Die Verfassten Studierendenschaften, wie wir sie heute kennen, wurden nach dem 2. Weltkrieg von den West-Alliierten im Rahmen des Reeducation-Programms als demokratische Selbstverwaltungsorgane der Studierenden bundesweit eingeführt. Damals wurde das Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung explizit dem Führerprinzip der Studentenschaften während der NS-Zeit entgegensetzt. Die freie und demokratische Meinungsbildung sollte an die Stelle der politischen Kultur der NS-Zeit treten, in der die Aufgabe der Studierendenschaft darin gesehen wurde, dass die Studenten ihre Pflichten gegen Volk, Staat und Hochschule erfüllen. War die gesetzliche Aufgabe während der NS-Zeit „auf eine passive, als Objekt der politischen Erziehung durch die Studentenschaftsführung konzipierte Studentenschaft bezogen“ , so betrachteten die alliierten Besatzungsmächte der West-Zonen und der demokratisch gesinnte Teil der Gründergeneration der Bundesrepublik gleichermaßen die studentische Selbstverwaltung als Übungsfeld und Sozialisationsinstanz für die spätere Beteiligung am demokratischen öffentlichen Leben. Sie gingen davon aus, dass in der Selbstverwaltung tätige Studierende im späteren Leben ein Musterbeispiel für demokratische Verfahrensweisen abgäben und lernten, verantwortungsbewusst mit ihrer zukünftigen Rolle als AkademikerInnen umzugehen. Daher war es anfangs auch selbstverständlich, dass die Studierendenschaften nicht von Staat und Gesellschaft isoliert agieren, sondern sich aktiv an der Gestaltung der Nachkriegsdemokratie beteiligen und für die Menschenrechte eintreten sollten. In der Praxis bedeutete dies bis weit in die 60er Jahre für die damaligen Studierendenvertretungen – ganz im Geiste des Kalten Krieges – die Forderung nach „Wiedervereinigung“, die Befürwortung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und Kritik an der Einführung der LPGen in der DDR wie überhaupt die beständige Kommentierung und Kritik der Tagespolitik in der DDR. Diese Praxis wurde von den damaligen politisch Verantwortlichen nicht bloß toleriert, sondern aktiv gefördert, wie zahlreiche zeitgenössische Dokumente belegen. Im Zuge der studentischen Proteste der Jahre 1967ff wurde die Entscheidung über Rollen und Kompetenzen der Studierendenschaften jedoch gänzlich von der politischen auf die juristische Ebene verschoben. Rechtsprechung und -lehre griffen unter dem Vorzeichen des Kampfes gegen die revoltierenden Studierenden – ganz entgegen der Intentionen der Begründer der Verfassten Studierendenschaften – bei ihrer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der politischen Betätigung der Studierendenschaften zurück auf die überkommene Vorstellung von Studierendenschaften als Appendix der staatlichen Verwaltung. So konnte sich in den 70er Jahren schließlich eine herrschende Rechtsprechung etablieren, deren Ziel nicht die Förderung der demokratischen Selbstverwaltungsrechte oder der Schutz des kollektiven Grundrechts auf Lehr- und Meinungsfreiheit war, sondern die weitestgehende Einschränkung der Handlungsfreiheit der Studierendenschaften. Parallel dazu setzten die Unionsparteien auf politischer Ebene im Zuge der Auseinandersetzungen um die Ausgestaltung des Hochschulrahmengesetzes durch, dass die Frage der Einführung von Verfassten Studierendenschaften den Ländern überlassen blieb und in den entsprechenden §41 des Hochschulrahmengesetzes nur eine Kann-Bestimmung hinsichtlich der Einführung Verfasster Studierendenschaften eingefügt wurde. Damit war der Weg frei für Bayern (1974) und Baden-Württemberg (1977), die Verfassten Studierendenschaften vollständig abzuschaffen. Gleichzeitig wurde zum damaligen Zeitpunkt – unter dem Eindruck der bereits bestehenden Rechtsprechung und massivem Druck seitens der Union – im HRG eine bis heute gültige Kompetenzregelung für die VS etabliert, die immer offen gewesen ist für die restriktive Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.