Hochschulpräsidenten versus Demokratie

POTSDAM/ BONN: Am morgigen Dienstag beginnt an der Universität Potsdam neben Gremienwahlen auch eine Urabstimmung der Studierenden, in der Rektor Wolfgang Loschelder zum Rücktritt aufgefordert werden soll. Diese in Deutschland einmalige Abstimmung über einen Rektor war nötig geworden, da sämtliche Bemühungen, interne Konflikte anders zu lösen, am Rektor selber scheiterten. „Die gezielte, zunehmende Machtkonzentration auf die Hochschulpräsidenten macht Konfliktlösungen innerhalb der Hochschule immer schwieriger, vor allem für Studierende – daher unterstützen wir dieses demokratische Begehren in Potsdam“ so Nele Hirsch vom Vorstand des freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs).

Undemokratisches und vermutlich rechtswidriges Handeln sind die Hauptgründe für die Urabstimmung gegen den Potsdamer Rektor. Der Rektor behält beispielsweise 6.300 Euro ein, welche der Studierendenschaft gehören. Loschelder will die Gelder direkt an das Zentrum für Hochschulsport überweisen, obwohl der Vertrag mit dem Zentrum gekündigt wurde. Damit gefährdet er studentische Großprojekte wie beispielsweise das Semesterticket.

Der AStA und der fzs kritisieren darüber hinaus, dass studentische Vertreterinnen und Vertreter zu Gremien nicht eingeladen, ihre Fragen nicht beantwortet und ihre Meinungen und Vorschläge ignoriert werden. „Herr Loschelder greift massiv in die Autonomie der Verfassten Studierendenschaft ein und beschränkt unsere vom Gesetz zugesicherten Rechte“ so Martin Bär, AStA-Vorsitzender an der Uni Potsdam. Die gezielte Untergrabung der Verfassten Studierendenschaft durch den Potsdamer Rektor macht deutlich, dass die in den letzten Jahren massiv vorangetriebene Entdemokratisierung der Hochschulen auch vor einer der letzten demokratischen Inseln wie der Verfassten Studierendenschaft keinen Halt mehr macht.

Seit die Hochschulleitungen unter dem Schlagwort der Hochschulautonomie zu ausführenden Organen eines gezielten Demokratie- und Wissenschaftsabbaus gemacht wurden, geraten die Studierendenschaften wieder verstärkt unter Beschuss. Aus der Diskussion über eine umfassende Hochschulreform werden sie bewusst ausgeschlossen. Stattdessen machen die politisch Verantwortlichen sie immer wieder zu Sündenböcken der verfehlten Hochschulentwicklungsplanung. Das zeigt sich besonders deutlich in den Polemiken zum Thema Langzeitstudierende zeigt. Diese werden für die Fehler der Politik zur Kasse gebeten. Während sich in Potsdam die Studierendenschaft noch öffentlich gegen das undemokratische Vorgehen des Rektors wehrt, sind in Hessen auf Landesebene schon Vorkehrungen getroffen worden, die Studierendenschaft schrittweise zu entmachten und faktisch abzuschaffen.

In einem am Freitag einstimmig verabschiedeten Entwurf für ein neues Landeshochschulgesetz sollen die Aufgaben und Organisation der Verfassten Studierendenschaft nicht mehr gesetzlich abgesichert sein. Zudem wird die Erhebung von Beiträgen an die Höhe der Wahlbeteiligung gekoppelt. Nele Hirsch vom fzs erklärt dazu: „Eine unabhängige Studierendenschaft, die sich kritisch am Hochschulgeschehen beteiligen kann, soll es in Hessen, nach dem Willen der Landesregierung bald nicht mehr geben. Dagegen werden die Rechte des Präsidiums weiter gestärkt. Der Möglichkeit zur kritischen Einmischung der Studierenden wird damit jegliche Grundlage entzogen“, so Hirsch abschließend.