Über 50 Studierende haben am vergangenen Wochenende beim zweiten Bundeskongress studentische Sozialpolitik in Münster über die weitere sozialpolitische Arbeit der studentischen Interessenvertretung diskutiert. Zentral war die Frage der sozialen Selektivität im Bildungssystem. In diesem Zusammenhang wurde Kritik an der Einführung von Studiengebühren geübt – vor allem mit Blick auf den Vorschlag der Hochschulrektorenkonferenz.
„Die HRK fordert unter anderem Studiengebühren, weil sie es ungerecht findet, dass wir angeblich Geld für Handys und Kneipe ausgeben, aber das Studium gebührenfrei bleibt,“ so Annerose Gulbins vom Vorstand des bundesweiten studentischen Dachverbands, „Wer aber schon heute kein Geld für Handy und Kneipe hat, dem wird durch die Einführung von Studiengebühren der Weg in die Hochschule endgültig versperrt. Damit werden zukünftig noch weniger Menschen aus bildungsfernen Schichten an den Hochschulen studieren. Schon heute sind sie mit 12% unterrepräsentiert.“
Die gleichzeitige Einführung eines Stipendiensystems mit der Einführung von Studiengebühren führt aus Sicht des fzs nicht zu einer sozial verträglicheren Ausgestaltung, sondern verstärkt die soziale Selektivität sogar noch weiter. „Wer die 1.000 bis 3.000 Euro, die die HRK in ihrem Beschluss mittelfristig empfiehlt, nicht aufbringen kann, der hat auch mit einem Stipendiensystem keine Gewissheit, dass er Zugang zur Hochschule erhält. Es ist ein grundlegender Unterschied, ob auf Zahlungen ein Rechtsanspruch besteht, oder ob – wie in Stipendiensystemen – zwischen „Begabten“ und „weniger Begabten“ bzw. „Leistungsbereiten“ und „weniger Leistungsbereiten“ in einem Auswahlverfahren unterschieden wird. Hier werden sich gerade die durchsetzen, die am besten ihre Ellenbogen zum Einsatz bringen können – und das werden vor allem diejenigen sein, die bereits heute Gewinner des Bildungssystems sind,“ erläutert Nele Hirsch, ebenfalls Vorstand im fzs.
Der fzs verwies in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen im Bereich der individuellen Studienfinanzierung: Das Honnefer Modell wurde 1972 durch das BAföG abgelöst, weil es sich als sozial diskriminierend erwiesen hatte, dass Menschen ohne die notwendigen finanziellen Mittel nicht nur Bedürftigkeit, sondern auch eine besondere „Begabung“ nachweisen mussten. Dazu Hirsch: „Wir fordern ein Recht auf eine staatliche Absicherung beim Studium – keinen Gnadenakt.“ Anstatt das Bildungssystem durch die Einführung von Studiengebühren noch selektiver zu gestalten, fordert der fzs, dass endlich Maßnahmen ergriffen werden, die die Bildungsbeteilung für benachteiligte Schichten fördern.
So könnte im Rahmen einer BAföG-Novellierung beispielsweise über die Wiedereinführung eines umfassenden Schüler-BAföGs nachgedacht werden. „Wenn mehrere Millionen Euro zum Aufbau von Exzellenzzentren und Elitehochschulen zur Verfügung gestellt werden, von denen nur einige wenige Bildungsgewinner profitieren, dann ist das sozial ungerecht. Sozial gerecht wäre es dagegen, die Millionen dazu verwenden, um gezielt bisherigen Verlieren im Bildungssystem den Zugang zu erleichtern.“
Für Rückfragen: Nele Hirsch (0176 24005790)
Annerose Gulbins (0176 21232119)