NRW: Verwaltungsgericht Köln hat teilweise erhebliche Zweifel am Studienkonten- und finanzierungsgesetz

Fallgruppe 1: Orientierungsphase

Das Verwaltungsgericht bestätigte in zwei Hauptsacheverfahren seinen Eilentscheid vom 26. April 2004 und hob die Studiengebührenbescheide der beiden Klägerinnen auf. Im Gesetz ist eine Orientierungsphase von zwei Semestern vorgesehen. Wer demnach bis zu Beginn des dritten Semesters seinen Studiengang wechselt, der erhält ein neues Studienkonto. Diese Regelung wurde für Studierende ausgeschlossen, die diesen Wechsel in der Vergangenheit vorgenommen haben. „In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass das Gericht hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes sieht“, erklärte Klemens Himpele, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren. Das Verwaltungsgericht ließ Berufung zu, so dass die Urteile noch nicht rechtskräftig sind. „Im Interesse der Rechts- und Planungssicherheit der Studierenden ist eine schnelle Entscheidung der beklagten Hochschulen, ob Berufung eingelegt wird, wünschenswert“, so Himpele weiter.

Fallgruppe 2: Kindererziehungszeiten

Im vorliegenden Fall vertrat der Anwalt von ABS und LAT eine Mutter vierer Kinder – drei der Kinder waren bei der Verhandlung anwesend. Die Studierende hatte vor vielen Jahren ein Studium begonnen und nicht zu Ende geführt, da sie sich um die Erziehung der Kinder kümmerte. Sie hat dann einen neuen Anlauf genommen und ist derzeit an der FH Köln als Studentin der Sozialarbeit eingeschrieben. „Diese Immatrikulation nahm sie im Vertrauen auf die damalige nordrhein-westfälische Rechtslage, dass Studiengebühren nicht erhoben werden, vor“, sagte Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht befand die Bonusregelungen von vier Semestern pro Kind jedoch als ausreichend. „Die betroffene Familie kann sich nicht einmal einen Urlaub leisten“, kommentierte Klemens Himpele das Urteil. „Daran wird deutlich, dass das Gesetz keineswegs irgendwelche Scheinstudierende trifft sondern beispielsweise Mütter vierer Kinder.“ Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler kündigte an, dass dieser Fall vor das Oberverwaltungsgericht gebracht werden wird.

Fallgruppe 3: Zweitstudium

Hier hatte der Anwalt eine Studentin vertreten, die ihr erstes Studium in der Regelstudienzeit von acht Semestern abgeschlossen hatte und nun einen weiteren Studiengang studiert. Studierenden, die ein Studium besonders schnell abschließen, räumt das Gesetz ein, einen Teil eines zweiten Studiums gebührenfrei zu absolvieren. Diese Regelung gilt jedoch nicht für Studierende, die ihren Abschluss vor dem Sommersemester 2004 gemacht haben. Diese müssen in jedem Fall bezahlen. „Unsere Klägerin wird demnach dafür bestraft, dass sie ihren Abschluss so schnell gemacht hat“, so Klemens Himpele. Auch das Verwaltungsgericht Köln äußerte in den mündlichen Verhandlungen erhebliche Zweifel, ob der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein könnte. Diese Zweifel konnten auch vom Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung nicht ausgeräumt werden. Daher hat das Gericht heute beschlossen, eine weitere schriftliche Stellungnahme des Ministeriums einzufordern. „Sollte das Ministerium hier keine neuen sachlichen Gründe nennen können, warum Studierende mit einem Abschluss vor und nach dem Sommersemester 2004 unterschiedlich behandelt werden, so wird das Verwaltungsgericht diesen Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen müssen“, so Wilhelm Achelpöhler.

Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren beim fzs ist zwar enttäuscht darüber, dass einer Mutter trotz der Erziehung von vier Kindern die Studiengebühren aufgebrummt werden und wird in diesem Fall in Berufung gehen. Ansonsten sieht Klemens Himpele die juristischen Vorbehalte gegen das Gesetz jedoch bestätigt: „Das Gesetz ist übereilt und schlecht gemacht und wird den Realitäten an den Hochschulen in keiner Weise gerecht.“ Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren bleibt auf der politischen Ebene ein harter Gegner der Studiengebühren. „Die Flucht von den Hochschulen ist ein deutliches Signal, dass es sich viele Menschen schlicht nicht mehr leisten können, zu Studieren“, sagte Himpele mit Blick auf den Rückgang um 15.000 Studierenden alleine an der Uni Köln. „Dieser soziale Numerus Clausus ist ein echter Schlag ins Gesicht so genannter bildungsferner Schichten.“