratischer Institutionen. Macht darf nicht in den Händen der Großkonzerne liegen, die nur nach ihrem eigenen Profit streben und per se kein Interesse am Gemeinwohl haben.

Macht soll aber auch nicht in Händen von PolitikerInnen liegen, welche sich selbst einseitig auf das Vertreten wirtschaftlicher Interessen ausgerichtet haben und sich aus ihrer sozialen Verantwortung ziehen.

Macht muß in die Hände aller Menschen gelegt werden, die solidarisch miteinander leben wollen, sowohl in regionalen als auch globalen Zusammenhängen. In ihrer Verantwortung liegt es, innerhalb und außerhalb lokaler Bevölkerungsgruppen auf der Basis von demokratischen, sozialen, ökologischen, feministischen, antirassistischen und antifaschistischen Grundsätzen ihre eigene und selbständige Wirtschafts- und Lebensweise zu entwickeln.

Beschlossen auf der 10.MV in Karlsruhe, Mai 1998